Leitsatz

1. Bestellen zwei Grundstückseigentümer an ihren Grundstücken ein Gesamterbbaurecht, liegen zwei Erwerbsvorgänge i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 2 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG vor.

2. "Bestimmter Sachverhalt" i.S.d. § 174 Abs. 4 AO ist der einzelne Lebensvorgang, an den das Gesetz steuerliche Folgen knüpft. Es muss sich um ein und denselben Lebensvorgang handeln, an den das Gesetz steuerliche Folgen knüpft.

3. Grunderwerbsteuerrechtlich ist Gegenstand des Erwerbsvorgangs ein Erbbaurecht mit noch künftig zu errichtendem Gebäude, soweit eine entsprechende Herstellungsverpflichtung der Veräußererseite (Erbbaurechtsgeber und ggf. mit ihm verbundener Dritter) besteht.

 

Normenkette

§ 174 Abs. 4 AO, § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 2 Abs. 2 Nr. 1, § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG

 

Sachverhalt

A und V bestellten am 23.2.1994 an ihren beiden je in ihrem Alleineigentum stehenden Grundstücken zugunsten der Klägerin ein Gesamterbbaurecht. Die Klägerin war zur Errichtung eines Bauwerks auf dem Erbbaugrundstück entsprechend dem Entwurf eines Architekten verpflichtet. Mit einem am 20.10./7.11.1994 geschlossenen Generalübernehmervertrag beauftragte die Klägerin die A als Generalübernehmerin mit der Errichtung des schlüsselfertigen Gebäudes entsprechend dem Entwurf des Architekten N. Das FA setzte gegen die Klägerin zunächst mit zwei Bescheiden Grunderwerbsteuer fest, wobei als Bemessungsgrundlage jeweils der kapitalisierte Erbbauzins für das am Grundstück der A bzw. des V bestellte Erbbaurecht angesetzt wurde. Nachdem das FA von dem zwischen der Klägerin und A geschlossenen Generalübernehmervertrag Kenntnis erlangt hatte, setzte es gegen die Klägerin durch gem. § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO geänderten Bescheid Grunderwerbsteuer hinsichtlich des von der A zugunsten der Klägerin bestellten Erbbaurechts unter Einbeziehung der gesamten Bauerrichtungskosten aus dem Generalübernehmervertrag fest. Die von der Klägerin dagegen erhobene Klage hatte teilweise Erfolg. Das FG bejahte zwar für den Erwerbsvorgang zwischen der Klägerin und A das Vorliegen eines grunderwerbsteuerrechtlich einheitlichen Erwerbsgegenstands. In die Bemessungsgrundlage der gegen die Klägerin festzusetzenden Grunderwerbsteuer dürfe jedoch nur der auf die Bebauung des Grundstücks der A entfallende Aufwand einbezogen werden.

Daraufhin setzte das FA gegen die Klägerin durch gem. § 174 Abs. 4 AO geänderten Bescheid die Grunderwerbsteuer für den Erwerb des Erbbaurechts von V fest, wobei es die auf das Erbbaugrundstück des V entfallenden anteiligen Bauerrichtungskosten in die Bemessungsgrundlage einbezog. Die dagegen erhobene Klage hatte keinen Erfolg (FG Berlin-Brandenburg vom 20.5.2009, 11 K 1422/05 B, Haufe-Index 2220036, EFG 2009, 1706).

 

Entscheidung

Die Revision der Klägerin hatte keinen Erfolg. Der BFH bejahte die Anwendungsvoraussetzungen des § 174 Abs. 4 AO und sah die Voraussetzungen eines grunderwerbsteuerrechtlich einheitlichen Erwerbsgegenstands für den zwischen der Klägerin und V geschlossenen Teil des Erbbaurechtsvertrags als gegeben an.

 

Hinweis

Der grunderwerbsteuerrechtlich einheitliche Leistungsgegenstand hat die unliebsame Folge, dass auch die Aufwendungen für die Herstellung eines künftigen Grundstückszustands anfallenden Kosten (z.B. für die Bauerrichtung oder Sanierung) zur Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer gehören. Diese Folgen können auch im Zusammenhang mit einem Erbbaurechtsvorgang eintreten.

1. Eine Besonderheit des Streitfalls bestand darin, dass zugunsten der Klägerin ein Gesamterbbaurecht an zwei im Eigentum verschiedener Grundstückseigentümer stehender Grundstücke bestellt worden war. Zivilrechtlich ist ein solches Gesamterbbaurecht ein einziges, einheitliches Erbbaurecht mit einheitlichem Rechtsinhalt. Als solches kann das Gesamterbbaurecht auch nur ein einziges Grundstück i.S.d. § 2 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG sein.

Für die Bestellung des Erbbaurechts durch zwei Grundstückseigentümer hat der BFH nun angenommen, es lägen bei der Bestellung des Gesamterbbaurechts auch zwei Erwerbsvorgänge vor. Zwingend erscheint diese Beurteilung allerdings nicht, weil die schuldrechtliche Verpflichtung zur Bestellung des Gesamterbbaurechts allein durch einen Grundstückseigentümer nicht das Gesamterbbaurecht zur Entstehung bringen kann. Ohnehin kann nur ein Erwerbsvorgang jedenfalls dann vorliegen, wenn das bereits entstandene Gesamterbbaurecht als solches z.B. übertragen wird oder kraft Gesetzes auf einen anderen Rechtsträger übergeht.

2. Für jeden der beiden Erwerbsvorgänge ist gesondert zu prüfen, ob die Voraussetzungen eines grunderwerbsteuerrechtlich einheitlichen Erwerbsgegenstands vorliegen. Dabei ist für die Anwendung des § 174 Abs. 4 AO entscheidend, ob es sich bei der Bebauung des jeweiligen Teils des Gesamterbbaurechts um "einen" bestimmten (d.h. ein und denselben) Sachverhalt handelt. Ein solcher bestimmter Sachverhalt ist die Bebauung eines Teils des Gesamterbbaurechts und die sich daraus ergebende Erhöhung der Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer. Aus diesem ...

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