Rz. 175

Die unentgeltliche Übertragung eines Betriebs, Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils i. S. v. § 6 Abs. 3 EStG unterscheidet sich von der Betriebsveräußerung (§ 16 Abs. 1 EStG) und der Betriebsaufgabe (§ 16 Abs. 3 EStG) dadurch, dass alle wesentlichen Betriebsgrundlagen unentgeltlich im Wege der Schenkung i. S. v. § 516 BGB in einem einheitlichen Vorgang auf den Erwerber übergehen und der Übertragende seine bisher mit dem Betrieb entfaltete Tätigkeit aufgibt.[1] Ein Mitunternehmeranteil kann auch zu einem Bruchteil hiervon unentgeltlich übertragen werden.

 

Rz. 176

Der Erwerb ist unentgeltlich, wenn er nicht rechtlich abhängig von einer ausgleichenden Gegenleistung ist. Eine die Unentgeltlichkeit ausschließende Abhängigkeit von einer Gegenleistung kann sich aus einem gegenseitigen Vertrag, aber auch aus einer Bedingung oder einer Auflage ergeben.[2] Ein unentgeltlicher Erwerb kann auch durch eine mittelbare Schenkung erfolgen. Der Beschenkte kann im Verhältnis zum Schenker nicht über den hingegebenen Geldbetrag, sondern erst über das damit von einem Dritten zu erwerbende Wirtschaftsgut verfügen.[3] Ein Mitunternehmeranteil wird im Allgemeinen unentgeltlich übertragen, wenn der Ausscheidende keine Abfindung erhält. Kein Entgelt ist das Versprechen einer Versorgungsleistung an den Übertragenden.[4] Hingegen wird ein Mitunternehmeranteil entgeltlich übertragen, wenn die Abfindung zwar hinter dem Buchwert des Mitunternehmeranteils zurückbleibt, der Ausscheidende jedoch aufgrund des Gesellschaftsvertrags nicht mehr verlangen kann.[5] Scheidet ein Gesellschafter mit einem negativen Kapitalkonto aus einer zweigliedrigen Personengesellschaft ohne eine Abfindung aus und übernimmt der verbleibende Gesellschafter dessen negatives Kapitalkonto, so kann dies als entgeltliche oder als unentgeltliche Übertragung des Mitunternehmeranteils zu beurteilen sein. Für Unentgeltlichkeit sprechen das Vorhandensein erheblicher stiller Reserven im Gesellschaftsvermögen und eine zu erwartende Gewinnchance der Gesellschaft.[6]

 

Rz. 177

Als Rechtsfolge der unentgeltlichen Übertragung eines (Teil-)Betriebs oder Mitunternehmeranteils entfällt aufseiten des Übertragenden eine Gewinnrealisierung. Er hat kein Wahlrecht zwischen einer gewinnneutralen Buchwertfortführung und einer gewinnrealisierenden Betriebsaufgabe i. S. v. § 16 Abs. 3 EStG. Der unentgeltliche Rechtsnachfolger ist nach § 6 Abs. 3 S. 2 EStG an die Buchwerte seines Rechtsvorgängers gebunden.[7] Bei der unentgeltlichen Übertragung eines Mitunternehmeranteils mit negativem Kapitalkonto übernehmen der oder die verbleibenden Gesellschafter nicht nur dessen Kapitalkonto, sondern auch dessen verrechenbare Verluste i. S. v. § 15a EStG (dazu § 15a EStG Rz. 360f.)

 

Rz. 178

Die Rechtsfolgen einer Buchwertfortführung treten nach § 6 Abs. 3 S. 2 EStG auch dann ein, wenn der bisherige Betriebsinhaber (Mitunternehmer) Wirtschaftsgüter, die weiterhin zum Betriebsvermögen derselben Mitunternehmerschaft gehören, nicht überträgt, sofern der Rechtsnachfolger den übertragenen Mitunternehmeranteil über einen Zeitraum von mindestens fünf Jahren nicht veräußert oder aufgibt. Damit werden funktional wesentliche Wirtschaftsgüter des Sonderbetriebsvermögens von der Pflicht zur anteiligen Mitübertragung ausgenommen. Der Gesetzgeber hat somit das Gebot der kongruenten Mitübertragung von Sonderbetriebsvermögen korrigiert. Das gilt jedoch nur unter der Voraussetzung, dass das Wirtschaftsgut weiterhin Sonderbetriebsvermögen bleibt und der Rechtsnachfolger innerhalb einer Sperrfrist von fünf Jahren den Mitunternehmeranteil nicht veräußert oder aufgibt. Auch bei über- oder unterproportionaler Übertragung von Sonderbetriebsvermögen ist § 6 Abs. 3 EStG anwendbar. Funktional wesentliche Wirtschaftsgüter des Sonderbetriebsvermögens können zurückbehalten werden, wenn sie weiterhin zum Sonderbetriebsvermögen derselben Mitunternehmerschaft gehören und der Rechtsnachfolger die fünfjährige Behaltefrist einhält.[8] Die Buchwertübertragung nach § 6 Abs. 3 EStG ist[9] auch dann anwendbar, wenn funktional wesentliche Wirtschaftsgüter des Sonderbetriebsvermögens zuvor oder gar zeitgleich zum Buchwert nach § 6 Abs. 5 EStG in ein anderes Betriebsvermögen überführt bzw. übertragen[10] oder unter Aufdeckung der stillen Reserven veräußert[11] werden.

 

Rz. 179

Wird im Zeitpunkt der Übertragung des Anteils am Gesamthandsvermögen funktional wesentliches Sonderbetriebsvermögen zurückbehalten und zeitgleich in das Privatvermögen des Übertragenden überführt, ist eine Buchwertfortführung nicht zulässig, weil sich das funktional wesentliche Sonderbetriebsvermögen zum Zeitpunkt der Entnahme noch im Betriebsvermögen des Übertragenden befand und nicht alle im Übertragungszeitpunkt noch vorhandenen wesentlichen Betriebsgrundlagen des vorhandenen Betriebs nach § 6 Abs. 3 S. 1 EStG übertragen werden. Es ist aber unschädlich, wenn vor Übertragung des gesamten Mitunternehmeranteils eine wesentliche Betriebsgrundlage durch Veräußerung an Dritte...

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