Revision zugelassen durch das FG

Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH [V R 2/20)]

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Insolvenz-oder Masseverbindlichkeit bei Zahlungseingängen auf dem Konto des Insolvenzschuldners nach Insolvenzeröffnung

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Bei der Beurteilung, ob § 55 Abs. 4 InsO, der die nach § 55 Abs. 1 und 2 InsO bestehenden Tatbestände zur Begründung von Masseverbindlichkeiten erweitert, zur Anwendung kommt, sind die für den vorläufigen Insolvenzverwalter bestehenden rechtlichen Befugnisse zu berücksichtigen, wobei auf die Entgeltsvereinnahmung, nicht aber auf die Leistungserbringung abzustellen ist.
  2. Erfolgt der Forderungseinzug im Rahmen der für den vorläufigen Insolvenzverwalter bestehenden rechtlichen Befugnisse, führt dies dazu, dass umsatzsteuerrechtliche Verbindlichkeiten aus dem Steuerschuldverhältnis die mit dem Forderungseinzug im Zusammenhang stehen zur Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 4 InsO werden.
  3. Überweist ein Kunde infolge der durch den Insolvenzschuldner erteilten Rechnung auf dessen Bankkonto erfolgt kein Forderungseinzug durch den Insolvenzverwalter auf ein Treuhandkonto.
 

Normenkette

InsO § 55 Abs. 4

 

Streitjahr(e)

2016

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 28.05.2020; Aktenzeichen V R 2/20)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob es sich bei den durch Zahlungseingänge auf dem Konto eines Insolvenzschuldners entstandenen Umsatzsteuerverbindlichkeiten um Insolvenz- oder um Masseverbindlichkeiten handelt.

Nachdem am 01.02.2016 beantragt worden war, das Insolvenzverfahren über das Vermögen von Y zu eröffnen, wurde zunächst Herr Rechtsanwalt Z mit Beschluss vom 08.06.2016 zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt. In diesem Beschluss wurde u.a. auch angeordnet, dass Verfügungen des Insolvenzschuldners nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind. Außerdem wurde dieser ermächtigt, Forderungen auf ein Treuhandkonto einzuziehen. Gemäß § 22 Abs. 2 der Insolvenzordnung (InsO) sollte der Kläger das Unternehmen, das der Insolvenzschuldner betreibt, bis zu Entscheidung über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit dem Insolvenzschuldner fortführen, soweit nicht das Insolvenzgericht einer Stilllegung zustimmt, um eine erhebliche Verminderung des Vermögens zu vermeiden.

Herr Z zeigte dem Insolvenzgericht gegenüber eine Interessenkollision an, worauf dieses mit Beschluss vom 15.06.2016 den Kläger zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellte und dabei auf die Anordnungen im Beschluss vom 08.06.2016 Bezug nahm.

Der Insolvenzschuldner Y war u.a. für die A GmbH tätig. Er verfügte über ein Girokonto bei der Postbank. Auf diesem Konto wurde am 22.06.2016 eine Überweisung in Höhe von 446,25 € und wurden am 28.06.2016 Überweisungen in Höhe von 357,00 €, 4.373,25 € sowie 238,00 € gutgeschrieben. Auftraggeber der Überweisungen war jeweils die A GmbH.

Den Beschluss über die Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung übermittelte der Kläger der Postbank am 28.06.2016 um 8.53 Uhr.

Vom 30.06.2016 datiert das vom Kläger erstellte Insolvenzgutachten. Eine erste Besprechung mit dem Schuldner habe danach erst am 22.06.2016 stattfinden können, da dieser der deutschen Sprache kaum mächtig sei und einen Verwandten als Hilfe habe beiziehen wollen. Weitere Besprechungen hätten am 26. und 29.06.2016 stattgefunden. Dazwischen habe der Insolvenzschuldner telefonisch bzw. auf sonstige Art und Weise Kontakt gehalten. U.a. habe er zwischen dem 26. und 29.06.2019 telefonisch mitgeteilt, dass auf dem Postbankkonto eine Zahlung seines Auftraggebers A GmbH von 3.000,00 € eingehen werde.

Am 01.07.2016 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt.

Mit Bescheid vom 18.04.2017 setzte der Beklagte (das Finanzamt, FA) die Umsatzsteuer-Vorauszahlung für den Voranmeldungszeitraum Juni 2016 gegenüber dem Kläger auf 1.627,85 € fest und legte hierbei steuerpflichtige Umsätze in Höhe von 8.570,00 € zu Grunde. Darin waren die Überweisungen der A GmbH vom 28.06.2016 in Höhe von 357,00 € und 4.373,25 € enthalten. Dagegen legte der Kläger Einspruch ein und begehrte die Herabsetzung der Steuer auf 892,05 €, da lediglich die tatsächlich auf dem Treuhandkonto vereinnahmten Forderungen Masseverbindlichkeiten auslösen könnten und damit der Festsetzung der Umsatzteuer zu Grunde zu legen seien. Die vom Insolvenzschuldner auf dessen Konto vereinnahmten Beträge seien hingegen erst nach Insolvenzeröffnung und nicht in voller Höhe auf dem Treuhandkonto eingegangen.

Durch Vorlage der angeforderten Kontoauszüge des Insolvenzschuldners wurden dem FA weitere Zahlungseingänge bekannt. Diese wurden der Besteuerung zu Grunde gelegt, als das FA abweichend von der am 22.08.2018 eingereichten Umsatzsteueranmeldung des Klägers für 2016 die Umsatzsteuer mit Bescheid vom 05.10.2018 festsetzte. In der Bemessungsgrundlage von 10.527,03 € waren die bereits genannten streitgegenständlichen Überweisungen der A GmbH vom 22. und 28.06.2016 berücksichtigt.

Mit Entscheidung vom 23.10.2018 wies das FA de...

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