Leitsatz

Ist bei einer Grundstücksschenkung unter Auflage (hier Verpflichtung zur Einräumung eines Wohnrechts am Grundstück) die Auflage bei der Schenkungsteuer dem Grunde nach bereicherungsmindernd abziehbar, unterliegt sie mit ihrem nach den für die Grunderwerbsteuer geltenden Vorschriften zu ermittelnden Wert der Grunderwerbsteuer. § 3 Nr. 2 GrEStG gebietet es nicht, die Auflage bei der Schenkungsteuer und bei der Grunderwerbsteuer nach übereinstimmenden Maßstäben zu bewerten.

 

Normenkette

§ 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG, § 16, § 17 Abs. 3 Satz 2 BewG

 

Sachverhalt

Die 1944 geborene Klägerin übertrug mit notariellem Vertrag vom 11.1.2011 ein in ihrem Alleineigentum stehendes Wohngrundstück auf B. B räumte der Klägerin auf deren Lebenszeit ein unentgeltliches Wohnungs- und Mitbenutzungsrecht ein, dessen Jahreswert mit 9.000 EUR beziffert war; im ­Übrigen sollte die Übertragung des Grundstücks unentgeltlich erfolgen. Die Klägerin verpflichtete sich zur Übernahme der mit der Grundstücksübertragung verbundenen Verkehrsteuern. Bei der Bemessung der für den Grundstückserwerb festgesetzten Schenkungsteuer wurde das Wohnungsrecht mit einem Wert von 98.110 EUR erwerbsmindernd berücksichtigt.

Das FA setzte gegen die Klägerin Grunderwerbsteuer fest, wobei es als Bemessungsgrundlage einen nach den allgemeinen Vorschriften BewG ermittelten Wert des unentgeltlichen Wohnungsrechts i.H.v. 109.170 EUR (Jahreswert 9.000 EUR × Vervielfältiger von 12,130) zugrunde legte. Die für Zwecke der Schenkungsteuer geltende Begrenzung des Jahreswerts der Nutzungen (§ 16 BewG) blieb unberücksichtigt.

Das FG gab der Klage mit der Begründung statt, bei der Bemessung der Grunderwerbsteuer sei der Kapitalwert des Wohnungsrechts nur in der Höhe zu berücksichtigen, in der er tatsächlich bei der Schenkungsteuer abgezogen werden könne (Niedersächsisches FG, Urteil vom 7.3.2012, 7 K 105/11, Haufe-Index 3552413).

 

Entscheidung

Das sah der BFH nicht so. Er hat aus den erläuterten Gründen das FG-Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen.

 

Hinweis

Grundstücksschenkungen unter Lebenden sind grundsätzlich sowohl nach dem ErbStG als auch nach dem GrEStG steuerbar. Im Verhältnis beider Steuerarten besteht jedoch gesetzessystematisch ein Vorrang des ErbStG. Denn nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG sind Grundstücksschenkungen unter Lebenden von der Grunderwerbsteuer freigestellt.

1. Für Grundstücksschenkungen unter Auflage (z.B. unter Nießbrauch- oder Wohnrechtsvorbehalt) enthält § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG jedoch eine besondere Regelung. Der Wert derartiger Auflagen, die bei der Schenkungsteuer abziehbar sind, ist nicht von der Grunderwerbsteuer befreit.

Bedeutung hatte diese Regelung vor allem im Hinblick auf den durch das ErbStRG aufgehobenen § 25 ErbStG a.F., der bei der Schenkungsteuer einen Abzug des Werts von Nutzungs- und Duldungsauflagen ausschloss. Nach der Aufhebung dieser Regelung sind nunmehr Nutzungs- und Duldungsauflagen bei der Schenkungsteuer abziehbar.

Diese Abzugsmöglichkeit bei der Schenkungsteuer führt bei der Anwendung des § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG zu der Frage, mit welchem Wert eine solche Auflage bei Grunderwerbsteuer anzusetzen ist. Hier kann sich bei der Schenkungsteuer einerseits bzw. der Grunderwerbsteuer andererseits eine Wertdiskrepanz ergeben: Während der Wert einer Auflage bei der Schenkungsteuer nach den allgemeinen Vorschriften des BewG zu ermitteln ist und der Jahreswert von Nutzungen nach § 16 BewG auf den 18,6-fachen Jahreswert begrenzt ist, gilt für die Grunderwerbsteuer aufgrund der ausdrücklichen Anordnung in § 17 Abs. 3 Satz 2 BewG keine entsprechende Begrenzung des Jahreswerts. Im Ergebnis kann es – wie im Streitfall – dazu kommen, dass der bei der Schenkungsteuer anzusetzende Abzugsbetrag für den Wert der Auflage niedriger ist als der Betrag, der bei der Grunderwerbsteuer als Wert der Auflage als Bemessungsgrundlage anzusetzen ist. In Höhe des Differenzbetrags kann es damit zu einer Doppelbelastung mit Schenkung- und Grunderwerbsteuer kommen.

2.Diese aus dem Wortlaut des § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG und den Regelungen des BewG zu ziehenden Konsequenzen hat der BFH gebilligt. Ein "Gleichklang" des anzusetzenden Werts der Auflage bei der Schenkung- und Grunderwerbsteuer besteht nicht. Die Festsetzung von Schenkungsteuer einerseits und Grunderwerbsteuer andererseits ist verfahrensrechtlich und materiell-rechtlich voneinander unabhängig. Nach dem Wortlaut des § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG kommt es für die Grunderwerbsteuer nur darauf an, dass die Auflage bei der Schenkungsteuer dem Grunde nach abziehbar ist. Die sich daraus ergebende höhere Grunderwerbsteuer ist verfassungsrechtlich zumutbar.

3. Für die Praxis hat die vorstehende Problematik nur Bedeutung, soweit eine Grundstücksschenkung ausschließlich nach § 3 Nr. 2 GrEStG steuerbefreit ist. Soweit andere Befreiungsregelungen (z.B. bei Grundstücksschenkungen zwischen Ehegatten oder Verwandten in gerader Linie, § 3 Nr. 4 oder Nr. 6 GrEStG) eingreifen, stellt sich die Frage nach dem Wert der Auflage nicht.

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