Leitsatz

Auch wenn ein Steuerpflichtiger in eigener Person kein einziges Objekt veräußert, kann er allein durch die Zurechnung der Grundstücksverkäufe von Personengesellschaften oder Gemeinschaften einen gewerblichen Grundstückshandel betreiben.

 

Normenkette

§ 15 Abs. 2 EStG

 

Sachverhalt

Die Klägerin und X waren zu je 50 % Gesellschafter einer OHG, die einen gewerblichen Grundstückshandel betrieb. Ferner war die Klägerin mit X zu je 50 % an mindestens sechs weiteren Objekten beteiligt. Das Objekte P wurde Ende 1990 erworben. Durch anschließende Neu- und Umbaumaßnahmen entstand ein Gewerbeobjekt mit Arztpraxen, Büroräumen und Ladenlokalen, das 1992 fertiggestellt und im April 1995 veräußert wurde. Die übrigen Objekte der Grundstücksgemeinschaft wurden demgegenüber langfristig gehalten.

Das FA vertrat zunächst die Auffassung, die Grundstücksgemeinschaft als solche habe hinsichtlich des Objekts P einen gewerblichen Grundstückshandel betrieben. Dem widersprach der BFH, weil bei der Beurteilung der Tätigkeit der Grundstücksgemeinschaft die auf dem Grundstücksmarkt entfalteten Aktivitäten der personenidentischen OHG nicht einzubeziehen seien (Urteil vom 17.12.2008, IV R 72/07, BFH/NV 2009, 1011, BFHE 224, 96). Daraufhin setzte das FA bei der Klägerin statt des bisherigen Gewinnanteils aus der Grundstücksgemeinschaft nunmehr Einkünfte in gleicher Höhe aus einem in eigener Person unterhaltenen gewerblichen Grundstückshandel an. Zwar sei die Grundstücksgemeinschaft lediglich vermögensverwaltend tätig geworden. Auf der Ebene der Beteiligten, die über die OHG und die Grundstücksgemeinschaft eine Vielzahl von Objekten innerhalb von fünf Jahren veräußert hätten, seien die Einkünfte jedoch umzuqualifizieren.

Das FG wies die Klage ab (FG Köln, Urteil vom 18.5.2010, 1 K 3094/09, Haufe-Index 2423627, EFG 2010, 1995).

 

Entscheidung

Der BFH hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen. Das FG habe zu Recht erkannt, dass die anteilige Grundstücksveräußerung durch die Grundstücksgemeinschaft in einen von der Klägerin unterhaltenen gewerblichen Grundstückshandel einzubeziehen war.

 

Hinweis

1. Seit dem Beschluss des Großen Senats des BFH vom 3.7.1995 – GrS 1/93 (Haufe-Index 65389, BFHE 178, 86) erfasst die höchstrichterliche Rechtsprechung im Interesse einer sachlich zutreffenden Besteuerung des Gesellschafters in einer Gesamtwürdigung nach Maßgabe des jeweils einschlägigen Steuertatbestands (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 EStG, § 2 Abs. 1 GewStG)alle Tätigkeiten auf dem Gebiet des Grundstückshandels, die dem Gesellschafter zuzurechnen sind.

2. Wie weit diese Zurechnung gehen kann, zeigt der Streitfall: Obwohl die Klägerin selbst kein Objekt veräußert hat, ist sie – steuerlich gesehen – gewerbliche Grundstückshändlerin. Dieses im ersten Moment doch etwas erstaunliche Ergebnis ist die konsequente Umsetzung der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung.

3. Danach können Grundstücksgeschäfte vermögensverwaltender Personengesellschaften bei der Besteuerung des Gesellschafters auch in solchen Fällen als zu einem gewerblichen Grundstückshandel gehörig umqualifiziert werden, in denen der Gesellschafter selbst keine Objekte veräußert hat. Außerdem ist im Rahmen der vorzunehmenden ­Gesamtwürdigung weder zwischen vermögensverwaltenden und gewerblich tätigen Personengesellschaften noch zwischen Gesamthands-Personengesellschaften und Bruchteilsgemeinschaften zu differenzieren (Beschluss des Großen Senats, a.a.O.).

4. Diese Rechtsprechung führt zu dem Ergebnis, dass alle Grundstücksveräußerungen durch Gesellschaften und Gemeinschaften, an denen ein Gesellschafter/Gemeinschafter beteiligt ist – unabhängig davon, ob es sich um vermögensverwaltende oder mitunternehmerische Gesellschaften handelt – auf seiner Ebene zu berücksichtigen sind. Damit werden Grundstücksaktivitäten der Gesellschaften/Gemeinschaften den eigenen Tätigkeiten des Steuerpflichtigen gleichgestellt, auf die im Rahmen der Beurteilung des Steuertatbestands des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG abzustellen ist.

5. Diese Grundsätze gelten nicht, wenn eine zu einem anderen Zweck gegründete und diesen Zweck verfolgende Personengesellschaft im Rahmen ihres gewöhnlichen Geschäftsbetriebs aus spezifisch betriebsbezogenen Gründen Grundstücke veräußert; in diesem Fall sind deren Grundstücksgeschäfte in die beim Gesellschafter vorzunehmende zusammenfassende Beurteilung nicht einzubeziehen (Beschluss des Großen Senats, a. a. O.).

6. Diese Grundsätze gelten ebenfalls nicht im Hinblick auf die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft; deren Aktivitäten können nur in Fällen des Gestaltungsmissbrauchs zugerechnet werden. Die Zwischenschaltung einer GmbH ist grundsätzlich nicht missbräuchlich, wenn die GmbH nicht funktionslos ist (vgl. BFH, Urteil vom 17.3.2010, IV R 25/08, BFH/NV 2010, 1335, BFHE 228, 509).

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 22.8.2012 – X R 24/11

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