A. Steuertarif (Abs. 1)

I. Abstufung nach Erwerb und Verwandtschaftsgrad

 

Rz. 1

[Autor/Stand] Der Steuersatz beträgt je nach Steuerklasse und Wert des steuerpflichtigen Erwerbs zwischen 7 % bis 50 %. Die Tarife richten sich zum einen nach der Steuerklasse, zum anderen nach der Höhe des Erwerbs, (der nach dem Schema von R E 10 ErbStR 2019 ermittelt wurde). Entscheidend ist die Höhe des Gesamterwerbs (sog. Vollmengenstaffeltarif) nach Abzug von sachlichen und persönlichen Steuerbefreiungen (s. § 10 Abs. 1 ErbStG ). Die Art des Erwerbs ist grundsätzlich unerheblich.

 

Rz. 2

[Autor/Stand] Ob der Erwerb von Todes wegen oder lebzeitig erfolgt, ist grundsätzlich unerheblich. Lediglich bei Erwerben der leiblichen Eltern und Voreltern von Todes wegen kommt es wegen der günstigeren Steuerklasse I (§ 15 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG) aufgrund des höheren Freibetrags nach § 16 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG (s. § 15 ErbStG Rz. 39 ff.) i.H.v. 100.000 EUR zu einer Besserstellung als bei einem Erwerb zu Lebzeiten. Dieser fällt nämlich in die Steuerklasse II gemäß § 15 Abs. 1 Stkl. II Nr. 1 ErbStG und führt nur zu einem Freibetrag nach § 16 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG i.H.v. 20.000 EUR (s. § 15 ErbStG Rz. 47).

Die Stiefeltern (§ 15 Abs. 1 StKl. II Nr. 4) und die Schwiegereltern (§ 15 Abs. 1 Stkl. II Nr. 6 ErbStG gehören hingegen nur zur Stkl. II. Anders als bei Kindern und Stiefkindern erfolgt hier keine Gleichbehandlung.[3]

Eine weitere Besonderheit ergibt sich aus dem Umstand, dass gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG bei einem Erwerb durch einen Vertrag zugunsten Dritter auf den Todesfall (z.B. Lebensversicherung s. § 3 ErbStG Rz. 220 ff.) dieser als Erwerb von Todes wegen gilt und wegen der Stkl. I niedriger besteuert wird als wenn zu Lebzeiten die leiblichen Eltern vom verstorbenen Kind eine Abfindung in gleicher Höhe für einen Erbverzicht (§ 7 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG) erhalten hätten.[4]

Der gesamte steuerpflichtige Erwerb wird in vollem Umfang mit dem seiner Wertstufe als Obergrenze entsprechendem Steuersatz erfasst. Für eine Steuerberechnung nach dem additiven Teilmengentarif wie z.B. im Einkommensteuerrecht zur Ermittlung der zumutbaren Belastung nach § 33 Abs. 3 EStG[5] gibt es im ErbStG keine gesetzliche Grundlage[6].

Lediglich für den Erwerb von Betriebsvermögen sieht § 19a ErbStG gesonderte Tarife in den Steuerklasse II und III vor.

Für die Ersatzerbschaftsteuer gibt es die Sonderregelung des § 15 Abs. 2 Satz 3 ErbStG (s. § 15 ErbStG Rz. 85 ff).

 

Rz. 3

[Autor/Stand] Ob der Erwerb unbeschränkt oder beschränkt steuerpflichtig ist, ist unerheblich.

Um abrupte Sprünge bei der Steuerbelastung abzumildern, gibt es in § 19 Abs. 3 ErbStG den sog. Härteausgleich (s. Rz. 18 ff.).

[Autor/Stand] Autor: Högl, Stand: 01.05.2022
[Autor/Stand] Autor: Högl, Stand: 01.05.2022
[3] Kritisch zu den damaligen Motiven des Gesetzgebers Meincke/Hannes/Holtz18, § 19 ErbStG Rz. 4 und § 15 ErbStG Rz. 12.
[4] Siehe Meincke/Hannes/Holtz18, § 19 ErbStG Rz. 4 sowie Curdt in Kapp/Ebeling, § 19 ErbStG Rz. 2.
[6] FG BW v. 18.7.2018 – 7 K 1351/18 –ErbStB 2018, 357 (Halaczinsky). Die dagegen erhobene Nichtzulassungsbeschwerde wurde vom BFH mit Beschluss v. 20.2.2019 – II B 83/18, BFH/NV 2019, 564 als unbegründet zurückgewiesen; s.a. Stein in von Oertzen/Loose2, § 19 ErbStG Rz. 17.; Curdt in Kapp/Ebeling, § 19 ErbStG Rz. 3.
[Autor/Stand] Autor: Högl, Stand: 01.05.2022

II. Verfassungsmäßigkeit und Entstehungsgeschichte

 

Rz. 4

[Autor/Stand] Das BVerfG hatte mit Beschluss vom 7.11.2006[2] entschieden, dass das damals geltende ErbStG gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstieß, weil einheitliche Steuersätze auf in gleichheitswidriger Weise ausgeprägt unterschiedlich bewertete Vermögensgegenstände angewandt wurden. Für die Neuregelung hatte es dem Gesetzgeber eine Frist bis zum 31.12.2008 gesetzt.

 

Rz. 5

[Autor/Stand] Mit Wirkung zum 1.1.2009 galt das Erbschaftsteuergesetz i.d.F. der Bekanntmachung vom 27.2.1997[4], geändert durch das Gesetz zur Reform des Erbschaftsteuer- und Bewertungsrechts vom 24.12.2008.[5] Bei Erwerben nach dem 31.12.2008 blieben bei Personen der Steuerklasse I die Steuersätze grundsätzlich unverändert; es kam lediglich zu einer Anhebung und Aufrundung der jeweiligen Tarifstufen.

 

Rz. 6

[Autor/Stand] Partner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft nach § 5 LPartG fallen nach dem Jahressteuergesetz 2010 (Art. 14) in die Steuerklasse I. Damit hat der Gesetzgeber sie Ehepartnern völlig gleichgestellt (s. § 15 ErbStG Rz. 16). Eingetragene Lebenspartner unterlagen bisher den hohen Tarifen der Steuerklasse III trotz ihrer Gleichstellung bei den Freibeträgen mit Ehegatten. Diese Ungleichbehandlung verstieß nach dem Beschluss des BVerfG vom 21.7.2010[7] gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Es betraf alle eingetragenen Lebenspartnerschaften seit dem Inkrafttreten des LPartG[8] am 1.8.2001.

 

Rz. 7

[Autor/Stand] Bei Personen der Steuerklasse II oder der Steuerklasse III ergaben sich fast durchweg Verschlechterungen. Der Eingangssteuersatz betrug nunmehr in beiden Steuerklassen bereits 30 % bis zu einem steuerpflichtigen Erwerb von 6 Millionen Euro. Darüber betrug der Steuersatz jeweils 50 %. Besonders...

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