Rz. 589

Betriebsausgaben können bereits in einem Zeitpunkt anfallen, in dem der Organismus "Betrieb" als Einkunftsquelle noch nicht entstanden (vorab entstandene oder vorweggenommene Betriebsausgaben) oder bereits weggefallen (aufgegeben) ist. § 6 EStDV steht dem nicht entgegen; diese Vorschrift beschränkt lediglich den Betriebsvermögensvergleich als Gewinnermittlungsart auf die Zeit der Existenz des Betriebs.

Typische vorweggenommene Betriebsausgaben sind Planungs- und Eröffnungskosten, typische nachträgliche Betriebsausgaben sind Schuldzinsen für betriebliche Kredite, die bei Liquidation nicht abgelöst wurden.

 

Rz. 590

Die wesentliche Frage bei vorab entstandenen Betriebsausgaben liegt in der betrieblichen Veranlassung. Da der Betrieb erst nach dem Anfall der Ausgaben entsteht, wird die Ursächlichkeit regelmäßig nur i. S . einer "Zweckverursachung" (Finalität; Rz. 573) vorliegen. Betriebsausgaben liegen daher vor, wenn sie zum Zweck eines (künftigen) Betriebs aufgewendet werden. Vorweggenommene Betriebsausgaben können alle Aufwendungen sein, die, würden sie während des Bestehens des Betriebs aufgewendet, Betriebsausgaben wären. Der Begriff der Betriebsausgaben wird also nicht erweitert; so sind z. B. Ausbildungskosten begrifflich keine Betriebsausgaben und können daher keine vorweggenommenen Betriebsausgaben sein, während Fortbildungskosten vorweggenommene Betriebsausgaben sein können.[1] Aufwendungen für ein Zweitstudium gelten somit als Fortbildungskosten und können vorweggenommene Betriebsausgaben sein. Besichtigungskosten können vorab entstandene Betriebsausgaben sein.[2]

Da die betriebliche Veranlassung in diesen Fällen jedoch final definiert ist, also vom (subjektiven) Willen des Stpfl. abhängt, muss der wirtschaftliche Zusammenhang mit dem (künftigen) Betrieb ausreichend konkretisierbar (objektiviert) sein.[3] Der Entschluss, Einkünfte einer bestimmten Einkunftsart zu erzielen, muss endgültig gefasst worden sein.[4] Der geplante Betrieb und die damit verbundene Einkunftserzielungsabsicht müssen im Augenblick der Entstehung der Ausgabe ausreichend deutlich erkennbar sein. Das ist nur der Fall, wenn die Aufwendungen klar und eindeutig auf die Erzielung bestimmter Einkünfte im Rahmen einer bestimmten Einkunftsart gerichtet sind.[5] Weder genügt es, noch ist es danach erforderlich, dass Art, Umfang, Standort usw. der geplanten Tätigkeit genau feststehen. Erforderlich ist nur, dass feststellbar ist, zu welcher Einkunftsart die geplante Tätigkeit gehören wird.

 

Rz. 591

Betriebsausgaben sind danach nur absetzbar, wenn sie durch einen ausreichend identifizierbaren Betrieb veranlasst sind; sie sind nicht absetzbar, wenn die Einkunftsquelle noch nicht genügend bestimmt ist. Aufwand, der gleichsam "ins Blaue hinein" gemacht wird, ist nicht abziehbar.[6]Kosten der Objektsuche eines Stpfl., der investieren will, sind daher noch nicht als Betriebsausgaben abziehbar, wenn die Form seines Engagements (Einzelunternehmen als gewerbliche Einkunftsart, Kapitalgesellschaft als Einkünfte aus Kapitalvermögen) noch nicht feststeht.[7] Entsprechendes gilt, wenn noch nicht feststeht, ob der Betrieb im In- oder Ausland gegründet werden soll[8]; da die Gewinne bei einer Betriebsgründung im Ausland bei Bestehen eines DBA im Inland nicht besteuert werden, können auch dazugehörige vorab entstandene Betriebsausgaben nicht abgesetzt werden.[9] Ohne Bedeutung ist es allerdings, ob der Betrieb als Einzelunternehmen oder als Personengesellschaft gegründet werden soll; da beides gewerbliche Einkünfte begründet, besteht kein Anlass, den Abzug der Aufwendungen als vorweggenommene Betriebsausgaben abzulehnen.

 

Rz. 592

Ebenfalls keine vorab entstandenen Betriebsausgaben liegen vor, wenn der Stpfl. sich noch nicht endgültig zu der Aufnahme einer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit entschlossen hat und die Aufwendungen dazu dienen, diese Entscheidung vorzubereiten.[10]

 

Rz. 593

Die Rspr. hatte den Abzug ursprünglich auch dann versagt, wenn feststand, dass die Aufwendungen abgezogen werden können, aber noch nicht klar ist, ob es sich um Betriebsausgaben oder Werbungskosten handeln wird.[11] Diese Rspr. hat der BFH gelockert und Zahlungen (Vertragsstrafe wegen Ausscheidens aus dem Dienstverhältnis, um eine selbstständige Tätigkeit aufzunehmen) zum Abzug zugelassen und dabei offengelassen, ob es sich um nachträgliche Werbungskosten aus nichtselbstständiger Arbeit oder um vorweggenommene Betriebsausgaben zur freiberuflichen Tätigkeit handelte.[12]

M. E. müssen die Aufwendungen danach zum Abzug zugelassen werden, wenn feststeht, dass sie dem Grunde nach abzugsfähig sind (also eine Zuordnung zur Privatsphäre ausscheidet), und nur noch die konkrete Einordnung als Betriebsausgaben oder Werbungskosten zweifelhaft ist (vgl. § 9 EStG Rz. 28f.; zu erfolglosen vorweggenommenen Betriebsausgaben vgl. Rz. 580).

Beispiele sind etwa Aufwendungen eines (angehenden) Rechtsanwalts, bei dem noch nicht feststeht, ob er als selbstständiger oder angestellter Rechtsanwalt t...

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