Entscheidungsstichwort (Thema)

Rückstellungen wegen unberechtigter Honorarforderungen

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Um eine Rückstellungen im Hinblick auf ungewisse öffentlich-rechtliche Verpflichtungen zu bilden, müssen diese Verpflichtungen durch eine Verfügung der zuständigen Behörde, die ein bestimmtes Handeln vorsieht oder unmittelbar durch das Gesetz selbst, wenn dies in sachlicher Hinsicht ein inhaltlich genau bestimmtes Handeln vorschreibt, hinreichend konkretisiert sein.

2. Der Rückforderungsanspruch der kassenärztlichen Vereinigung gegen den angeschlossenen Arzt ist als öffentlich-rechtliche Forderung anzusehen, sodass für eine Rückstellungsbildung die besonderen Konkretisierungsanforderungen vorliegen müssen.

3. Ein noch nicht rechtskräftiges erstinstanzliches Urteil, das einen Rückforderungsanspruch wegen unberechtigter Gebührenforderungen gewährt, berechtigt in vergleichbaren Fällen noch nicht zur Rückstellungsbildung wegen möglicher Rückforderungen der kassenärztlichen Vereinigung.

 

Normenkette

EStG § 5 Abs. 1; HGB § 249 Abs. 1 S. 1; SGB V § 82 Abs. 2

 

Streitjahr(e)

1996

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 19.10.2005; Aktenzeichen XI R 64/04)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Zulässigkeit einer vom Kläger gebildeten Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten.

Der Kläger ist Facharzt für Labormedizin. In der Bilanz zum 31.12.1996 bildete er eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten in Höhe von ...,-- DM. Auf Befragen des Finanzamtes verwies er auf ein Urteil des Sozialgerichts (SG) Mainz vom 08.10.1997 (S 1 Ka 160/97). Da der dort geschilderte Sachverhalt seiner beruflichen, insbesondere aber der räumlichen Situation seiner Praxis vergleichbar sei, müsse er damit rechnen, dass die Kassenärztliche Vereinigung (KVH) auch ihn entsprechend diesem Urteil in Anspruch nehmen werde.

Dem Urteil des SG Mainz lag folgender Sachverhalt zugrunde: Eine Vertragsärztin in Rheinland-Pfalz war als Laborärztin zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen und hatte im Obergeschoss ihre Praxisräume. Im Erdgeschoss desselben Gebäudekomplexes befand sich auch das Labor einer ärztlichen Laborgemeinschaft, der mehr als 20 % der im Bezirk der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) niedergelassenen Vertragsärzte angeschlossen waren. Die Ärztin beriet die Laborgemeinschaft fachlich. Zwischen der Vertragsärztin und der KÄV bestand Streit über die Erstattung von Versandkosten für Laborproben gemäß Nr. 7103 Bewertungsmaßstab Ärzte (BMÄ) bzw. Ersatzkassen-Gebührenordnung (E-GO). Die KÄV setzte mit mehreren Bescheiden von den Honorarforderungen der Ärztin für verschiedene Quartale im Wege der sachlich-rechnerischen Richtigstellung jeweils die Versandkostenpauschale nach Nr. 7103 BMÄ - seinerzeit 5,-- DM je überwiesenem Behandlungsfall - in einem Gesamtumfang von ca.…DM ab. Dies geschah in den Fällen, in denen Mitglieder der Laborgemeinschaft im Wege der Überweisung Untersuchungsmaterial an die Ärztin zur speziellen fachärztlichen Laboratoriumsuntersuchung (Leistungen nach Kapital O III des einheitlichen Bewertungsmaßstabs für vertragsärztliche Leistungen - EBM-Ä-) übermittelt hatten. Die KÄV vertrat die Ansicht, der Versand an die Ärztin stehe den nicht erstattungsfähigen Transporten innerhalb der Laborgemeinschaft gleich, da regelmäßig auch Laborproben an das im selben Anwesen gelegene Gemeinschaftslabor gelangten. Für Proben, die für das Labor der Ärztin bestimmt gewesen seien, sei nämlich der schon von der Laborgemeinschaft beauftragte Kurierdienst oder Taxiunternehmer, d.h. das jeweilige Transportmittel der Gemeinschaft, mitgenutzt worden; die Auslieferung von Proben an das Labor der Ärztin sei als bloße hausinterne Weiterleitung nicht vergütungsfähig. Widerspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das SG vertrat die Ansicht, dass nur dann eine Versandkostenpauschale nach der Präambel zu den Nummern 7103 f. BMÄ/E-GO als abrechenbar angesetzt werden könne, wenn ein Nichtmitglied der Laborgemeinschaft die Ärztin mit der Durchführung überweisungsfähiger Leistungen beauftragt habe. Da sich beide Labore im selben Gebäude befänden, werde bei Übermittlung von Untersuchungsmaterial von einem Mitglied der Laborgemeinschaft stets auch das Transportmittel der Laborgemeinschaft benutzt, gleich, ob der Ärztin allein Material zugesandt werde oder zugleich ihrem Labor und dem Gemeinschaftslabor. Es sei lebensfremd, insoweit zwei rechtliche und tatsächliche getrennte Transporte anzunehmen.

Unter Berufung auf dieses Urteil ist der Kläger der Auffassung, dass die Voraussetzungen für eine Rückstellungsbildung gegeben seien. Auch er sei Facharzt für Labormedizin. Er betreibe seine Praxis in X.

Im gleichen Gebäude befinde sich auch das Labor einer ärztlichen Laborgemeinschaft, der mehrere im Bezirk der KVH niedergelassene Vertragsärzte angeschlossen seien. Auch er habe die Laborgemeinschaft fachlich beraten und entsprechende Versandkosten abgerechnet. Die räumliche Nähe von Gemeinschaftslabor und Facharztlabor sei kein Zufall, sondern liege...

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