Rz. 8

Der Steuerabzug bei beschr. Stpfl. ist europarechtlich grundsätzlich nicht zu beanstanden, auch wenn bei unbeschränkt Stpfl. kein Steuerabzug erfolgt. Die unbeschränkte und die beschr. Steuerpflicht beruhen auf unterschiedlichen Rechtsgrundlagen. Hieraus folgen zwingend unterschiedliche Steuererhebungsmodalitäten. Ein unbeschränkt Stpfl. unterliegt unmittelbar der steuerlichen Kontrolle und der Beitreibung der Steuerbehörde. Dies ist bei einem beschr. Stpfl. nicht der Fall. Es ist daher schon zweifelhaft, ob überhaupt ein vergleichbarer Fall vorliegt. Wird die Vergleichbarkeit bejaht, kann zwar ein Verstoß gegen die Dienstleistungsfreiheit (Art. 49 EG, Art. 57 AEUV) vorliegen. Es sind aber auf jeden Fall Rechtfertigungsgründe vorhanden. Die Besonderheit der beschr. Steuerpflicht, insbesondere die fehlenden unmittelbaren Kontroll- und Beitreibungsmöglichkeiten der Finanzbehörde, rechtfertigt ein Verfahren wie den Steuerabzug. Zusätzlich ist zu berücksichtigen, dass der Steuerabzug regelmäßig mit einem niedrigeren Prozentsatz erfolgt als die Besteuerung des unbeschränkt Steuerpflichtigen. Ein Steuerabzug besteht zwar für Inländer nicht, sodass insoweit eine Benachteiligung vorliegen kann; es ist aber zu berücksichtigen, dass Inländer regelmäßig Steuervorauszahlungen zu leisten haben, mit denen der Steuerabzug in seinen Wirkungen verglichen werden kann.[1] Die Einschränkung der Dienstleistungsfreiheit ist daher durch die Notwendigkeit der Effizienz der Steuererhebung gerechtfertigt. Das Steuerabzugsverfahren ist danach ein legitimes und geeignetes Mittel, die Besteuerung des beschr. stpfl. Vergütungsgläubigers sicherzustellen und zu verhindern, dass endgültig unbesteuerte Einkünfte entstehen. Der Steuerabzug bei beschr. Steuerpflicht ist daher grundsätzlich nicht europarechtswidrig.

 

Rz. 9

Der Steuerabzug warf jedoch in seiner Ausgestaltung europarechtliche Probleme auf, und zwar wegen der Abgeltungswirkung sowie der Bruttoeinnahmen als Bemessungsgrundlage.[2] Beide Probleme sind für die Einkünfte nach § 50a Abs. 1, 2 und 4 EStG beseitigt worden. Nach § 50 Abs. 2 Nr. 5 EStG gilt die Abgeltungswirkung des Steuerabzugs für Staatsangehörige eines EU- oder EWR-Staates, die im Hoheitsgebiet eines dieser Staaten ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben, auf Antrag nicht (§ 50 EStG Rz. 133). Unter den gleichen Voraussetzungen kann der beschr. Stpfl. nach § 50a Abs. 3 EStG schon im Steuerabzugsverfahren Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten nachweisen und dadurch ihre Berücksichtigung beim Steuerabzug erreichen (Rz. 119). Allerdings gelten beide Regelungen nicht für die Einkünfte nach § 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG; insoweit bleiben die europarechtlichen Probleme bestehen (§ 50 EStG Rz. 170; § 50a EStG Rz. 123).

 

Rz. 10

Der Steuerabzug betrifft 2 Ebenen, nämlich die Beziehung zwischen Vergütungsschuldner und Vergütungsgläubiger mit der Pflicht des Vergütungsschuldners, den Steuerabzug durchzuführen, und die Ebene des Vergütungsgläubigers, bei dem sich aus der Abgeltungswirkung des Steuerabzugs bzw. der Einschränkung der Abgeltungswirkung die endgültige Steuerbelastung ergibt. In europarechtlicher Hinsicht unterliegt die Regelung über den Steuerabzug hinsichtlich beider Ebenen Bedenken. Die endgültige Steuerbelastung des Vergütungsgläubigers kann höher sein als bei einem unbeschränkt Stpfl. Dies beruht auf der Abgeltungswirkung nach § 50 Abs. 5 EStG.[3]

 

Rz. 11

Europarechtliche Bedenken bestehen aber nicht nur hinsichtlich der absoluten Höhe der Steuerbelastung, sondern auch hinsichtlich der Regelung des Steuerabzugs und damit der Regelung des Verhältnisses zwischen Vergütungsschuldner und Vergütungsgläubiger. Der Vergütungsschuldner muss den Steuerabzug nach § 50a Abs. 4 S. 2, 3 EStG von dem vollen Betrag der Einnahmen vornehmen; Abzüge von Betriebsausgaben oder Werbungskosten sind grundsätzlich nicht möglich. Damit kann durch den Steuerabzug eine Überbesteuerung erfolgen, die möglicherweise zwar im Erstattungsverfahren korrigiert wird, aber bis dahin eine Ungleichbehandlung des beschr. stpfl. Vergütungsgläubigers darstellt, da ein unbeschränkt stpfl. Vergütungsgläubiger keinem Steuerabzug unterliegt.

 

Rz. 12

Diese Fragen sind vom EuGH behandelt worden.[4] Zur Frage der grundsätzlichen Rechtfertigung des Eingriffs in die Dienstleistungsfreiheit (Art. 49 EG, Art. 57 AEUV) vgl. Rz. 8. Allerdings ereignete sich der Streitfall "Scorpio" in einem Jahr, in dem die Beitreibungsrichtlinie noch nicht anwendbar war, worauf der EuGH ausdrücklich hinweist. Der EuGH hat jedoch in dem Inkrafttreten der EU-Beitreibungsrichtlinie keine Änderung gesehen und hält den Steuerabzug weiterhin für ein verhältnismäßiges Mittel.[5]

 

Rz. 13

Als mit den Grundfreiheiten unvereinbar hat der EuGH[6] aber die Regelung angesehen, dass mit den Vergütungen wirtschaftlich unmittelbar zusammenhängende Betriebsausgaben oder Werbungskosten im Steuerabzugsverfahren nicht berücksichtigt werden können. Der EuGH bezieht sich dabei auf sein Urteil v. 12.6.2003[7],

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