Leitsatz

1. Die entgeltliche Garantiezusage des Kfz-Händlers ist keine unselbständige Nebenleistung zur Fahrzeuglieferung, sondern eine eigenständige Leistung.

2. Mit einer Garantiezusage, durch die der Kfz-Verkäufer als Garantiegeber im Garantiefall eine Geldleistung verspricht, liegt eine Leistung aufgrund ­eines Versicherungsverhältnisses im Sinne des VersStG vor, die nach § 4 Nr. 10 Buchst. a UStG steuerfrei ist.

 

Normenkette

§ 4 Nr. 10 Buchst. a UStG, Art. 135 Abs. 1 Buchst. a EGRL 112/2006 (= MwStSystRL), § 118 Abs. 2 FGO

 

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GbR, betreibt ein Autohaus. Beim Verkauf von Kfz bot sie den Käufern an, eine erweiterte Gebrauchtwagengarantie gegen gesondert berechnetes Entgelt abzuschließen. Diese Garantiezusage war rückversichert über die X S.A., die unter der Marke X Warranty agierte.

Sowohl das Garantiezertifikat als auch die Garantievereinbarung weisen die Klägerin als Garantiegeberin und den Käufer des Kfz als Garantienehmer aus.

In den Garantiebedingungen der Garantie "..." ist u.a. geregelt:

Art. 7 Abwicklung im Garantiefall

1. Melden Sie bitte einen Schadenfall unverzüglich [...], jedenfalls aber vor Beginn der Reparaturarbeiten bei Ihrem Händler oder bei X [...] und folgen Sie deren Weisungen. [...] Verletzen Sie diese Obliegenheit grob fahrlässig, ist der Garantiegeber berechtigt, seine Leistung [...] zu kürzen [...].

2. Die Reparatur wird durch den Garantiegeber oder einen anderen Kfz-Meisterbetrieb durchgeführt, vorrangig durch einen geeigneten Reparaturbetrieb aus X Service Netzwerk.

Art. 9 Reparaturumfang

1. Im Garantiefall wird Ersatz für die erforderlichen Kosten einer Reparatur geleistet. Die garantiebedingten Materialkosten werden im Höchstfall [...] wie folgt bezahlt (Selbstbehalt): [...]

4. Der Höchstbetrag der garantiepflichtigen Entschädigung ist pro Garantiefall auf den Zeitwert (Händler-Einkaufswert) des beschädigten Fahrzeugs zur Zeit des Eintritts des Garantiefalles begrenzt.”

Die Klägerin stellte gegenüber ihren Käufern als Garantienehmern über die Zusatzgarantie eine Rechnung ohne Ausweis von Umsatzsteuer, aber mit 19 % Versicherungsteuer aus.

In ihren Umsatzsteuererklärungen behandelte die Klägerin die Entgelte für Garantiezusagen als umsatzsteuerfrei.

Nach einer Betriebsprüfung vertrat das FA die Ansicht, die Garantiezusage sei eine unselbstständige Nebenleistung zum Gebrauchtwagenkauf. Die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung lägen nicht vor. Der Einspruch blieb erfolglos.

Das FG (Niedersächsisches FG, Urteil vom 23.2.2017, 11 K 134/16, Haufe-Index 10851732, EFG 2017, 875) wies die Klage ab. Das FG stufte die von der Klägerin gewährten Garantien als unselbstständige ­Nebenleistungen zum Gebrauchtwagenkauf ein. Diese einheitliche Leistung sei aus der Sicht des Durchschnittsverbrauchers nicht durch die Verschaffung von Versicherungsschutz, sondern durch das Versprechen der Einstandspflicht des Händlers geprägt.

 

Entscheidung

Der BFH hob die Vorentscheidung auf und gab der Klage statt.

 

Hinweis

Gerade im Bereich der Besteuerung von Versicherungsleistungen für einen erworbenen Gegenstand, die der Verkäufer erbringt, besteht trotz zahlreicher Entscheidungen Unsicherheit in der rechtlichen Beurteilung. Dazu mag auch beitragen, dass der EuGH in der Rechtssache Mapfre asistencia und Mapfre warranty (EuGH, Urteil vom 16.7.2015, C-584/13, EU:C:2015:488, Haufe-Index 8256302, UR 2015, 714, Rz. 5) aufgrund einer missverständlichen Vorlage über einen so gar nicht vorliegenden Sachverhalt entschieden hat.

1. Eine (optionale) Garantiezusage, für die der Käufer neben dem Kaufpreis für das Fahrzeug ein gesondertes Entgelt zahlt, ist keine Nebenleistung zum Fahrzeugverkauf, sondern eine selbstständige (Haupt-)Leistung (vgl. BFH, Urteil vom 9.10.2002, V R 67/01, BFH/NV 2003, 130, BStBl II 2003, 378, Rz. 32 ff.; BFH, Urteil vom 10.2.2010, XI R 49/07, BFH/NV 2010, 1055, BStBl II 2010, 1109, Rz. 17; Abschn. 3.10 Abs. 6 Nr. 3 UStAE).

2. Eine nach § 4 Nr. 10 Buchst. a oder b UStG umsatzsteuerfreie Leistung muss nicht in der Zahlung eines Geldbetrags, sondern kann auch in ­Beistandsleistungen in Form von (Geldzahlungen oder) Sachleistungen bestehen (vgl. EuGH, Urteil vom 25.2.1999, C‐349/96, CPP, EU:C:1999:93, HFR 1999, 421, Rz. 18; EuGH, Urteil vom 7.12.2006, C-13/06, Kommission/Griechenland, EU:C:2006:765, Haufe-Index 1644791, HFR 2007, 178, Rz. 11: Leipold, in Sölch/Ringleb, UStG, § 4 Nr. 10 UStG Rz. 10). Daher ist m.E. fraglich, ob dem Fall des BFH-Urteils vom 10.2.2010 (XI R 49/07, BFH/NV 2010, 1055, BStBl II 2010, 1109) nicht doch eine für die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 10 UStG taugliche Versicherungsleistung (und keine Leistung eigener Art) zugrunde lag.

Nationale Zulassung nicht erforderlich

Für die Umsatzsteuerfreiheit ist uner­heblich, ob der Versicherer die nach na­tionalem Recht erforderliche Zulassung ­be­sitzt (vgl. EuGH, Urteil vom 25.2.1999, C-349/96, CPP, HFR 1999, 421, Rz. 33; Klenk, in Rau/Dürrwächter, UStG, § 4 Nr. 10 UStG Rz. 29).

 

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