Rz. 9

Der BFH hat erstmals durch Urteil v. 28.4.2010[1] abweichend von dem bisherigen Rechtsverständnis der Finanzverwaltung entschieden, dass auf die Einkünfte gewerblich geprägter Personengesellschaften i. S. d. § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG nicht die jeweiligen DBA-Vorschriften über die Unternehmensgewinne (Art. 7, Art. 13 Abs. 2 OECD-MA), sondern die anderen Verteilungsartikel des DBA für die jeweiligen Einkünfte anzuwenden sind.[2]

 

Rz. 10

Nach Auffassung des BFH liegt dies darin begründet, dass die innerstaatliche Fiktion der gewerblichen Prägung nicht auf die Ebene der DBA-Anwendung durchschlägt, sondern die DBA-rechtliche Qualifizierung der betreffenden Einkünfte immer "abkommensautonom" zu erfolgen hat. Aus Art. 3 Abs. 2 OECD-MA ergibt sich laut BFH nichts anderes, weil diese Vorschrift nur auf die Einkünftezurechnung, nicht aber auf die Qualifikation der Einkünfte angewendet werden kann.[3]

 

Rz. 11

Die Folge dieser Rspr. ist, dass im Fall der späteren Veräußerung oder Entnahme der auf eine gewerblich geprägte Personengesellschaft übertragenen Wirtschaftsgüter oder Anteile durch den mittlerweile im Ausland ansässigen Stpfl. nicht der dem Art. 13 Abs. 2 OECD-MA entsprechende DBA-Artikel (= Betriebsstättenprinzip, Besteuerung in Deutschland) anzuwenden ist, sondern im Regelfall der dem Art. 13 Abs. 5 OECD-MA entsprechende DBA-Artikel (= Wohnsitzprinzip, Besteuerung im Ausland). Nach Art. 13 Abs. 5 OECD-MA kann ein Veräußerungsgewinn nur von dem Staat besteuert werden, in dem der Stpfl. im Zeitpunkt der Veräußerung ansässig ist. Demnach konnte Deutschland allein im Zeitpunkt des Wegzugs bzw. der Umstrukturierung den realisierten Entstrickungsgewinn besteuern. Aus verfahrensrechtlichen Gründen, insbesondere wegen Erteilung entgegenstehender verbindlicher Auskünfte bzw. des Eintritts der Festsetzungsverjährung, war diese Besteuerung jedoch im Regelfall nicht mehr möglich.[4]

 

Rz. 12

Weitere Folge dieser BFH-Rspr. ist, dass auf die laufenden Einkünfte aus den auf die Personengesellschaft übertragenen Wirtschaftsgütern oder Anteilen ebenfalls nicht der DBA-Artikel über die Besteuerung der Unternehmensgewinne (Art. 7 OECD-MA) anzuwenden ist, sondern derjenige DBA-Artikel, der die Besteuerung der betreffenden Einkünfte regelt. Das bedeutet z. B. für Dividenden, dass sie in Deutschland regelmäßig mit höchstens 15 % des Bruttobetrags besteuert werden dürfen.[5]

 

Rz. 13

Entsprechende Rechtsfolgen ergeben sich auch für Fälle der Betriebsaufspaltung[6], da der BFH mit Urteil v. 25.5.2011[7] außerdem entschieden hat, dass die innerstaatliche Annahme (Fiktion) gewerblicher Einkünfte des Besitzunternehmens im Rahmen einer Betriebsaufspaltung ebenfalls nicht auf die DBA-Anwendung durchschlägt.[8]

[1] BFH v. 28.4.2010, I R 81/09, BFH/NV 2010, 1550; Gosch, IWB 2012, 779, 788; Micker, IWB 2013, 158, 159.
[2] Gesetzentwurf des Bundesrats, Entwurf eines JStG 2013 v. 10.4.2013, BT-Drs. 17/13033, 18, 73.
[3] BFH v. 28.4.2010, I R 81/09, BFH/NV 2010; 1550; Mitschke, FR 2013, 694, 697.
[4] Pohl, IStR 2013, 699, 700.
[5] Mitschke, FR 2013, 694, 697.
[6] Schulze zur Wiesche, BB 2013, 2463.
[7] BFH v. 25.5.2011, I R 95/10, BFH/NV 2011, 1602; s. a. Kempermann, FR 2011, 1175; Micker, IWB 2013, 158, 159.
[8] Mitschke, FR 2013, 694, 697.

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