A. Regelungsgehalt

 

Rz. 1

[Autor/Stand] § 22 ErbStG sieht aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung[2] vor, dass von der Festsetzung der Steuer abzusehen ist, wenn diese für den einzelnen Steuerfall den Betrag von 50 EUR nicht übersteigt. Der Vereinfachungseffekt ist überschaubar[3], weil der steuerpflichtige Erwerb und die sich daraus ergebende Steuer zunächst ermittelt werden muss, um feststellen zu können, ob die Festsetzung zu unterbleiben hat.[4]

[Autor/Stand] Autor: Kirschstein, Stand: 01.06.2023
[2] BT-Drucks. VI/3418, 73; Meincke/Hannes/Holtz18, § 22 ErbStG Rz. 1.
[3] Weinmann in Moench/Weinmann, § 22 ErbStG Rz. 1; H.-U. Viskorf in Viskorf/Schuck/Wälzholz6, § 22 ErbStG Rz. 1.
[4] Zur Kritik an der Vorschrift insgesamt Konrad in Fischer/Pahlke/Wachter7, § 22 ErbStG Rz. 4a.

B. Absehen von der Steuerfestsetzung

 

Rz. 2

[Autor/Stand]"Steuerfall" ist der einzelne steuerpflichtige Erwerb, sodass die Kleinbetragsgrenze pro Erwerber ausgenutzt werden kann.[2] Die Norm ist sowohl bei Erwerben von Todes wegen als auch bei Schenkungen unter Lebenden anwendbar, vgl. § 1 Abs. 2 ErbStG. Außerdem gilt die Vorschrift sowohl bei unbeschränkter als auch beschränkter Steuerpflicht.[3]

Übersteigt die festzusetzende Steuer nicht den Betrag von 50 EUR, besteht ein Rechtsanspruch darauf, dass die Steuer nicht festgesetzt wird. Die Vorschrift begründet kein Ermessen und ist auch keine Billigkeitsmaßnahme.[4]

 

Rz. 3

[Autor/Stand] Bei der Kleinbetragsgrenze handelt es sich um eine Freigrenze und nicht um einen Freibetrag. Bei einem Überschreiten der Grenze ist die Steuer deshalb in voller Höhe festzusetzen.[6] Das gilt auch bei einem nur geringfügigen Überschreiten der Grenze.[7] Unter Berücksichtigung der Kleinbetragsgrenze und der Abrundungsvorschrift des § 10 Abs. 1 Satz 6 ErbStG lässt sich je nach Steuerklasse ein Betrag von bis zu 799,99 EUR über die persönlichen Freibeträge hinaus verschenken.[8]

 

Rz. 4

[Autor/Stand] § 22 wirkt sich nicht nur auf die eigentliche Steuerfestsetzung aus, sondern erstreckt sich darüber hinaus auf sonstige Steuerberechnungen. So gilt die Kleinbetragsgrenze auch im Rahmen der Zusammenrechnung mehrerer Erwerbe nach § 14 ErbStG,[10] der Aufteilung des persönlichen Freibetrags nach § 16 Abs. 2 bei beschränkter Steuerpflicht,[11] der Anrechnung ausländischer Steuer nach § 21 ErbStG[12] und im Rahmen der Besteuerung nach dem Jahreswert nach § 23 Abs. 1 Satz 1 ErbStG.[13]

 

Rz. 5

[Autor/Stand] Neben § 22 ErbStG ist bei Änderungen und Berichtigungen von Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuerbescheiden die Kleinbetragsverordnung zu beachten.[15] Nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 KBV unterbleibt die Korrektur, wenn die Abweichung zugunsten des Steuerpflichtigen weniger als 10 EUR bzw. zu seinen Lasten weniger als 25 EUR beträgt.[16]

[Autor/Stand] Autor: Kirschstein, Stand: 01.06.2023
[2] H E 22 "Anwendung der Kleinbetragsgrenze nach § 22 ErbStG in Erbfällen" ErbStR 2019.
[3] Eisele in Kapp/Ebeling, § 22 ErbStG Rz. 1 m.w.N.
[4] Eisele in Kapp/Ebeling, § 22 ErbStG Rz. 2; Meincke/Hannes/Holtz18, § 22 ErbStG Rz. 1.
[Autor/Stand] Autor: Kirschstein, Stand: 01.06.2023
[6] Eisele in Kapp/Ebeling, § 22 ErbStG Rz. 3.
[7] Meincke/Hannes/Holtz18, § 22 ErbStG Rz. 1.
[8] Vogt, DStR 2001, 1148 (1149); Weinmann in Moench/Weinmann, § 22 ErbStG Rz. 3 mit Beispiel, der zu Recht von einer "Spielerei" spricht, die nur bei Geldschenkungen Sinn macht.
[Autor/Stand] Autor: Kirschstein, Stand: 01.06.2023
[10] Eisele in Kapp/Ebeling, § 22 ErbStG Rz 3; Reich in von Oertzen/Loose2, § 22 ErbStG Rz. 8.
[11] Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, § 22 ErbStG Rz. 6.
[12] H.-U. Viskorf in Viskorf/Schuck/Wälzholz6, § 22 ErbStG Rz. 4; Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, § 22 ErbStG Rz 4; Reich in v. Oertzen/Loose2, § 22 ErbStG Rz. 4.
[13] Weinmann in Moench/Weinmann, § 22 ErbStG Rz. 2; Eisele in Kapp/Ebeling, § 22 ErbStG Rz. 3.
[Autor/Stand] Autor: Kirschstein, Stand: 01.06.2023
[15] Kleinbetragsverordnung (KBV) v. 19.12.2000, BStBl. I 2001, 3 (18) zuletzt geändert m.W.v. 1.1.2017.
[16] Ausführlich zur Kleinbetragsregelung sowohl im Festsetzungs- als auch im Erhebungsverfahren Eisele in Kapp/Ebeling, § 22 ErbStG Rz. 4 f., Konrad in Fischer/Pahlke/Wachter7, § 22 ErbStG Rz. 6 ff.

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