Leitsatz

1. Sind die Voraussetzungen der Hinzurechnungsbesteuerung gemäß § 7 Abs. 1 AStG erfüllt, kommt der in § 7 Abs. 6 AStG enthaltenen Regelung über die Hinzurechnung von Zwischeneinkünften mit Kapitalanlagecharakter keine selbständige Bedeutung mehr zu.

2. Wirtschaftlich zusammengehörende Tätigkeiten sind einheitlich unter § 8 Abs. 1 AStG zu subsumieren (funktionale Betrachtungsweise). Abweichendes gilt nur für Einzeltätigkeiten mit einem erheblichen wirtschaftlichen Eigengewicht.

3. Die Hinzurechnung von im Wirtschaftsjahr 2000 erzielten Zwischeneinkünften einer in Ungarn tätigen Zwischengesellschaft wird von der sog. Standstill-Klausel des Art. 57 Abs. 1 EG (jetzt: Art. 64 Abs. 1 AEUV) erfasst und verstößt daher nicht gegen die Kapitalverkehrsfreiheit (Fortführung des Senatsurteils vom 22.05.2019 – I R 11/19, BFHE 265, 322).

4. Die Hinzurechnung von in den Wirtschaftsjahren 2001 bis 2003 erzielten Zwischeneinkünften einer solchen Gesellschaft verstößt gegen Unionsrecht (Fortführung des Senatsurteils vom 22.05.2019 – I R 11/19, BFHE 265, 322).

 

Normenkette

§ 7 Abs. 1 und 6, § 8 Abs. 1 AStG, Art. 56 Abs. 1, Art. 57 Abs. 1 EG, Art. 63 Abs. 1, Art. 64 Abs. 1 AEUV, Art. 23 Abs. 1 Buchst. a, Buchst. c DBA-Ungarn 1977

 

Sachverhalt

Die Klägerinnen sind GmbHs, die in den Streitjahren 2001 bis 2004 an der Holding-Kft, einer ungarischen Kapitalgesellschaft, zu 0,0037 % (Klägerin zu 1.) bzw. zu 99,9963 % (Klägerin zu 2.) beteiligt waren. Die Holding-Kft nahm ihre Tätigkeit 1996 auf. Im Streitzeitraum ermittelte sie ihre Einkünfte zunächst aufgrund eines kalendergleichen Wirtschaftsjahres (bis 31.12.2000), eines Rumpfwirtschaftsjahres (1.1.2001 bis 30.9.2001) und sodann aufgrund eines vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahres jeweils zum 30. September. Das Wirtschaftsjahr der inländischen Beteiligten erstreckte sich ebenfalls vom 1. Oktober bis zum 30. September.

Die Holding-Kft hielt Ende 2004 Beteiligungen an 13 in Ungarn operativ tätigen Fachmärkten, die jeweils in der Rechtsform einer Kft organisiert waren. Verbunden mit dem Halten der Beteiligungen war auch die Erbringung von zentralen Dienstleistungen gegenüber den ungarischen Tochtergesellschaften, die u.a. in Hilfeleistungen bei der Eröffnung und Expansion des ungarischen Unternehmens, Einkaufs- und Vertriebsberatung, Buchhaltung und Marketing bestanden.

In den Jahren 2000 bis 2003 erwirtschaftete die Holding-Kft den überwiegenden Teil ihrer Einkünfte im Zusammenhang mit der Vergabe von zahlreichen Darlehen an die Tochtergesellschaften. Die Darlehen wurden im Wesentlichen aus Eigenkapital sowie aus bei der Klägerin zu 2. aufgenommenen Krediten (re-)finanziert. Der allgemeine Körperschaftsteuersatz in Ungarn betrug bis 31.12.2003 18 % und ab 1.1.2004 16 %. Ungarn ist mit Wirkung zum 1.5.2004 der Europäischen Union (EU) beigetreten.

Das FA ging davon aus, dass die Holding-Kft mit der Erbringung von Dienstleistungen an die ungarischen Tochtergesellschaften eine aktive Tätigkeit i.S.d. § 8 Abs. 1 Nr. 5 AStG entfaltet habe. Dagegen sei die Darlehensvergabe an die ungarischen Tochtergesellschaften unter § 8 Abs. 1 Nr. 7 AStG zu subsumieren. Die dabei erwirtschafteten sogenannten passiven Einkünfte unterlägen der Hinzurechnungsbesteuerung. In den betreffenden Feststellungsjahren seien von den passiven Finanzerträgen jedoch geschätzte Anteile von 10.000 EUR (2001), 20.000 EUR (2002), 30.000 EUR (2003) und 40.000 EUR (2004) auszunehmen, da diese in funktionalem Zusammenhang mit der aktiven Tätigkeit stünden.

Das FA stellte jeweils mit Bescheiden vom 13.1.2010 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 18 AStG dieser Auffassung entsprechende Hinzurechnungsbeträge für die Wirtschaftsjahre 2000 bis 2003/Feststellungsjahre 2001 bis 2004 fest, die es den beiden Klägerinnen im Verhältnis ihrer Beteiligungsquoten zurechnete.

Einspruch und Klage gegen die Feststellungsbescheide blieben erfolglos (FG München, Urteil vom 27.4.2015, 7 K 2819/12, Haufe-Index 8021399, EFG 2015, 1344).

 

Entscheidung

Die Revision der Klägerinnen war überwiegend erfolgreich. Der BFH hob die Bescheide für die Feststellungsjahre 2002 bis 2004 ersatzlos auf. Hinsichtlich des Feststellungsjahrs 2001 wies er die Revision zurück. Was zu dieser differenzierten Entscheidung führte, kann den Praxis-Hinweisen entnommen werden.

 

Hinweis

1. Mit der Besprechungsentscheidung hat der BFH nicht nur weitere unionsrechtliche Fragen zur Hinzurechnungsbesteuerung im Drittstaatenfall geklärt, sondern auch das nationale Recht zur Hinzurechnungsbesteuerung fortentwickelt. Dabei hat er in einem Einzelpunkt Rechtansichten der Finanzverwaltung im Außensteuererlass im Wesentlichen bestätigt.

2. Zentral für das Verständnis der unionsrechtlichen Ausführungen des BFH war die Tatsache, dass Ungarn der EU zum 1.5.2004 beigetreten ist. Die den angefochtenen Bescheiden zugrunde liegenden Zwischeneinkünfte einer ungarischen Kapitalgesellschaft wurden sämtlich vor dem EU-Beitritt erzielt. Der BFH hat da...

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