A. Grundaussagen

 

Rz. 1

[Autor/Stand] Die gleichmäßige Festsetzung und Erhebung der Erbschaft-/Schenkungsteuer (§ 85 Satz 1 AO) ist nur möglich, wenn die zuständigen Finanzämter (§ 35 ErbStG) über alle steuerbaren Erwerbsvorgänge umfassend informiert werden. Zu diesem Zweck trifft die potenziellen Steuerschuldner[2] – den Erwerber, bei Schenkungen auch den Schenker und bei Zweckzuwendungen den Beschwerten – sowie ggf. deren Erben[3] eine Anzeigepflicht (§ 30 Abs. 1, 2 ErbStG). Ergänzend bestehen weitere Informationspflichten insbesondere für Banken und Kreditinstitute, Versicherungen, Aktiengesellschaften und Wertpapieremittenten (§ 33 ErbStG)[4] sowie in den in § 34 ErbStG genannten, praktisch wichtigsten Fällen für die Standesämter, (Nachlass-)Gerichte und Notare.[5] Außerdem verpflichten z.T. sehr detaillierte Verwaltungsanweisungen die übrigen Dienststellen der Finanzverwaltung zu Kontrollmitteilungen und zur Zusammenarbeit.[6]

 

Rz. 2

[Autor/Stand] Die Erbschaft- und Schenkungsteuerstellen haben die eingehenden Informationen auf ihre steuerliche Relevanz hin zu prüfen und grundsätzlich in allen nicht eindeutig steuerfrei bleibenden Fällen sodann – i.d.R. durch Aufforderung zur Abgabe einer Erbschaft-/Schenkungsteuererklärung – ein Besteuerungsverfahren einzuleiten[8] und/oder, soweit sie hierbei auch schon über Vermögen informiert werden, das seit 1.1.2007 der sog. Bedarfswertfeststellung unterliegt, die Aufnahme entsprechender Feststellungsverfahren zu veranlassen (§ 151 Abs. 1 BewG).[9]

 

Rz. 3

[Autor/Stand] Mit dem ErbStRG vom 24.12.2008 wurde § 30 Abs. 3 Satz 1 ErbStG ergänzt.[11] War ein Erwerber, dessen erbschaftsteuerbarer Erwerb auf einer amtlich eröffneten letztwilligen Verfügung des Erblassers beruhte, bislang nicht anzeigepflichtig, gilt dies – mit Wirkung für Steuerentstehungszeitpunkte nach dem 31.12.2008 (§ 37 Abs. 1 ErbStG) – nur noch, wenn er weder Grundbesitz, noch Betriebsvermögen, nicht nach § 33 ErbStG anzeigepflichtige Anteile an Kapitalgesellschaften oder Auslandsvermögen erworben hat.[12]

 

Rz. 4

[Autor/Stand] Für sog. Familienstiftungen und Familienvereine, deren Vermögen der Ersatzerbschaftsteuer nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG unterliegt, besteht seit dem 29.12.2020 eine spezielle Anzeigepflicht nach Abs. 5 (s. Rz. 30 ff.).[14]

[Autor/Stand] Autor: Hartmann, Stand: 01.09.2021
[2] Das sind diejenigen Personen, die den jeweils steuerbaren Tatbestand verwirklicht haben; vgl. BFH v. 25.11.1992 – II R 77/90, BStBl. II 1993, 238.
[3] Ausf. Halaczinsky, DStR 2006, 828; s. auch mit Blick auf steuerstrafrechtliche Zusammenhänge Schwedhelm, FR 2007, 937; Stahl/Durst, ZEV 2008, 467; Halaczinsky/Füllsack, BB 2011, 2839; Einemann, ZEV 2017, 316; Klarner, ZEV 2019, 13.
[5] LfSt Bayern v. 18.12.2014 – S 3844.1.1 – 5/3 St 34, ZEV 2015, 128; Klöckner, ZEV 2011, 299.
[6] Allgemeine Verwaltungsanweisung für die Erbschaftsteuer – ErbStVA, Tz. 1.3, Gemeinsame Ländererlasse v. 7.12.2017, BStBl. I 2018, 53. Ergänzend existieren in den Bundesländern mehr oder weniger übereinstimmende Weisungen: z.B. OFD Ffm v. 30.4.2015 – S 2900 A - 56 - St 51; OFD Nds. v. 22.11.2016 – S 1513 - 13 - St 114.
[Autor/Stand] Autor: Hartmann, Stand: 01.09.2021
[9] Vgl. Leitfaden für Feststellungen (Leit-Fest) nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bis 4 BewG sowie nach § 13a Abs. 1a und § 13b Abs. 2a ErbStG (gültig für Feststellungszeitpunkte bis 30.6.2016) bzw. nach § 13a Abs. 4 und § 13b Abs. 10 ErbStG (gültig für Feststellungszeitpunkte ab 1.7.2016), Tz. 1.2.1.
[Autor/Stand] Autor: Hartmann, Stand: 01.09.2021
[11] BGBl. I 2008, 3018.
[12] Vgl. R E 30 Abs. 1 Satz 3 ErbStR 2019.
[Autor/Stand] Autor: Hartmann, Stand: 01.09.2021
[14] S. Art. 34 Nr. 9 i.V.m. Art. 50 Abs. 1 JStG 2020 v. 21.12.2020, BGBl. I 2020, 3096. Das Gesetz wurde am 28.12.2020 verkündet.

B. Anzeigepflicht (Abs. 1 und 2)

 

Rz. 5

[Autor/Stand] Allein das zuständige Erbschaft- und Schenkungsteuerfinanzamt besitzt die Prüfungs- und Entscheidungskompetenz über die Steuerpflicht eines Erwerbsvorgangs.[2] Deshalb besteht – außerhalb des Anwendungsbereichs des § 30 Abs. 3 ErbStG und, blendet man Abs. 5 aus (s. Rz. 30 ff.), selbstverständlich nicht vor dem Steuerentstehungszeitpunkt[3] – die Anzeigepflicht der Beteiligten in allen steuerbaren Fällen ohne Rücksicht auf eine mögliche Steuerbefreiung nach §§ 13, 18 ErbStG und – wegen § 14 ErbStG – auch bei Erwerben unterhalb der persönlichen Freibeträge (§§ 16, 17 ErbStG)[4] und erst recht bei verdeckten Schenkungen[5]; anzeigepflichtig sind auch Zuwendungen der öffentlichen Hand (§ 7 ErbStG Rz. 438 ff.; § 13 ErbStG Rz. 138 ff.; § 34 ErbStG Rz. 21–24, 27).[6] Dass bei eindeutig nicht steuerpflichtigem Erwerb die Anforderung einer Steuererklärung ermessensfehlerhaft sein mag[7], steht auf einem anderen Blatt. Die Verletzung der Anzeigepflicht kann jedoch bei Steuerverkürzung die Festsetzungsfrist verlängern (§ 169...

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