Rz. 174

§ 50d Abs. 8 EStG ist durch G. v. 15.12.2003[1] mit Wirkung ab Vz 2004 eingeführt worden.[2] Die Vorschrift enthält eine besondere Bestimmung für die Freistellung von Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit nach einem DBA, wenn der Arbeitnehmer unbeschränkt stpfl. ist. Angesprochen ist also der Fall, dass in der Bundesrepublik ein Wohnsitz oder der gewöhnliche Aufenthalt besteht (sonst besteht keine unbeschränkte Steuerpflicht) und die Tätigkeit in dem anderen Staat ausgeübt worden ist (sonst käme es in der Bundesrepublik nicht zur Freistellung). In den DBA wird das Besteuerungsrecht regelmäßig dem Tätigkeitsstaat zugeordnet (Art. 15 OECD-MA), während der Ansässigkeitsstaat (die Bundesrepublik) die Einkünfte regelmäßig freistellt (Art. 23 Abs. 1 OECD-MA). Besteht in der Bundesrepublik unbeschränkte Steuerpflicht, ist es ohne Bedeutung, ob dies auch in dem anderen Staat der Fall ist. Es wird also auch der Fall des Doppelwohnsitzes erfasst, wenn in beiden Staaten unbeschränkte Steuerpflicht besteht, Deutschland die Einkünfte nach dem DBA aber freistellen muss, weil der Stpfl. in dem anderen Staat tätig ist.

 

Rz. 175

Nach § 50d Abs. 8 EStG wird die Freistellung in diesen Fällen nur gewährt, wenn der Stpfl. nachweist, dass der zur Besteuerung berechtigte Staat (der Tätigkeitsstaat) auf sein Besteuerungsrecht verzichtet hat oder die nach dem Recht des Tätigkeitsstaats zu entrichtende Steuer tatsächlich entrichtet wurde. Die Vorschrift betrifft damit DBA, in denen auch die "virtuelle Doppelbesteuerung" vermieden wird. Ist in dem DBA bereits eine Subject-to-tax-Klausel vorhanden, die die Freistellung von der tatsächlichen Besteuerung im Quellenstaat abhängig macht, verdrängt diese DBA-Regelung § 50d Abs. 8 EStG.

 

Rz. 175a

Gegenüber § 50d Abs. 9 EStG war § 50d Abs. 8 EStG das speziellere Gesetz; das ergab sich aus § 50d Abs. 9 S. 3 EStG. Im Anwendungsbereich des Abs. 8 konnte daher der Übergang zur Anrechnungsmethode nicht auf Abs. 9 gestützt werden.[3] Durch G. v. 26.6.2013[4] ist jedoch Abs. 9 S. 3 dahin geändert worden, dass Abs. 8 nur insoweit unberührt bleibt, als sie die Freistellung jeweils in einem weiteren Umfang einschränken. Im Ergebnis wird daher die Freistellung, ggf. im Wege des Treaty Overrides, nach der jeweils weitgehenderen Vorschrift eingeschränkt. Im Umkehrschluss folgt daraus, dass Abs. 8 verdrängt wird, soweit nach dieser Vorschrift die Freistellung in gleicher Weise eingeschränkt wird wie nach Abs. 9. In diesem Fall ist Abs. 9 anwendbar, nicht Abs. 8. Dies soll nach § 52 Abs. 59a S. 9 EStG[5] für alle noch offenen Steuerfestsetzungen gelten. Da die Änderung erst am 29.6.2013 im BGBl verkündet worden ist, kann sie im Wege der unechten Rückwirkung erst ab Vz 2013 gelten. Soweit die Finanzverwaltung die Vorschrift auf frühere Vz anwenden will und sich dies zulasten des Stpfl. auswirkt, handelt es sich um eine echte Rückwirkung, die verfassungswidrig ist. Demgegenüber wird in der Begründung zum Gesetzentwurf vom Bundesrat[6] vertreten, dass es sich bei der Regelung nur um eine Klarstellung handelt. Ein gegenteiliges Vertrauen der Bürger sei angesichts der Ansicht der Verwaltung und dem Willen des Gesetzgebers zu einer entsprechenden Regelung nicht entstanden. Die Bürger hätten auch nicht auf das Urteil des BFH v.11.1.2012[7] vertrauen dürfen, da ein solches Vertrauen allenfalls bei einer gefestigten Rspr., die insoweit nicht vorliege, entstanden wäre.[8] Ein Aspekt dürfte auch sein, dass dieses Urteil des BFH nicht im BStBl veröffentlicht worden ist, also den Stpfl. bekannt war, dass die Finanzverwaltung das Urteil nicht anwenden werde. M. E. kann dies die nur ausnahmsweise zulässige echte Rückwirkung nicht rechtfertigen. Der BFH hat die Rechtslage zutreffend beurteilt. Die Gesetzesänderung ändert daher die Rechtslage. Gründe für eine echte Rückwirkung der geänderten Rechtslage liegen nicht vor. Insbesondere ist eine Rechtslage nicht allein deshalb verworren, weil die Rspr. eine andere Ansicht als die Finanzverwaltung vertritt. Der BFH hat mit einer den obigen Ausführungen entsprechenden Begründung die Frage der Zulässigkeit der Rückwirkung dem BVerfG vorgelegt.[9]

 

Rz. 176

Die Vorschrift umfasst sowohl Fälle des Qualifikationskonflikts (der Tätigkeitsstaat legt das DBA so aus, dass ihm das Besteuerungsrecht nicht zusteht) als auch sonstige Fälle (der Tätigkeitsstaat kennt den Sachverhalt nicht und besteuert deshalb die Einkünfte nicht). Erfasst wird daher auch der Fall, dass der ausl. Staat den Sachverhalt nicht kennt und daher die Einkünfte tatsächlich nicht besteuert. Worauf diese Unkenntnis des ausl. Staates beruht ist nicht maßgebend. Es kann sich sowohl um Fälle handeln, in denen der Stpfl. den wahren Sachverhalt vor der ausl. Steuerbehörde absichtlich falsch dargestellt oder verschleiert oder sie überhaupt nicht informiert hat, als auch um Fälle, wo der Stpfl. das Recht unrichtig ausgelegt und daher in gutem Glauben keine Versteuerung in dem anderen Staat vorgenommen hat.[10] Die Vors...

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