vorläufig nicht rechtskräftig

Revision zugelassen durch das FG

Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH [I R 52/15)]

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Öffentliche Zustellung an einer Aktiengesellschaft ohne Vorstand und Aufsichtsrat.. Verzinsung einer Bareinlage für eine Aktiengesellschaft bei Hin- und Herzahlen des Grundkapitals

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Bei einer führungslosen Aktiengesellschaft ohne Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder ist jegliche Bekanntgabe und damit auch eine öffentliche Zustellung unwirksam.
  2. Die Ablaufhemmung des § 171 Abs. 11 S. 2 AO gilt auch für juristische Personen, die mangels (Passiv-) Vertreter vollständig handlungsunfähig sind.
  3. Gelten die Einlagen für das Grundkapital einer Aktiengesellschaft wegen des sog. Hin- und Herzahlens als nicht erbracht, sind die ausstehenden Einlagen nach § 63 Abs. 2 S. 1 AktG vom Eintritt der Fälligkeit an mit 5% jährlich zu verzinsen und die zu aktivierenden Zinsforderungen gewinnerhöhend zu berücksichtigen.
 

Normenkette

AktG § 63; KStG § 8 Abs. 3 S. 2; AO § 171 Abs. 11; VwZG § 10 Abs. 1

 

Streitjahr(e)

2002, 2003, 2004, 2005, 2006

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 23.08.2017; Aktenzeichen I R 52/15)

BFH (Urteil vom 23.08.2017; Aktenzeichen I R 52/15)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob auf Grund des sog. Hin- und Herzahlens des Grundkapitals der Klägerin das Einkommen der Jahre 2000 bis 2007 (Streitjahre) um entgangene Zinsen zu erhöhen ist und ob der Beklagte die entsprechend geänderten Bescheide auch in verfahrensrechtlicher Hinsicht zu Recht erlassen hat.

Die Kläger sind Aktiengesellschaften, welche von ihrer Alleinaktionärin, der A AG, im August 2000 als so genannte Vorratsgesellschaften gegründet wurden. Die Gründung der Kläger erfolgte zu dem Zweck, die Anteile an den Klägern später an Dritte zu veräußern. Vor der Veräußerung war keine Aufnahme eines unternehmerischen Geschäftsbetriebs beabsichtigt. Die Satzungen der Kläger wurden am 22.08.2000 notariell beurkundet. Die A AG übernahm sämtliche Aktien der Kläger. In den Gründungsurkunden heißt es, dass „der eingezahlte Betrag” 50.000 Euro betrage. In den Gründungsurkunden waren für jede Klägerin drei Aufsichtsratsmitglieder bestellt worden. Im Einzelnen wird zum Inhalt der Gründungsurkunden und der Satzung vom 22.08.2000 auf die Akten (jeweils im Sonderband „Verträge”) verwiesen. Die Kläger wurden am 03.09.2000 im Handelsregister eingetragen.

Der Aufsichtsrat jeder Klägerin bestellte jeweils am 22.08.2000 Frau B, die heute auf Grund einer Heirat C heißt, zum jeweils einzigen Vorstandsmitglied der Kläger. Die Bestellungsbeschlüsse enthielten keine Bestimmung zur Amtsdauer von Frau B. Im Einzelnen wird zum Inhalt der Bestellungsbeschlüsse und der daraus hervorgehenden Aufsichtsratsmitglieder auf die Akten (Bl. 318 ff. FG-Akte) verwiesen. Das satzungsmäßige Grundkapital der Kläger betrug jeweils 50.000 EUR. Für jede Klägerin waren 50.000 Euro bereits am 21.08.2000 auf bei der D-Bank für die Kläger geführten Girokonten überwiesen worden. Die D-Bank bestätigte der A AG für Zwecke der Vorlage beim Handelsregister die Überweisungen an die Kläger und den jeweils mit „Kapitaleinlage” angegebenen Verwendungszweck (vgl. Bl. 11 des Sonderbands „Verträge” betreffend die Kläger zu Ziffer 1 sowie Bl. 27 des Sonderbands „Ermittlung Zustellung”). Am 04.09.2011 überwiesen die Kläger die einbezahlten 50.000 Euro jeweils vollständig an die E Vermögensverwaltungs GmbH (E GmbH). Alleingesellschafter der E. GmbH war ebenfalls die A AG. Bereits mit Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 04.08.2000 (Eintragung im Handelsregister am 14.09.2000) war der Gesellschaftsvertrag der E. GmbH dahin geändert worden, dass die Firma der E. GmbH nunmehr F GmbH lautete und der eingetragene Gegenstand des Unternehmens „die zentrale Verwaltung von Vermögen von Vorratsgesellschaften der A AG” war (siehe der von den Klägern vorgelegte Handelsregisterauszug = Bl. 235 f. FG-Akte). Über die Zahlungen der Kläger an die E. GmbH bestand indes weder ein schriftlicher Darlehens- oder Cash-Pool-Vertrag noch wurde eine Besicherung der Beträge vereinbart. Die daran beteiligten Personen waren aber darin einig, dass die E. GmbH bei einer Veräußerung der Kläger das Grundkapital an die jeweilige Klägerin zurückzuzahlen hatte.

Mit einem an die A AG gerichteten Schreiben vom 12.11.2002 (Bl. 158 der Gerichtsakte - FG-Akte) erklärte Frau B (heute Frau C) hinsichtlich sämtlicher Kläger: „hiermit lege ich mein Amt als Vorstand der vorbezeichneten Gesellschaften mit sofortiger Wirkung nieder. Da die Gesellschaften keinen Aufsichtsrat mehr haben, gebe ich die Erklärung Ihnen gegenüber in Ihrer Eigenschaft als Aktionär ab”.

Am 14.08.2008 rief der Beklagte die Handelsregistereintragungen der Klägerin zu Ziffer 7 ab. Zu diesem Zeitpunkt war keine Geschäftsanschrift der Kläger im Handelsregister eingetragen. Zu den übrigen Einzelheiten der damaligen Handelsregistereintragung der Klägerin zu Ziffer 7. wird auf den elektronischen Handelsregisterauszug auf Bl. 1 d...

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