1 Bedeutung und Rechtsentwicklung

 

Rz. 1

Vereinbaren Ehegatten die sog. fortgesetzte Gütergemeinschaft, wird im Todesfall dem überlebenden Ehegatten zivilrechtlich ermöglicht, den gemeinschaftlichen Abkömmlingen ihren Anteil am Gesamtgut nicht sofort herausgeben zu müssen (Rz. 4). Steuerrechtlich ordnet § 28 EStG für diesen Fall an, dass alle in das Gesamtgut fallende Einkünfte dem überlebenden Ehegatten zuzurechnen sind (Rz. 14f.), was mit der weitgehenden Verwaltungsbefugnis des überlebenden Ehegatten (Rz. 5) begründet wird.[1] Kehrseite dessen ist die Kumulierung der Einkünfte bei einer Person (Rz. 15). Ohne § 28 EStG bliebe es grds. bei der durch die Zurechnung der Wirtschaftsgüter nach Maßgabe des § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO einhergehenden Verteilung der Einkünfte, womit sich die Steuerlast insgesamt reduzieren lässt (niedrige Progression, mehrmalige Freibeiträge). Weil die fortgesetzte Gütergemeinschaft in der Praxis aber fast keine Bedeutung mehr hat, hat auch § 28 EStG nahezu keine Anwendungsfälle mehr.

 

Rz. 2

§ 28 EStG war in nahezu inhaltsgleicher Form bereits in § 18 EStG 1920 enthalten und wurde in § 24 EStG 1925 übernommen. Die heutige Fassung geht auf § 28 EStG 1934 zurück und besteht seitdem in unveränderter Form.

[1] Egner/Geißler, Kanzler/Kraft/Bäuml/Marx/Hechtner, EStG, 2018, § 28 EStG Rz. 7 m. w. N.

2 Voraussetzungen

2.1 Fortgesetzte Gütergemeinschaft

 

Rz. 3

Die fortgesetzte Gütergemeinschaft (§§ 1483ff. BGB) ist eine besondere Form des ehelichen Güterstands der Gütergemeinschaft. Bei der Gütergemeinschaft wird das eingebrachte und später erworbene Vermögen der Ehegatten als Gesamtgut gemeinschaftliches Vermögen.[1] Beim Tod eines Ehepartners wird die Gütergemeinschaft grds. beendet und der Anteil des verstorbenen Ehegatten am Gesamtgut fällt in seinen Nachlass (§ 1482 Abs. 1 BGB). Die Ehegatten können jedoch durch Ehevertrag vereinbaren, dass die Gütergemeinschaft nach dem Tod eines Ehegatten zwischen dem überlebenden Ehegatten und den gemeinschaftlichen Abkömmlingen fortgesetzt wird (§ 1483 Abs. 1 S. 1 BGB).

 

Rz. 4

Diese Gestaltung beugt der vorzeitigen Aufteilung des Gesamtguts zwischen Ehegatten und Abkömmlingen vor und soll so dem Erhalt des Familienvermögens während der Lebenszeit des überlebenden Ehegatten dienen. Durch den Eintritt der fortgesetzten Gütergemeinschaft mit dem Tod eines Ehegatten wird vor allem das eheliche Gesamtgut (Rz. 6) zivilrechtlich am Nachlass "vorbeigeführt". Das Gesamtgut behält seine Identität als Gesamthandsgemeinschaft, in die kraft Gesetzes – vergleichbar einem Gesellschafterwechsel in einer OHG – die gemeinschaftlichen Kinder anstelle des verstorbenen Ehegatten unabhängig davon nachrücken, ob sie zugleich Erben geworden sind. Der Anteil des verstorbenen Ehegatten fällt nur erbschaftsteuerrechtlich (§ 4 Abs. 1 ErbStG), nicht zivilrechtlich in den Nachlass.

 

Rz. 5

Das Gesamtgut wird zwingend (§ 1518 BGB) vom überlebenden Ehegatten verwaltet (§ 1487 BGB), der darüber grundsätzlich frei verfügen kann. Lediglich für Geschäfte über das Gesamtgut im Ganzen, für Grundstücksgeschäfte und für Schenkungen ist die Zustimmung der Kinder erforderlich (§§ 1423ff BGB). Eine Auskunftspflicht trifft den überlebenden Ehegatten nicht. Ersatz wegen schuldhaft fehlerhafter Verwaltung können die Kinder erst nach dem Ende der fortgesetzten Gütergemeinschaft verlangen. Bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des überlebenden Ehegatten gehört das ganze Gesamtgut zur Insolvenzmasse.

 

Rz. 6

Zum Gesamtgut der fortgesetzten Gütergemeinschaft gehört außer dem bisherigen Gesamtgut der Gütergemeinschaft im Zeitpunkt ihrer Beendigung das Vermögen, das der überlebende Ehegatte aus dem Nachlass erhält, also auch Vermächtnis und Pflichtteil, ferner was er nach dem Eintritt der fortgesetzten Gütergemeinschaft erwirbt, insbesondere Nutzungen des Sonderguts, nicht aber des Vorbehaltsguts. Nicht zum Gesamtgut gehören das Vorbehaltsgut und das Sondergut des überlebenden Ehegatten[2].

 

Rz. 7

Der überlebende Ehegatte kann die Fortsetzung der Gütergemeinschaft ablehnen (§ 1484 BGB) oder jederzeit durch Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht oder durch Vertrag mit den anteilsberechtigten Abkömmlingen aufheben (§ 1492 BGB). Im Übrigen endet die fortgesetzte Gütergemeinschaft durch Tod des überlebenden Ehegatten (§ 1494 BGB), Wiederheirat des Überlebenden (§ 1493 BGB), Aufhebungsklage eines Abkömmlings (§ 1495 BGB)[3], Veräußerung des Gesamtguts (§§ 1488, 1423 BGB). Beim Tod eines Abkömmlings wächst sein Anteil den übrigen Abkömmlingen zu; sind solche nicht vorhanden, dem überlebenden Ehegatten. Im Übrigen wird die fortgesetzte Gütergemeinschaft mit den Abkömmlingen des Verstorbenen fortgesetzt (§ 1490 BGB). Auf den entstehenden Gewinn findet § 28 EStG keine Anwendung, weil die Vorschrift nur die laufenden Einkünfte betrifft .[4]

[1] Brudermüller, in Palandt, BGB, 2018, Einf. vor § 1415 BGB Rz. 1ff.
[2] Brudermüller, in Palandt, BGB, 2018, § 1485 BGB Rz. 3.

2.2 Tatsächliche Durchführung

 

Rz. 8

Die Rspr. schränkt den Anwendungsbereich des § 28 EStG in den...

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