Leitsatz

Bei der Ermittlung des Höchstbetrages der Atomanlagenrückstellung nach § 30 Abs. 2 Nr. 1 RechVersV ist die Kernenergieschäden betreffende Sach‐ und Haftpflichtversicherungssumme für die summenmäßig am höchsten versicherte Einzelanlage anzusetzen und keine Trennung nach den Sparten Schadens‐ und Haftpflichtversicherung – unter Berücksichtigung der dort jeweils am höchsten versicherten Anlage – vorzunehmen.

 

Normenkette

§ 4 Abs. 1, § 5 EStG, § 30 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 Satz 2 RechVersV, § 341h Abs. 1 und 2, § 330 Abs. 1, 3 und 4 HGB

 

Sachverhalt

Das klagende Rückversicherungsunternehmen gewährt u.a. inländischen und ausländischen Anlagen zur Erzeugung oder Spaltung von Kernbrennstoffen Versicherungsschutz (als Teil eines Pools in- und ausländischer Versicherungsgesellschaften). Bei der Höchstbetragsberechnung für die Atomanlagenrückstellung nach § 30 Abs. 2 Nr. 1 RechVersV hat sie jeweils die bezogen auf die einzelne Versicherungssparte am höchsten versicherte Anlage (bei der Sachversicherung die Werte des in dieser Sparte am höchsten versicherten Kraftwerks A und bei der Haftpflichtversicherung die Werte des in dieser Sparte am höchsten versicherten Kraftwerks B) berücksichtigt.

Das FA war demgegenüber der Auffassung, die Regelung beziehe sich auf die insgesamt summenmäßig am höchsten versicherte Anlage (hier: Kraftwerk C; einkommenserhöhende Abweichung bei der Berechnung der Rückstellung i.H.v. 36.583 EUR).

Das Klageverfahren blieb ohne Erfolg (FG Düsseldorf, Urteil vom 9.2.2015, 6 K 2167/12 K, EFG 2015, 1746, Haufe-Index 8152207).

 

Entscheidung

Der BFH wies die Revision zurück.

 

Hinweis

1. Von "Massenfallrecht" kann bei dem streitigen Problem (und den Rechtsgrundlagen) glücklicherweise und hoffentlich dauerhaft nicht die Rede sein; immerhin bestand wohl in der einschlägigen Branche grundsätzlicher Klärungsbedarf. Es geht um die Ermittlung des Höchstbetrags der Atomanlagenrückstellung (§ 330 Abs. 1, 3; § 341h Abs. 2 HGB), der nach§ 30 Abs. 2 Nr. 1 der Verordnung über die Rechnungslegung von Versicherungsunternehmen (RechVersV) als Grundsatz ordnungsmäßiger Buchführung auch für die steuerliche Gewinnermittlung maßgebend ist.

2. Nach dieser Regelung beträgt der Höchstbetrag der Atomanlagenrückstellung entweder 100 % der Sach- und Haftpflichtversicherungssumme für Kernenergieschäden, die das Versicherungsunternehmen für die von ihm summenmäßig am höchsten versicherte Anlage der in Satz 1 bezeichneten Art auf eigene Rechnung übernommen hat, oder 25 % des Gesamtbetrags der Versicherungssumme für Kernenergieschäden, die das Versicherungsunternehmen zur Versicherung solcher Anlagen auf eigene Rechnung übernommen hat (Satz 1). Nach dem dortigen Satz 2 ist der niedrigere der beiden Beträge maßgebend.

3. Der BFH urteilt nach einer am Wortlaut, der Gesetzesgeschichte, dem Telos und der Systematik orientierten Auslegung der Regelung: Bei der Ermittlung des Höchstbetrags der Rückstellung ist die die Kernenergieschäden betreffende Sach- und Haftpflichtversicherungssumme für die vom Versicherungsunternehmen summenmäßig am höchsten versicherte Einzelanlage anzusetzen und insoweit keine Trennung nach den Sparten Schadens- und Haftpflichtversicherung vorzunehmen.

Dazu wird auch darauf verwiesen, dass der Verordnungsgeber – bezogen auf das abzufangende Risiko – erkennbar von der Überlegung ausgegangen sei, dass ein Störfall regelmäßig nur in einer einzelnen Anlage vorkommen werde und deshalb (anders als bei Schwankungsrückstellungen) gerade kein Mittelwert des Schadenseintritts existiere. Entsprechend habe er als Maßstab für die Ermittlung des Höchstbetrags das auf den potenziellen Schadenseintritt in nur einer einzelnen Anlage ausgerichtete objektivierte Verhalten des konkreten Versicherers gewählt, der insoweit für jede von ihm versicherte Einzelanlage einen bestimmten Sach- und Haftpflichtversicherungsschutz übernehme und dabei für diejenige Anlage in der Summe den höchsten summenmäßigen Versicherungsschutz anbieten oder decken werde, von der das höchste Schadenspotenzial – bezogen auf Sach- und Haftpflichtschäden – ausgeht.

Sollten Versicherer in Einzelfällen Anlagen nur bezogen auf das Haftpflichtrisiko versichert haben, bestehe die Summe des Versicherungsschutzes aus dem übernommenen Haftpflichtversicherungsschutz zuzüglich des Summanden null für den Sachversicherungsschutz. Damit ist bei der Berechnung nicht das branchenbekannte Prinzip der Spartentrennung leitend (die Schadenverläufe in den einzelnen Versicherungszweigen differieren und sollen von den jeweiligen Versichertengruppen getragen werden).

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 7.9.2016 – I R 23/15

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