Rz. 28

Die Anrechnungsmethode nach § 34c EStG bzw. den DBA verstößt als Typus der Vermeidung einer Doppelbesteuerung – auch soweit sie die Anrechnung auf den inländischen Steuerbetrag begrenzt – nicht gegen das EU-Recht[1].

 

Rz. 28a

Inwieweit eine Beschränkung der Anrechenbarkeit ausl. Quellensteuer auf ausl. Beteiligungserträge mit dem EU-Recht zu vereinbaren ist, war insbes. infolge der Verschärfungen bei der Höchstbetragsbegrenzung zunehmend zweifelhaft.[2] Das FG Baden-Württemberg[3] hat einen Verstoß gegen die Grundfreiheiten noch abgelehnt, der BFH[4] hat das sich anschließende Revisionsverfahren jedoch genutzt, um ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH zu richten. Dabei fragt der BFH zu Recht, ob die verhältnismäßige "Teilhabe" der ausl. Einkünfte an den einzelnen Abzugspositionen (Sonderausgaben sowie außergewöhnliche Belastungen) im Rahmen der Höchstbetragsberechnung zur Begrenzung der Anrechnungsbeträge führen darf.[5] Der Verstoß gegen das Europarecht ging dabei in zwei Richtungen: Die Berechnungsformel vermied nur teilweise eine Doppelbesteuerung, und persönliche Umstände wie Steuerabzüge machten sich nicht vollständig bemerkbar. Der BFH zeigte dabei zugleich einen Ausweg für den Gesetzgeber auf, indem er vorschlug, für die Bestimmung der Anrechnungshöchstbeträge statt auf die "Summe der Einkünfte" auf das zu versteuernde Einkommen abzustellen. Der EuGH hat dies letztlich nicht als Benachteiligung i. S. einer nur juristischen Doppelbesteuerung[6] angesehen, sondern vielmehr den Verstoß gegen die Grundfreiheiten bejaht. Die Verpflichtung, die persönlichen Verhältnisse des Stpfl. zu berücksichtigen, trifft dabei nicht den Quellenstaat, sondern den Ansässigkeitsstaat. Dementsprechend muss die jeweilige Anrechnungsformel auch diesen Verhältnissen Rechnung tragen, um nicht diskriminierend für ausl. gegenüber inländischen Einkünften zu wirken. Die Berücksichtigung muss dabei nicht in der Weise erfolgen, dass der Ansässigkeitsstaat eine Erstattung ausl. Steuern vornimmt.[7]

Eine Verpflichtung zur Vermeidung der Doppelbesteuerung gibt es nicht.[8]

 

Rz. 28b

I. d. R. werden Betriebsstätteneinkünfte nach dem jeweiligen DBA von der Besteuerung im Inland freigestellt. Ordnet nun innerstaatliches Recht anstelle der Freistellung die Anrechnung der ausl. Steuer an, so dürfen etwaige Anrechnungsüberhänge nicht verloren gehen, da anderenfalls innerhalb der EU eine Verletzung der Niederlassungsfreiheit gegeben wäre[9].

 

Rz. 29

Vor dem Hintergrund der folgenden Entscheidungen des EuGH begegneten bisherige Anrechnungsregeln europarechtlichen Bedenken, insbesondere könnte ein Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit vorliegen:

  • Nationale steuerliche Vergünstigungsregelungen, wie etwa ein Freistellungsbetrag, sind auch dann zu gewähren, wenn die Besteuerung der Erträge im Inland nicht gegeben ist.[10]
  • Grundsätzlich ist die Anrechnung auch dann zu gewähren, wenn im Inland ein Verlust erwirtschaftet wurde und deshalb keine Besteuerung erfolgt.[11] Nach deutschem Verständnis kommt hier nur die Regelung des § 34c Abs. 2 EStG zum Tragen, also der Abzug der ausl. Steuer und damit der Verlustvor- bzw. -rücktrag. Ob dies allerdings ausreicht, kann vor dem Hintergrund der ökonomischen Vorteilhaftigkeit der Anrechnung bezweifelt werden.[12]
  • Auch von Dritten gezahlte Steuern (die eigene KSt) sind anrechnungsfähig, soweit das nationale Recht zur Minderung der Doppelbelastung ein körperschaftsteuerliches Anrechnungsverfahren vorsieht.[13] Mit der Umstellung auf das klassische KSt-System in den Jahren 2000/2001 dürften die Auswirkungen auf die Anrechnungsregeln zeitlich begrenzt sein.
  • Ein Steuerabzug auf Basis der Bruttoerträge verstößt gegen die Niederlassungsfreiheit, wenn ein Inländer nur auf Basis der Nettoerträge besteuert wird.[14] Hieraus könnte der Schluss gezogen werden, dass die Anrechnung einer ausl. Steuer, die auf die Bruttoerträge erhoben wird, nicht dadurch gemindert werden darf, dass hinsichtlich der Bestimmung des Anrechnungshöchstbetrags auf die nach einer Nettogröße bestimmte inl. Steuer abgestellt wird. Die Regelung des § 34c Abs. 1 S. 3 EStG, mittels derer die ausl. Einkünfte als Nettogröße definiert werden, wäre dann nicht mit der Niederlassungsfreiheit zu vereinbaren. Der EuGH[15] hat bestätigt, dass die bisherige Ausgestaltung des Anrechnungshöchstbetrags gegen die Niederlassungsfreiheit verstößt, da im Nenner der Berechnungsformel die Summe der Einkünfte und nicht das zu versteuernde Einkommen steht. Dementsprechend haben Abzüge, die erst nach der Bildung der Einkünfte erfolgen, wie z. B. Sonderausgaben oder außergewöhnliche Belastungen, keine Auswirkungen auf den Anrechnungshöchstbetrag.[16] Die quotale Reduzierung der persönlichen Abzüge auf ausl. Einkünfte war nicht mehr haltbar, sodass der Gesetzgeber zum Handeln aufgerufen war[17]: Bei der Berechnung des Anrechnungshöchstbetrags darf im Nenner weder (wie derzeit) die Summe der Einkünfte noch das zu versteuernde Einkommen[18], sondern allein das um den Grundfr...

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