Leitsatz

Ein Arbeitnehmer kann für die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte die höheren Aufwendungen für die an einzelnen Tagen benutzten öffentlichen Verkehrsmittel auch dann in voller Höhe als Werbungskosten abziehen, wenn er für die übrigen Arbeitstage die Entfernungspauschale geltend macht.

 

Normenkette

§ 9 Abs. 2 Satz 2 EStG , § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 2 EStG

 

Sachverhalt

Der Kläger benutzte vom 5.6. bis 7.10.2001 sein eigenes Kfz für die Wege von seiner Wohnung zur 10 km entfernten Arbeitsstätte (1. Strecke). Anschließend verlegte er seine Wohnung näher an den Arbeitsplatz; die Entfernung zur Arbeitsstätte betrug nur noch 5 km (2. Strecke). Für diese Strecke benutzte er öffentliche Verkehrsmittel, für deren Benutzung er 240 DM bezahlte.

Das FA setzte für beide Strecken die Entfernungspauschale an. Im ESt-Bescheid 2001 berücksichtigte es 602 DM (1. Strecke: unstreitig) und 165 DM (2. Strecke: streitig). Der Kläger begehrte demgegenüber für die 2. Strecke den Ansatz der tatsächlichen Kosten mit den öffentlichen Verkehrsmitteln (240 DM). Das FG gab der Klage statt.

 

Entscheidung

Der BFH bestätigte die Entscheidung des FG mit den in den Praxis-Hinweisen gegebenen Gründen. Das FA sei nicht berechtigt, für die 2. Strecke die tatsächlichen Kosten für die öffentlichen Verkehrsmittel i.H.v. 240 DM außer Betracht zu lassen.

 

Hinweis

1. Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 1 EStG sind Werbungskosten auch die Aufwendungen des Arbeitnehmers für die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Zur Abgeltung dieser Aufwendungen ist nach Satz 2 Halbsatz 1 der Vorschrift für jeden Arbeitstag, an dem der Arbeitnehmer die Arbeitsstätte aufsucht, eine Entfernungspauschale für jeden vollen Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte von (im Streitjahr) 0,70 DM für die ersten zehn Killometer und 0,80 DM für jeden weiteren Kilometer (jetzt: einheitlich 0,30 Euro je Kilometer) anzusetzen, höchstens jedoch 10.000 DM (jetzt: 4.500 Euro) im Kalenderjahr.

2. Nach § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG sind durch die Entfernungspauschalen sämtliche Aufwendungen abgegolten, die durch die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte veranlasst sind. Indes können Aufwendungen für die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel angesetzt werden, soweit sie den als Entfernungspauschale abziehbaren Betrag übersteigen (§ 9 Abs. 2 Satz 2 EStG).

3. Im Streitfall hatte das FA die – unzutreffende – Auffassung vertreten, die tatsächlichen Aufwendungen für die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel könnten nur dann – anstelle der Entfernungspauschale(n) – als Werbungskosten abgezogen werden, wenn die Aufwendungen des ganzen Veranlagungszeitraums höher gewesen seien als die nach der gesetzlichen Regelung für das Kalenderjahr zu ermittelnde(n) Entfernungspauschale(n). Eine zeitanteilige Vergleichsrechnung zwischen Entfernungspauschale und tatsächlichen Kosten öffentlicher Verkehrsmittel sehe das Gesetz nicht vor.

4. Dieser Auffassung trat sowohl das FG als auch der BFH entgegen. Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 2EStG wird die einzelne Entfernungspauschale "für jeden Arbeitstag" und damit tageweise berechnet. Es handelt sich also nicht um einen Jahresbetrag. Dies ergibt sich auch daraus, dass der zu errechnende Wert im Lauf eines Veranlagungszeitraums Veränderungen (z.B. durch Umzug, Wechsel der Arbeitsstätte) unterworfen sein kann und es sich folglich auch nicht um eine einzige, sondern um mehrere Pauschalen handeln kann.

5. Fazit:§ 9 Abs. 2 Satz 2 EStG lässt den Ansatz von höheren Aufwendungen für die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel (anstelle der Entfernungspauschale) auch für einzelne Tage zu; d.h. der Steuerpflichtige, der regelmäßig mit dem Kfz zur Arbeit fährt, kann, wenn er an einzelnen Tagen öffentliche Verkehrsmittel benutzt, die höheren Aufwendungen für diese Einzelfahrten geltend machen. Diese Auslegung stimmt auch überein mit dem mit der Entfernungspauschale bezweckten Lenkungs- und Förderungszweck. Dieser besteht darin, einen Anreiz dafür zu schaffen, dass Steuerpflichtige an einzelnen Tagen, Wochen oder Monaten vom eigenen Kfz auf öffentliche Verkehrsmittel umsteigen.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 11.5.2005, VI R 40/04

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