Rz. 243

Handels- und Steuerrecht regeln die Rechnungsabgrenzung somit (vgl. Rz. 242) heute, mit Ausnahme der steuerlichen Abgrenzung nach § 5 Abs. 5 S. 2 EStG, im Wesentlichen gleich lautend. Auszuweisen sind transitorische Posten i. e. S., nämlich

  • auf der Aktivseite Ausgaben vor dem Abschlussstichtag, soweit sie Aufwand für eine bestimmte Zeit nach dem Stichtag darstellen,
  • auf der Passivseite Einnahmen vor dem Abschlussstichtag, soweit sie Ertrag für eine bestimmte Zeit nach dem Stichtag darstellen.

Aktive und passive Rechnungsabgrenzung erfolgen nach den gleichen Regeln; die Tatbestandsmerkmale sind gleichlautend auszulegen.[1]

 

Rz. 243a

Aktive Rechnungsabgrenzungsposten dienen dazu, Ausgaben derjenigen Periode zuzuordnen, zu der sie wirtschaftlich gehören und in der die zugehörigen Einnahmen anfallen. Passive Rechnungsabgrenzungsposten nehmen entsprechende Einnahmen auf, die vor dem Bilanzstichtag anfallen, aber Erträge einer späteren Periode darstellen. Durch die Rechnungsabgrenzungsposten werden Ausgaben und Einnahmen derjenigen Periode als Aufwendungen und Erträge zugeordnet, zu der sie wirtschaftlich gehören.[2] Es handelt sich regelmäßig um Vorleistungen eines Vertragspartners, der eine noch nicht erbrachte zeitraumbezogene Gegenleistung gegenübersteht.[3] Für diese Rechnungsabgrenzungsposten besteht handels- wie steuerrechtlich eine Aktivierungs- bzw. Passivierungspflicht. Lediglich bei geringfügigen und jährlich in etwa gleicher Höhe wiederkehrenden Abgrenzungsbeträgen soll nach der Rspr. auf einen Ausweis verzichtet werden können.[4] Für die besonders geregelte Rechnungsabgrenzung von Zöllen und Verbrauchsteuern sowie von USt auf Anzahlungen galt handelsrechtlich ein Aktivierungswahlrecht, aufgrund des BilMoG jetzt ein Aktivierungsverbot, steuerrechtlich besteht Aktivierungspflicht.

 

Rz. 244

Antizipative Posten, also die "vorwegnehmende" erfolgswirksame Buchung von Erträgen und Aufwendungen, die erst in späteren Wirtschaftsjahren entstehen, sind als Rechnungsabgrenzung nicht erlaubt. Posten dieser Art können somit in der Bilanz nur angesetzt werden, wenn sie die Eigenschaft von Wirtschaftsgütern (Vermögensgegenständen) bzw. Verbindlichkeiten besitzen. Infrage kommt vornehmlich der Ansatz als Forderung, wenn ein Entgelt zwar rechtlich noch nicht entstanden, wirtschaftlich aber bereits "verdient" ist.[5] Dies ist etwa der Fall bei nachschüssig zu zahlenden Entgelten für zeitraumbezogene Nutzungen (Miete, Pacht), wenn der Abrechnungszeitraum der Nutzung erst im folgenden Wirtschaftsjahr endet. Der auf die bereits abgelaufene Nutzungszeit entfallende Teil der erst im folgenden Wirtschaftsjahr entstehenden Entgeltsforderung bzw. -schuld ist beim Nutzungsgewährenden aktiv, beim Nutzenden passiv anzusetzen. Auf diese Möglichkeiten eines antizipativen Ausweises beziehen sich die Regelungen in § 268 Abs. 4 S. 2, Abs. 5 S. 3 HGB, wonach u. U. Erläuterungspflicht besteht für den Ausweis von Vermögensgegenständen und Verbindlichkeiten, die rechtlich erst nach dem Abschlussstichtag entstehen. Gleiches gilt für den Rückkaufswert einer Lebensversicherung.

 

Rz. 245

Der Geltungsbereich des § 5 Abs. 5 EStG erstreckt sich nach der Stellung der Vorschrift zunächst auf die Gewinnermittlung nach § 5 EStG. Ob auch bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG Rechnungsabgrenzungsposten anzusetzen sind, ist str., wird aber nach der Rspr.[6] als Konkretisierungsform des allgemein gültigen Gewinnrealisierungsprinzips zu bejahen sein. Bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG sind Rechnungsabgrenzungsposten – abgesehen vom Fall der Vorauszahlung bei einer Nutzungsüberlassung mit einer Laufzeit von mehr als fünf Jahren[7] nicht anzusetzen, weil dies dem dort vorherrschenden Zu- und Abflussprinzip widerspräche. Dies ist beim Übergang von der Gewinnermittlung nach §§ 4 Abs. 1, 5 EStG auf § 4 Abs. 3 EStG und umgekehrt zu berücksichtigen. Ebenfalls keine Rechnungsabgrenzung ist vorzunehmen im Bereich der Überschusseinkünfte.[8]

 

Rz. 245a

Ist der Betrag, der in den Rechnungsabgrenzungsposten für den einzelnen Geschäftsvorfall einzustellen ist, so unbedeutend, dass eine Beeinträchtigung des Einblicks in die Vermögens- und Ertragslage nicht zu befürchten ist, braucht der Rechnungsabgrenzungsposten aus dem Gesichtspunkt der Wesentlichkeit heraus nicht gebildet zu werden. Die Rechtsprechung sieht in Anlehnung an § 6 Abs. 2 EStG die Grenze der Wesentlichkeit bei 410 EUR für den einzelnen Geschäftsvorfall.[9]

[4] BFH v. 29.10.1969, I R 93/64, BStBl II 1970, 178; bedenklich jedenfalls hinsichtlich des Erfordernisses "ständig wiederkehrend", weil dadurch die entstehende Gewinnverlagerung nicht in ihrem Gewicht verringert, sondern perpetuiert wird.

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