Leitsatz

1. Einkünfte i.S.v. § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, die nach Erreichen der Altersgrenze aufgrund einer früheren Tätigkeit gezahlt werden, sind in die Gesamtbetrachtung zur Beurteilung des Mittelpunktes der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung im Hinblick auf den Abzug der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer nicht mit einzubeziehen. Vielmehr sind nur solche Einkünfte zu berücksichtigen, die grundsätzlich ein Tätigwerden des Steuerpflichtigen im jeweiligen Veranlagungszeitraum erfordern.

2. Entspricht ein im Keller belegenes häusliches Arbeitszimmer nach seiner Funktion, baulichen Beschaffenheit, Lage und Ausstattung dem Standard eines Wohnraumes, gehört es zu den Haupträumen der Wohnung, sodass der Anteil der auf dieses ­Arbeitszimmer entfallenden Gebäudekosten nach dem Verhältnis der Fläche des Arbeitszimmers zur Fläche der reinen Wohnfläche zuzüglich des Arbeitszimmers zu ermitteln ist. Die Fläche der übrigen im Keller belegenen (Neben-)Räume bleibt bei der Kostenaufteilung unberücksichtigt.

 

Normenkette

§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b, § 9 Abs. 5 EStG

 

Sachverhalt

Der Kläger war bis zu seiner Pensionierung als Ingenieur auf verschiedenen Baustellen tätig. Ein Arbeitszimmer benötigte er dafür nicht. Nach der Pensionierung nahm er eine selbstständige Gutachtertätigkeit auf, die u.a. die Auswertung von Akten erforderte. Dafür nutzte er ein Arbeitszimmer. Dieses befand sich in einem Kellerraum im privat genutzten Einfamilienhaus der Kläger und hatte eine Größe von 26,90 m².

Neben den Honoraren aus den Gutachten bezog der Kläger geringfügige (negative) Einkünfte aus VuV sowie Einnahmen aus Kapitalvermögen, die nach Abzug des Werbungskosten-Pauschbetrags und des Sparer-Freibetrags nicht zu steuerpflichtigen Einkünften führten.

Das FA erkannte Aufwendungen für das Arbeitszimmer i.H.v. 1.250 EUR an. Das FG (Niedersächsisches FG, Urteil vom 8.11.2011, 12 K 264/09, Haufe-Index 2890442, EFG 2012, 593) gab der Klage teilweise statt und erkannte Aufwendungen für das Arbeitszimmer i.H.v. 2.242,89 EUR als Betriebsausgaben an. Es ging davon aus, dass das Arbeitszimmer zwar den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit des Klägers darstelle, die Aufwendungen jedoch nur in Höhe von 10,98 % abzugsfähig seien, da neben der Wohnfläche des Erdgeschosses die gesamte Kellerfläche bei der Ermittlung des Anteils des Arbeitszimmers zu berücksichtigen sei. Dagegen haben beide Beteiligte Revision eingelegt.

 

Entscheidung

Der BFH wies die Revision des FA als unbegründet zurück. Das FG habe das Arbeitszimmer zu Recht als Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit des Klägers angesehen, weil die Versorgungsbezüge aus der früheren aktiven Tätigkeit für die Zeit nach der Pensionierung nicht in die Betrachtung einzubeziehen seien.

Der Revision der Kläger gab der BFH hingegen statt. Das Arbeitszimmer des Klägers stelle trotz seiner Lage im Keller keinen Nebenraum dar. Es gehöre vielmehr zur Wohnfläche der Wohnung. Der Raum sei zur Erledigung von Büro- und Schreibarbeiten als häusliches Büro und damit zu Wohnzwecken genutzt worden. Das Arbeitszimmer des Klägers sei sowohl seiner baulichen Beschaffenheit nach (zwei mit entsprechenden Lichtschächten versehene Fenster und Anschluss an das Heizungssystem des Hauses) als auch seiner Ausstattung und Einrichtung nach wie ein Wohnraum gestaltet. Es befinde sich im Keller des privaten Einfamilienhauses und sei damit auch unmittelbar mit den übrigen Wohnräumen im Erdgeschoss verbunden.

Daher seien die auf das Arbeitszimmer entfallenden abziehbaren Kosten anhand des Verhältnisses der Fläche des Arbeitszimmers zur Gesamtwohnfläche bestehend aus der Wohnfläche des Erdgeschosses und des Arbeitszimmers zu ermitteln.

 

Hinweis

Ein Steuerpflichtiger bezieht nach seiner Pensionierung eine Pension, nimmt sodann aber eine Tätigkeit auf, für die er ein häusliches Arbeitszimmer benötigt. Wer meint, dass dieser ganz einfache Lebenssachverhalt zu keinen steuerrechtlichen Problemen führt, wird durch unser Steuerrecht eines Besseren belehrt. Im Einzelnen:

1. Die erste Frage ist, ob, da kein anderer Arbeitsplatz vorhanden ist, die Arbeitszimmerkosten in Höhe von 1.250 EUR abziehbar sind, oder ob die Kosten unbegrenzt abgezogen werden dürfen, weil das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 EStG).

Wie prüft man den "Mittelpunkt" – für alle Berufsgruppen gleichermaßen – nach dem inhaltlichen (qualitativen) Schwerpunkt der betrieblichen und beruflichen Betätigung, wenn der Steuerpflichtige ein Ruheständler ist?

Bislang war bereits entschieden, dass auf die gesamte der Erzielung von Einkünften dienende Tätigkeit des Steuerpflichtigen abzustellen ist. Noch nicht entschieden war hingegen, inwieweit Pensionsbezüge aus der früheren aktiven Tätigkeit bei der Bestimmung des Tätigkeitsmittelpunkts eines Pensionärs heranzuziehen sind. Nunmehr ist geklärt: Einkünfte aus früheren Dienstleistungen i.S...

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