Rz. 98

§ 36 Abs. 5 EStG[1] ermöglicht es bei der Verlegung eines Betriebs in einen anderen Staat der EU oder des EWR, die auf den Aufgabegewinn und auf den aus dem Wechsel der Gewinnermittlungsart resultierenden Gewinn entfallende ESt auf Antrag zinslos in 5 gleichen Jahresraten zu entrichten. Die erste Rate ist innerhalb eines Monats nach der Bekanntgabe des Steuerbescheids zu zahlen; die übrigen Raten sind jeweils am 31. Juli der Folgejahre fällig. Zur Berechnung der zu stundenden Steuer ist von der festgesetzten ESt die ESt abzuziehen, die sich ergeben würde, wenn der Aufgabe- und der Übergangsgewinn bei der Veranlagung unberücksichtigt bleiben würden.

Die noch nicht entrichtete Steuer wird gem. § 36 Abs. 5 S. 4 EStG innerhalb eines Monats nach dem Eintritt der folgenden Fälle fällig:

  1. soweit ein Wirtschaftsgut i. S. d. Satzes 1 veräußert, entnommen, in andere als die in Satz 1 genannten Staaten verlagert oder verdeckt in eine Kapitalgesellschaft eingelegt wird oder
  2. wenn der Betrieb oder Teilbetrieb während dieses Zeitraums eingestellt, veräußert oder in andere als die in Satz 1 genannten Staaten verlegt wird,
  3. wenn der Stpfl. aus der inländischen unbeschränkten Steuerpflicht oder der unbeschränkten Steuerpflicht in den in Satz 1 genannten Staaten ausscheidet oder in einem anderen als den in Satz 1 genannten Staaten ansässig wird,
  4. wenn der Stpfl. Insolvenz anmeldet oder abgewickelt wird oder
  5. wenn der Stpfl. seinen Verpflichtungen im Zusammenhang mit den Ratenzahlungen nicht nachkommt und über einen angemessenen Zeitraum, der zwölf Monate nicht überschreiten darf, keine Abhilfe für seine Situation schafft; Satz 2 bleibt unberührt.

Sofern sich die festgesetzte ESt ändert, sind nach § 36 Abs. 5 S. 5 EStG die Jahresbeträge entsprechend anzupassen.

§ 36 Abs. 5 EStG setzt Art. 5 Abs. 2 bis 4 ATAD als Grundregelung für die zeitliche Streckung der Besteuerung des Entstrickungsgewinns um (Voraussetzungen, Widerrufsgründe, Sicherheitsleistung), auf die auch § 4g Abs. 2 S. 2 EStG verweist.

 

Rz. 99

Die Norm des § 36 Abs. 5 EStG steht in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Einführung des § 16 Abs. 3a EStG durch das G. v. 8.12.2010.[2] Der BFH[3] hat seine jahrzehntelange Rspr. zur sog. finalen Betriebsaufgabe aufgegeben. Sie besagte, dass ein Unternehmer, der seinen bisher im Inland ansässigen Betrieb komplett in einen ausl. Staat verlegt und von dort aus fortführt, die im Betriebsvermögen angesammelten stillen Reserven – wie bei einer tatsächlichen Betriebsaufgabe – nach § 16 Abs. 3 S. 1 EStG sofort aufdecken und versteuern muss. Nunmehr verneint der BFH die Annahme eines Realisationstatbestands, da sowohl eine gesetzliche Grundlage als auch ein Bedürfnis zur Besteuerung fehle.[4]§ 16 Abs. 3a EStG setzt die Grundsätze der Theorie der finalen Betriebsaufgabe des BFH[5] in eine gesetzliche Regelung um.

 

Rz. 100

§ 16 Abs. 3a EStG und § 36 Abs. 5 EStG stellen die Besteuerung der im Inland entstandenen stillen Reserven in europarechtskonformer Weise sicher. Zugleich wird dem Umstand Rechnung getragen, dass es für die deutschen Finanzbehörden oft schwierig bis unmöglich ist, das weitere Schicksal des verlegten Betriebs zu überwachen und den tatsächlichen Realisationsakt im Ausland zu erfassen. Zudem wird eine Begünstigung des Aufgabegewinns nach den §§ 16, 34 EStG erreicht.

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