Leitsatz

1. Bei der Prüfung, ob die Einkünfte und Bezüge des Kindes den Jahresgrenzbetrag überschreiten, sind die Einkünfte weder um die einbehaltene Lohn- und Kirchensteuer noch um die Beiträge zu einer privaten Zusatzkrankenversicherung oder einer Kfz-Haftpflichtversicherung zu kürzen.

2. Beiträge für eine private Rentenversicherung mindern die Einkünfte jedenfalls dann nicht, wenn sich das Kind in Ausbildung befindet und in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert ist.

 

Normenkette

§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG

 

Sachverhalt

Die Familienkasse hatte vom Bruttoarbeitslohn des Kindes lediglich die Werbungskosten und den Arbeitnehmeranteil an den Sozialversicherungsbeiträgen abgezogen und wegen Überschreitung des Grenzbetrags das Kindergeld für das volljährige Kind der der Klägerin abgelehnt.

Das FG wies die Klage, mit der Aufwendungen für eine private Zusatzkrankenversicherung, eine private Rentenversicherung, eine Kfz-Haftpflichtversicherung sowie die einbehaltene Lohn- und Kirchensteuer und Krankheitskosten (Kontaktlinsen) geltend gemacht wurden, ab (EFG 2007, 1339).

 

Entscheidung

Die Revision wurde zurückgewiesen. Auch der BFH versagte den Abzug der zusätzlich geltend gemachten Kosten. Die Berücksichtigung der Aufwendungen für Kontaktlinsen konnte offen bleiben, da der Grenzbetrag auch bei Abzug der darauf entfallenden Kosten überschritten wurde.

 

Hinweis

Für ein volljähriges Kind besteht ein Anspruch auf Kindergeld nur dann, wenn die Einkünfte und Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind, den Jahresgrenzbetrag (seit 2004: 7 680 €) nicht übersteigen. Bei dem Jahresbetrag handelt es sich um eine Freigrenze, sodass das Kindergeld (bzw. die Freibeträge für Kinder) bereits bei einem geringfügigen Überschreiten der Betragsgrenze entfällt („Fallbeilwirkung”).

Nach der verfassungskonformen Auslegung des Begriffs der Einkünfte i.S.v. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG durch das BVerfG sind die gesetzlichen Sozialversicherungsbeiträge, da sie dem Einkünfte erzielenden Kind oder den Eltern nicht zur Verfügung stehen und die Eltern daher nicht entlasten, bei der Frage, ob der Grenzbetrag überschritten ist, nicht als Einkünfte des Kindes anzusetzen (BVerfG, Beschluss vom 11.01.2005, 2 BvR 167/02, BVerfGE 112, 164).

Hiervon ausgehend hat der BFH auch Beiträge des Kindes zu einer freiwilligen gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung sowie unvermeidbare Beiträge für eine private Kranken- und Pflegeversicherung nicht in die Bemessungsgrundlage für den Jahresgrenzbetrag ­einbezogen (BFH, Urteile vom 16.11.2006, III R 74/05, BFH-PR 2007, 99, und vom 14.12.2006, III R 24/06, BFH-PR 2007, 101).

Für die im Streitfall strittigen Beiträge für eine private Zusatzkrankenversicherung hat der BFH in dem nun ergangenen Urteil die Abziehbarkeit verneint. Eine private Krankenversicherung ist nur insoweit zu berücksichtigen, als sie eine Mindestvorsorge für den Krankheitsfall ermöglicht. Ist das Kind daher in der gesetzlichen Krankenversicherung ausreichend versichert, besteht für eine private Zusatzversicherung keine Notwendigkeit mehr.

Da es sich ebenfalls um nicht unvermeidbare Aufwendungen handelt, hat der BFH auch die Abziehbarkeit der Beiträge für eine private Rentenversicherung abgelehnt. Denn -- anders als eine Krankenversicherung -- dienen Altersvorsorgeaufwendungen nicht der aktuellen Existenzsicherung des Kindes, sondern der Vorsorge für künftige Zeiten. Außerdem hat ein Kind nach dem Abschluss seiner Berufsausbildung und damit nach dem Ende seiner Berücksichtigung für das Kindergeld ausreichend Zeit, um für das Alter -- auch -- privat vorzusorgen.

Auch eine Kfz-Haftpflichtversicherung ist nicht unvermeidbar, da das Halten eines Kfz nicht zum lebensnotwendigen Bedarf gehört.

Der BFH lehnt auch den Abzug der vom Arbeitslohn des Kindes einbehaltenen Lohn- und Kirchenlohnsteuer ab. Denn Eltern, deren Kinder lohnsteuerpflichtige Einkünfte beziehen, werden gegenüber Eltern, deren Kinder steuerpflichtige Einkünfte beziehen, die nicht dem Quellenabzug unterliegen, nicht benachteiligt. Die geringfügigen Liquiditätsnachteile aus dem Lohnsteuerabzug sind im Sinn einer vertretbaren gesetzlichen Typisierung und aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung hinzunehmen. Atypische Fälle können vernachlässigt werden.

Zu beachten ist, dass der BFH ausdrücklich offen gelassen hat, ob Krankheitskosten des Kindes abzusetzen sind. Da es sich insoweit grundsätzlich um unvermeidbare Aufwendungen handelt, stellt sich auch hier die Frage der entsprechenden Einkünfteminderung. In Betracht kommen dürfte aber jedenfalls nur der die zumutbare Belas­tung (§ 33 Abs. 3 EStG) übersteigende Betrag.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 26.09.2007, III R 4/07

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