Leitsatz

Das Bundesministerium der Finanzen wird aufgefordert, dem Verfahren beizutreten, um zu der Frage Stellung zu nehmen, ob das "Legen von Wasserleitungen (Liefererleitungen) einschließlich der Hauswasseranschlüsse" durch einen Zweckverband zur Trinkwasserversorgung als (steuerbare) selbstständige umsatzsteuerpflichtige Hauptleistung "Verschaffung der Möglichkeit zum Anschluss an das Versorgungsnetz" oder als unselbstständige Nebenleistung zur Lieferung des Wassers anzusehen ist.

 

Normenkette

§ 2 Abs.?3 Satz 1 UStG 1999 , § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG 1999 i.V.m. Nr. 34 der Anlage zum UstG , Art. 4 Abs. 5 6. EG-RL , Art. 12 Abs. 3 Buchst. a Unterabs. 3 6. EG-RL i.V.m. Kat. 2 des Anhangs H der 6. EG-RL , BMF-Schreiben vom 4.7.2000 (BStBl I 2000, 1185)

 

Sachverhalt

Ein Zweckverband zur Trinkwasserversorgung beliefert Kunden mit Wasser. Ferner legt er – gegen Kostenerstattung – Wasserleitungen (sog. Liefererleitungen) einschließlich der Hauswasseranschlüsse, d.h. er verbindet sein Verteilernetz mit der jeweiligen Kundenanlage. Auf welcher Rechtsgrundlage der Kläger Wasser liefert und die Wasserleitungen legt, ergab sich aus den Feststellungen des FG nicht. Der Zweckverband möchte auf diese Umsätze den für die Lieferung von Wasser geltenden Steuersatz von 7 % anwenden.

Das FG gab ihm Recht (EFG 2004, 689: Nebenleistung zur Hauptleistung "Lieferung von Wasser").

 

Entscheidung

Bis zum Erlass des BMF-Schreibens vom 4.7.2000 hat auch die Finanzverwaltung das Legen der Hausleitungen als Nebenleistung zur Lieferung von Wasser gesehen. Durch die Aufforderung zum Beitritt erhält der BMF Gelegenheit, sich hierzu zu äußern.

 

Hinweis

Zweifelhaft ist die Auffassung des BMF im Schreiben vom 4.7.2000 (BStBl I 2000, 1185), ob das Legen von Hausanschlussleitungen ("Legen von Wasserleitungen (Liefererleitungen) einschließlich der Hauswasseranschlüsse") entsprechend der dort vertretenen Auffassung als selbstständige umsatzsteuerpflichtige Hauptleistung "Verschaffung ?er Möglichkeit zum Anschluss an das Versorgungsnetz" anzusehen ist.

1. Nach Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 3 der 6. EG-RL sind Staaten, Länder, Gemeinden und sonstige Einrichtungen des öffentlichen Rechts in jedem Fall Steuerpflichtige (Unternehmer) in Bezug auf die in Anhang D aufgeführten Einrichtungen, sofern der Umfang dieser Tätigkeiten nicht unbedeutend ist. In Anhang D Nr. 2 sind u.a. "Lieferungen von Wasser" genannt. Mit dem "Betrieb zur Versorgung der Bevölkerung mit Wasser" i.S.d. § 4 Abs. 3 KStG ist ein Zweckverband zwar nachhaltig i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG tätig.

Zweifelhaft ist, ob das Legen der Hausanschlussleitungen in den Rahmen dieses Betriebs zur Versorgung der Bevölkerung mit Wasser (§ 4 Abs. 3 KStG) bzw. unter den Begriff "Lieferungen von Wasser" i.S.d. Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 3 der 6. EG-RL i.V.m. Anhang D Nr. 2 fällt.

Wäre dies nicht der Fall, käme es darauf an, ob die Einrichtung des öffentlichen Rechts beim Legen der Wasserleitungen gem. Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 1 und 2 der 6. EG-RL als Unternehmer (Steuerpflichtiger) gehandelt hat – d.h. auf privatrechtlicher Grundlage und nicht aufgrund spezifischer öffentlich-rechtlicher Sonderregelungen tätig geworden ist (vgl. z.B. BFH, Urteil vom 27.2.2003, V R 78/01, BFH-PR 2003, 350).

2. Geht man von der Unternehmereigenschaft beim Legen der Hausanschlussleitungen aus, ist zweifelhaft, ob der ermäßigte Steuersatz anzuwenden ist (§ 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i.V.m. Nr. 34 der Anlage zum UStG bzw. Art. 12 Abs. 3 Buchst. a Unterabs. 3 der 6. EG-RL i.V.m. Kat. 2 des Anhangs H der 6. EG-RL). Denn Zweifel bestehen,

  • ob die – ohne Begründung geänderte – Auffassung des BMF der Rechtsprechung des EuGH und des BFH zur Annahme eine Nebenleistung übereinstimmt. Danach ist eine Leistung als Nebenleistung zu einer Hauptleistung anzusehen – und teilt umsatzsteuerrechtlich deren Schicksal –, wenn sie für den Leistungsempfänger keinen eigenen Zweck hat, sondern das Mittel darstellt, um die Hauptleistung des Leistenden unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen; entscheidend ist die Sicht des Durchschnittsverbrauchers,
  • ob ein unterschiedlicher Steuersatz für Hausanschluss an das Wasserleitungsnetz und laufende Wasserlieferungen nicht dem Grundsatz der der Neutralität der Mehrwertsteuer (vgl. EuGH, Urteil vom 8.5.2003, Rs. C-384/01, Kommission/Frankreich, Slg. 2003, I-4395, Rdnrn. 21 ff.) widerspricht.

3. Der BFH hält es für wünschenswert, dass das BMF dem vorliegenden Revisionsverfahren gem. § 122 Abs. 2 Satz 1 FGO beitritt und zu den aufgeworfenen Fragen Stellung nimmt.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Beschluss vom 18.1.2005, V R 61/03

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