1 Allgemeines

1.1 Bedeutung der Vorschrift

 

Rz. 1

Die Vorschrift dokumentiert rechtspolitische Entscheidungen, die in der historischen Entwicklung des ESt-Rechts von größter Bedeutung waren, heute aber als selbstverständlich erscheinen. Das moderne Besteuerungssystem bedingte den Übergang von der reinen Amtsermittlung mit polizeilichen Mitteln zur formalisierten Mitwirkung des Stpfl. aufgrund eines Erklärungssystems.[1]

 

Rz. 2

§ 25 Abs. 1 EStG normiert zunächst das Veranlagungsprinzip, das wegen des damit unvermeidlich verbundenen Eindringens in die persönlichen Verhältnisse des Stpfl., an das man sich heute weitgehend gewöhnt hat, historisch Gegenstand schärfster politischer Auseinandersetzungen war.[2] Der Begriff Veranlagung bezeichnet das förmliche Verfahren, in dem die Besteuerungsgrundlagen aufgrund einer Steuererklärung ermittelt werden und die Steuer durch Bescheid festgesetzt wird. Das Veranlagungsprinzip gewährleistet den Grundsatz der steuerlichen Lastengleichheit (Art. 3 Abs. 1 GG), indem es eine gleichmäßige Erhebung der Steuer im Besteuerungsverfahren sicherstellen soll.[3] Ferner sieht die Vorschrift die "Veranlagung nach der Vergangenheit", das sog. Vergangenheitsprinzip, vor. Gegenstand der Veranlagung ist danach das tatsächlich in der Vergangenheit bezogene Einkommen und nicht das (aufgrund vergangener Verhältnisse geschätzte) Zukunftseinkommen, wie dies z. B. noch nach dem preußischen EStG v. 24.6.1891 vorgesehen war[4], das aber auch heute noch bei der Festsetzung von Vorauszahlungen (§ 37 EStG) von Bedeutung ist.

 

Rz. 3

§ 25 Abs. 1 EStG legt außerdem als Ergänzung zu § 2 Abs. 7 EStG verfahrensrechtlich das Prinzip der Abschnittsbesteuerung fest.[5] Die Abschnittsbesteuerung schränkt das Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ein. Der Staat ist auf regelmäßig wiederkehrende Einnahmen angewiesen. Aus diesem Grund hat der Gesetzgeber entschieden, die Leistungsfähigkeit abschnittsweise zu bemessen und zu besteuern. Lediglich § 10d EStG lässt eine periodenübergreifende Betrachtung zu. Nach § 2 Abs. 7 S. 2 EStG sind die Besteuerungsgrundlagen für ihre Festsetzung jeweils für ein Kj. zu ermitteln (Ermittlungszeitraum). Daher sind auch Dauersachverhalte von der Finanzbehörde für jeden Vz neu zu ermitteln und zu würdigen.[6] Für jedes Kj. (Vz) ist daher ein gesonderter Steuerbescheid zu erlassen, dem die Besteuerungsgrundlagen unabhängig von der Behandlung in den Vorjahren oder in folgenden Vz zugrunde zu legen sind. Das Gesetz geht davon aus, dass Lebensbedarf und Einkommen in regelmäßigen Abständen anfallen und das Abschnittsprinzip daher der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit am nächsten kommt. Durch die Progression bedingte Belastungsunterschiede bei gleichen Einkommen, die in unterschiedlich langen Zeiträumen erzielt werden, werden grds. vernachlässigt.

 

Rz. 4

§ 25 Abs. 3 EStG enthält als Sonderregelung gegenüber den §§ 149ff. AO die grundsätzlich jeden Stpfl. treffende Pflicht, nach Ablauf des Vz eine eigenhändig unterschriebene ESt-Erklärung abzugeben (§ 90 AO). Die Erklärungspflicht wird durch § 56 EStDV teilweise eingeschränkt, und zwar auf die Fälle, in denen eine Veranlagung in Betracht kommt. § 150 AO (amtlich vorgeschriebener Vordruck) und § 60 EStDV (Bilanz, Einnahmenüberschussrechnung) enthalten Regelungen über Form und Inhalt der Steuererklärung und dieser beizufügende Unterlagen. Die Ermächtigungsgrundlage für die §§ 56, 60 EStDV enthält § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EStG. Zudem ist zu beachten, dass soweit durch Steuerabzug die ESt abgegolten wird, eine Veranlagung unterbleibt (§§ 43 Abs. 5, 46 EStG). Werden Einkünfte nach § 2 Abs. 1 Nr. 1–3 EStG erzielt, sind ESt-Erklärungen und Bilanzen grundsätzlich durch Datenfernübertragung zu übermitteln (§ 25 Abs. 4 S. 1 EStG).

 

Rz. 5

Ab dem Vz 2013 können Ehegatten/Lebensparter aufgrund der Änderungen durch das Steuervereinfachungsgesetz 2011 v. 1.11.2011[7] nach § 26 Abs. 1 S. 1 EStG nur noch zwischen der Einzelveranlagung (§ 26a EStG) und der Zusammenveranlagung (§ 26b EStG) wählen, wenn die jeweiligen Voraussetzungen erfüllt sind. Im Folgenden gelten die Ausführungen auch für eingetragene Lebenspartner(schaften).

Das "Gesetz zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts" v. 20.7.2017[8] ist am 1.10.2017 in Kraft getreten. Gleichgeschlechtliche Paare können seither keine Lebenspartnerschaften mehr begründen, sie können jedoch eine bereits bestehende Lebenspartnerschaft in eine Ehe umwandeln.[9] Die Umwandlung einer Lebenspartnerschaft nach § 20a LPartG in eine Ehe ist ein rückwirkendes Ereignis i. S. v. § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO.[10] Mit dem "Gesetz zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften" v. 11.12.2018[11] wurde in Art. 97 in § 9 Abs. 5 EGAO als Konsequenz auf das Urteil des FG Hamburg folgende Regelung aufgenommen: Wurde eine Lebenspartnerschaft bis zum 31.12.2019 gem. § 20a LPartG in eine Ehe umgewandelt, sind § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 un...

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