Rz. 94

Die Einbeziehung aller "Rückgriffsfälle" weitet den Regelungsbereich der Vorschrift so sehr aus, dass die Finanzierung insbesondere von mittelständischen Kapitalgesellschaften unangemessen eingeschränkt wird. Die Finanzverwaltung hat daher den Anwendungsbereich dieser Regelung reduziert[1].

Die wesentliche Einschränkung der gesetzlichen Regelung ist im BMF-Schreiben v. 15.7.2004 (IV A 2 – S 2742a – 20/04, BStBl I 2004, 593, Tz. 20) enthalten. Danach liegt eine verdeckte Gewinnausschüttung bei einem Darlehen eines rückgriffsberechtigten Dritten nur dann vor, wenn die Vergütung von der Kapitalgesellschaft an den Dritten für das Fremdkapital mit Vergütungen in Zusammenhang steht, die der Dritte unmittelbar oder mittelbar an den Gesellschafter der Kapitalgesellschaft oder eine diesem nahe stehende Person für die nicht nur kurzfristige Überlassung von Einlagen oder sonstigen nicht nur kurzfristigen Kapitalüberlassungen leistet. Die Finanzverwaltung will damit insbesondere back-to-back-Finanzierungen erfassen, bei denen der Gesellschafter, statt den Kredit unmittelbar an seine Kapitalgesellschaft zu geben, eine Bank mit der Kreditvergabe beauftragt und zur Sicherheit bei der Bank ein zinsbringendes Guthaben unterhält (zu den Rechtsfolgen dieser Reduzierung vgl. Rz. 125b).

Nach Ansicht der Finanzverwaltung soll § 8a nur dann anzuwenden sein, wenn die kreditgebende Bank ihrerseits Vergütungen an den Anteilseigner oder eine nahe stehende Person geleistet hat. Dann entfällt die Schwierigkeit, dass der Anteilseigner nicht bereichert ist; er hat schließlich Vergütungen von dem kreditgebenden Dritten erhalten. Dies bedeutet eine doppelte Einschränkung der gesetzlichen Regelung. Einmal liegt keine verdeckte Gewinnausschüttung vor, wenn der Anteilseigner bzw. die nahe stehende Person von dem kreditgebenden Dritten keine Vergütung erhalten hat (z. B. in reinen Bürgschaftsfällen). Außerdem ist die Höhe der verdeckten Gewinnausschüttung auf den Betrag der Vergütung beschränkt, die der Anteilseigner erhalten hat. Ist die Zinszahlung der Kapitalgesellschaft an den kreditgebenden Dritten höher, wird der überschießende Betrag der Zinsen nicht umqualifiziert[2].

 
Praxis-Beispiel
  1. Die A-GmbH nimmt bei der Bank X ein Darlehen auf, für das sich der Gesellschafter A verbürgt. A unterhält keinerlei Guthaben bei der Bank X. Das Darlehen überschreitet den safe haven der A-GmbH.

    Nach Ansicht der Finanzverwaltung greift § 8a nicht ein, weil die Bank keine Vergütungen an A zahlt. Die Zinsen sind also bei der A-GmbH als Betriebsausgaben abzugsfähig.

  2. Wie Beispiel 1, A unterhält aber bei der X-GmbH ein Guthaben, das er für das Darlehen an die A-GmbH verpfändet hat. Die Zinsen, die die A-GmbH an die Bank zahlen muss, betragen – soweit sie den safe haven übersteigen – 500.000 EUR; die Guthabenzinsen, die A von der Bank erhält, betragen 400.000 EUR.
  3. In diesem Fall sind die Zinsen, die die A-GmbH an die Bank X zahlt, in Höhe von 400.000 EUR in eine verdeckte Gewinnausschüttung umzuqualifizieren. A erhält keine Zinseinnahmen von der Bank, sondern eine verdeckte Gewinnausschüttung von der A-GmbH. Konsequenterweise muss man bei der Bank X die Zinseinnahme in Höhe von 400.000 EUR und den gleich hohen Zinsaufwand saldieren.

Sind die Zinsen, die die kreditnehmende Kapitalgesellschaft an den Dritten zahlt, niedriger als die Vergütungen des Dritten an den Gesellschafter, ist nur ein Betrag in Höhe der gezahlten Zinsen in eine verdeckte Gewinnausschüttung umzuqualifizieren. Leistungen, die die Kapitalgesellschaft nicht (an den Dritten) erbracht hat, können keine verdeckte Gewinnausschüttung begründen[3]. Bei mehreren unterschiedlich verzinsten Einlagen des Gesellschafters bei dem Dritten sind Vergütungen bis zur Höhe der von der Kapitalgesellschaft gezahlten Zinsen in eine verdeckte Gewinnausschüttung umzuqualifizieren. Eine Zuordnung zu den einzelnen Einlagen ist nicht erforderlich, wenn nur insgesamt die Höhe der Vergütungen für diese Einlagen nicht überschritten wird.

 

Rz. 94a

Die Ansicht der Finanzverwaltung führt zu einer begrüßenswerten Einschränkung der Anwendung des § 8a, indem insbesondere reine Bürgschaftsfälle nicht mehr unter den Anwendungsbereich der Vorschrift fallen. Kritisch anzumerken ist jedoch, dass der Wortlaut des Gesetzes hierfür keinen Anhaltspunkt gibt. Abs. 1 S. 2 dehnt den Anwendungsbereich der Vorschrift auf Darlehensvergaben durch Dritte aus, die auf den Anteilseigner oder eine ihm nahe stehende Person "zurückgreifen" können. Der Begriff des "Zurückgreifens" enthält unter keinem möglichen Gesichtspunkt die Beschränkung auf solche Fälle, in denen dem Anteilseigner oder der ihm nahe stehenden Person Vergütungen von dem Dritten zufließen. Eine reine Bürgschaft, die der Anteilseigner gibt, ermöglicht dem kreditgebenden Dritten ein "Zurückgreifen" auf den Anteilseigner und fällt daher unter den Wortlaut des § 8a und unter den Zweck des Gesetzes, denn diese Fälle sollten nach dem Willen des Gesetzgebers erfasst werden[4]. Die Ansicht...

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