1 Allgemeines

 

Rz. 1

Das für den Leistenden zuständige FA kann auf Antrag eine Freistellungsbescheinigung ausstellen. Die Freistellungsbescheinigung berechtigt den Leistungsempfänger, von dem Steuerabzug Abstand nehmen zu dürfen. Der Leistungsempfänger kann nur dann vom Steuerabzug absehen, wenn der Bauleistende eine gültige Freistellungsbescheinigung vorlegt, bevor die Gegenleistung für die Bauleistung erbracht worden ist.[1] Bei Gefährdung der Steueransprüche soll eine Freistellungsbescheinigung nicht erteilt werden. Ferner wird geregelt, welche Angaben eine Freistellungsbescheinigung auszuweisen hat. Die Freistellungsbescheinigung ist für Fälle ab 1.1.2016 auch relevant, wenn Fotovoltaikanlagen an oder auf einem Gebäude installiert werden.[2] Ferner kann eine Bauleistung i. S. d. § 48 EStG bei Aufstellung einer Freilandfotovoltaikanlage vorliegen.[3]

[1] BFH v. 26.10.2011, VII ZR 22/10, BFH/NV 2012, 777.
[3] BFH v. 7.11.2019, I R 46/17, BFH/NV 2020, 951, Verfassungsbeschwerde anhängig, AZ beim BVerfG 2 BvR 1392/20.

2 Freistellungsbescheinigung

2.1 Erteilung der Freistellungsbescheinigung

 

Rz. 2

Der Leistende kann bei dem für ihn zuständigen FA eine Freistellungsbescheinigung beantragen. Ist eine Personengemeinschaft Leistender, ist der Antrag bei dem für die Personengemeinschaft zuständigen FA zu stellen. Ist eine Personengemeinschaft ertragsteuerlich nicht zu führen, ist auf die umsatzsteuerliche Zuständigkeit (§ 21 AO) abzustellen. Der Antrag bedarf keiner Form, er kann also theoretisch auch fernmündlich gestellt werden. Da das FA gewisse Angaben durch einen Fragebogen ermittelt, wird regelmäßig ein schriftlich formulierter Antrag erfolgen. Insbesondere für im Ausland ansässige Bauunternehmen ist nur dann eine Freistellungsbescheinigung zu erteilen, wenn ein inländischer Empfangsbevollmächtigter bestellt ist und der Steueranspruch nicht gefährdet erscheint. Es muss demnach sichergestellt sein, dass der Leistende seine steuerlichen Pflichten im Inland ordnungsgemäß erfüllt.[1]

 

Rz. 3

Eine Gefährdung des Steueranspruchs führt zur Ablehnung der Erteilung einer Freistellungsbescheinigung. Das Gesetz enthält eine nicht abschließende Aufzählung von Tatbeständen, in denen von einer Gefährdung des Steueranspruchs auszugehen ist. Eine Freistellungsbescheinigung wird insbesondere dann nicht erteilt, wenn

  1. der Leistende seine Anzeigepflicht nach § 138 AO[2] nicht erfüllt,
  2. der Leistende seiner Mitwirkungspflicht nach § 90 AO nicht nachkommt oder
  3. der im Ausland ansässige Leistende den Nachweis der steuerlichen Ansässigkeit nicht durch eine Bescheinigung der zuständigen ausländischen Steuerbehörde erbringt.

Bei umsatzsteuerlichen Organschaften ist nicht das steuerliche Verhalten sämtlicher Subjekte des Organkreises zu berücksichtigen. Maßgebend ist das steuerliche Verhalten des Subjekts, das nach außen als Leistender auftritt.[3]

 

Rz. 4

Die Regelung zu 1. ist m. E. überzogen. Nach § 138 AO ist die Eröffnung oder Verlegung eines gewerblichen Betriebs oder einer Betriebsstätte auf amtlich vorgeschriebenem Vordruck der Gemeinde mitzuteilen, die das zuständige FA unverzüglich über den Inhalt der Mitteilung unterrichtet. Unterbleibt diese Anzeige, wird die steuerliche Erfassung des Betriebs oder der Betriebsstätte des Leistenden behindert. Die Erteilung einer Freistellungsbescheinigung soll unter diesen Umständen nicht in Betracht kommen. Die Meldepflichtverletzung kann insbesondere bei im Ausland ansässigen Bauunternehmen durchaus in Unkenntnis erfolgt sein. Die steuerliche Erfassung ist dadurch zwar behindert, dennoch ist der Betrieb oder die Betriebsstätte zumindest durch den Antrag auf Erteilung einer Freistellungsbescheinigung nunmehr steuerlich bekannt. Das FA hat in diesen Fällen den Stpfl. auf seine Meldepflichtverletzung hinzuweisen und eine Entscheidung über die Erteilung einer Freistellungsbescheinigung bis zur Anzeige des Stpfl. nach § 138 AO zurückzustellen.

 

Rz. 5

Die Mitwirkungspflicht nach § 90 AO erlangt insbesondere dann Bedeutung, wenn Leistende steuerlich bislang noch nicht erfasst ist. In diesen Fällen soll das FA die notwendigen Angaben zur Prüfung der Frage, ob durch einen Steuerabzug zu sichernde Steueransprüche bestehen können und die steuerliche Erfassung des Leistenden notwendig ist, mittels eines Fragebogens erheben. Werden diese Angaben nicht oder nicht vollständig erbracht, ist nach den Gesamtumständen des Einzelfalls abzuwägen, ob die Freistellungsbescheinigung wegen einer Verletzung von Auskunfts- und Mitteilungspflichten zu versagen ist.[4]

 

Rz. 6

Der dem Antragsteller auferlegte Nachweis der steuerlichen Ansässigkeit nach § 48b Abs. 1 S. 2 Nr. 3 EStG wird grundsätzlich dadurch erbracht, dass die ausl. Steuerbehörde die steuerliche Erfassung im Sitzstaat bestätigt. In Zweifelsfällen kann das FA nach § 90 AO vom Antragsteller eine qualifizierte Sitzbescheinigung verlangen, in der die ausländische Steuerbehörde bestätigt, dass sich auch der Ort der Geschäftsleitung[5] im...

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