Rz. 30

Komplizierter wird die Anspruchsverteilung zwischen geschädigtem Versicherten und sozialrechtlichem Leistungsträger dann, wenn der Anspruch auf Schadensersatz durch ein mitwirkendes Verschulden oder eine mitwirkende Verantwortlichkeit des Geschädigten begrenzt ist. Der Gesetzgeber hat den Fällen eines echten Mitverschuldens nach § 254 BGB die Fälle einer – schuldlosen – Mitverantwortlichkeit gleichgestellt, wie sie vornehmlich im Bereich der Gefährdungshaftung – Betriebsgefahr – vorkommen können (z. B. in § 7 StVG). Einzubeziehen sind hier aber auch die Fälle der Billigkeitshaftung (z. B. gemäß § 829 BGB). Eine Aufteilung des Schadensersatzanspruchs nach § 116 Abs. 3 Satz 1 kommt nicht in Betracht, wenn die Sozialleistungen den Schaden voll abdecken oder diesen sogar übersteigen (etwa bei Gewährung von Hinterbliebenenrenten aus der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung). Dann gehen die Schadensersatzansprüche allein auf den Leistungsträger über.

Bei der Anspruchsverteilung werden die zivilrechtlichen Schadensersatzansprüche in dem Verhältnis aufgeteilt, in dem die Leistung des Versicherungs- oder Sozialhilfeträgers zu dem Teil des Schadens steht, der durch die Sozialleistung nicht gedeckt ist (BT-Drs. 9/1753 S. 17, 44). Dadurch soll eine leichte Handhabung in der Praxis erreicht werden (BGH, Urteil v. 21.11.2000, VI ZR 120/99). Der Anteil des Schadensersatzanspruchs, der nach dieser Aufteilung dem Prozentsatz der Schadensdeckung durch den Versicherungs- oder Sozialhilfeträger entspricht, geht auf diesen über. Dem Geschädigten verbleibt ein anteiliger Ersatzanspruch (BGH, Urteil v. 14.2.1989, VI ZR 244/88).

 

Rz. 31

Wie die Anspruchsverteilung im konkreten Falle aussieht, soll folgendes Beispiel verdeutlichen:

 

Beispiel:

Der Sozialversicherte A erleidet einen von B verursachten Unfall und wird dadurch voll erwerbsgemindert; ihn trifft ein Mitverschulden von 40 %. Bei einem Jahreseinkommen von 20.000 EUR vor dem Unfall und einer monatlichen Erwerbsminderungsrente von 750 EUR = jährlich 9.000 EUR beläuft sich der Schaden des A auf insgesamt 11.000 EUR. Er hat einen zivilrechtlichen Schadensersatzanspruch gegen B i. H. v. 60 % von 20.000 EUR = 12.000 EUR. Auf den Versicherungs- und Sozialhilfeträger würden bei unbegrenzter Haftung des B nach § 116 Abs. 1 Ansprüche in Höhe der gesamten erbrachten Leistungen, also von 9.000 EUR jährlich, übergehen, während dieser Übergang nunmehr auf 60 % dieses Betrages = 5.400 EUR beschränkt ist. Der verbleibende Anspruchsanteil i. H. v. 6.600 EUR (das sind zugleich 60 % seines tatsächlich erlittenen Schadens von 11.000 EUR) verbleibt bei A.

 

Rz. 32

Wenn der Schadensersatzanspruch zur Deckung sämtlicher entstandener Schäden nicht ausreicht, weil ein Mitverschulden oder eine mitwirkende Verantwortlichkeit des Geschädigten den Anspruch mindern und noch eine gesetzliche Haftungsbeschränkung wie etwa bei den Tatbeständen der Gefährdungshaftung besteht, wird nach § 116 Abs. 3 Satz 2 das Konkurrenzverhältnis zwischen § 116 Abs. 2 und § 116 Abs. 3 Satz 1 geregelt (BT-Drs. 9/95 S. 28). Im Grundsatz findet eine Quotenregelung der Ansprüche entsprechend § 116 Abs. 3 Satz 1 statt, deren Ausmaß jedoch durch die gesetzliche Haftungsbegrenzung weiter eingeschränkt ist (BGH, Urteil v. 21.11.2000, VI ZR 120/99; Kater, in: KassKomm. SGB X, 101. EL September 2018, § 116 Rz. 224 f.; Bieresborn, in: v. Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl. 2014, § 116 Rz. 26 m. w. N.). Dazu folgendes Beispiel:

 

Beispiel:

Bei einem Einkommensverlust = Schaden des verletzten Versicherten von 64.000 EUR jährlich und einer monatlichen Rente wegen voller Erwerbsminderung von 2.000 EUR (= jährlich 24.000 EUR) beträgt der verbleibende Restschaden 40.000 EUR. Den Versicherten trifft ein mitwirkendes Verschulden von 20 %, sodass sein zivilrechtlicher Schadensersatzanspruch gegenüber dem Geschädigten auf 80 % von 64.000 EUR = 56.000 EUR beschränkt ist. Zusätzlich setzt aber die Haftbeschränkung des § 9 HPflG den jährlichen Schadensersatzanspruch auf 36.000 EUR herab. Der Schadensersatzanspruch des Geschädigten geht i. H. v. 80 % der aufgewendeten Rentenleistung (24.000 EUR), also zu einem Betrag von 19.200 EUR, auf den Versicherungsträger über, während dem Geschädigtem noch 16.800 EUR als eigener Anspruch verbleiben.

 

Rz. 33

Begrenzt wird der Anspruchsübergang gemäß § 116 Abs. 3 Satz 3 in den Fällen, in denen Hilfebedürftigkeit nach dem SGB XII entstehen würde. Insoweit erfolgt zum Schutz des Geschädigten eine Verschiebung zulasten des Sozialleistungsträgers. Sinn und Zweck der Norm erfordern eine Auslegung über den Wortlaut hinaus. § 116 Abs. 3 Satz 3 ist deshalb nicht nur bei Hilfebedürftigkeit i. S. d. SGB XII, sondern auch auf Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II anzuwenden, soweit Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Betracht kommen (Kater, in: KassKomm. SGB X, 101. EL September 2018, § 116 Rz. 227; Bieresborn, in: v. Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl. 2014, § 116 Rz. 29).

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