Rz. 45

Die Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung kann durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes durch Verwaltungsakt begründet werden. § 25 Abs. 3 S. 1 EStG enthält die grundsätzlich für alle Stpfl. bestehende gesetzliche Erklärungspflicht, die jedoch nach § 56 EStDV auf die Fälle, in denen eine Veranlagung überhaupt in Betracht kommt, eingeschränkt wird (Rz. 35). Stpfl. ist jede natürliche Person, die nach § 1 und § 1a EStG stpfl. ist. Erklärungspflichtig sind auch gesetzliche Vertreter und Vermögensverwalter. Mit der Abgabe der Steuererklärung kommt der Stpfl. seinen in § 90 AO geregelten allg. Mitwirkungspflichten nach. Wählen Ehegatten die Zusammenveranlagung nach § 26b EStG, müssen sie gem. § 25 Abs. 3 S. 2 EStG eine gemeinsame Steuererklärung abgeben, die von beiden eigenhändig zu unterschreiben ist. Bei einer Einzelveranlagung trifft jeden Ehegatten die Steuererklärungspflicht für seine Steuererklärung.

 

Rz. 46

Außerdem hat derjenige eine ESt-Erklärung abzugeben, der vom FA zur Abgabe aufgefordert wird (§ 149 Abs. 1 S. 2 AO). Diese Aufforderung ist nicht formbedürftig. Sie kann auch durch öffentliche Bekanntmachung (§ 149 Abs. 1 S. 3 AO) oder durch schlüssiges Verhalten[1] z. B. durch Zusendung von Steuererklärungsvordrucken erfolgen.

Eine Aufforderung zur Abgabe der Steuererklärung liegt auch dann vor, wenn das FA zusätzlich mir dem Aufforderungsschreiben ausführt, der Stpfl. möge das Schreiben mit einem entsprechenden Hinweis zurücksenden, falls er seiner Auffassung nach nicht zur Abgabe einer Steuererklärung verpflichtet sei.[2]

 

Rz. 47

Die Aufforderung zur Abgabe einer ESt-Erklärung ist ein Verwaltungsakt (§ 118 AO), der mit Zwangsmitteln durchgesetzt (§ 328 AO) und mit dem Einspruch angefochten werden kann (§ 347 AO).[3] Der BFH[4] beurteilt dies nicht anders, denn der Hinweis in seiner Entscheidung bedeutet nicht, dass kein Verwaltungsakt vorliegt, sondern dass der Verwaltungsakt nicht zu den in § 120 Abs. 1 AO genannten gehört. Auch die Aufforderung zur Einreichung von Anlagen ist ein Verwaltungsakt[5]; das gilt auch dann, wenn sich die Steuererklärungspflicht als solche bereits aus dem Gesetz ergibt.[6] Gesetzeskonkretisierende Aufforderungen zur Einreichung von Unterlagen stellen einen Verwaltungsakt dar.[7] Denn die abstrakte Pflicht zur Beifügung bestimmter Unterlagen bedarf einer Konkretisierung und Individualisierung durch einen Verwaltungsakt.[8] Erst dann kann die Abgabepflicht mit Zwangsmitteln nach den §§ 328ff. AO durchgesetzt werden. Aus diesem Grund hat m. E. die Aufforderung zur Einreichung von Anlagen einen Regelungsinhalt, der mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden kann. Die Aufforderung ist daher ein Verwaltungsakt. Die Erinnerung an eine Aufforderung ist mangels Regelungsgehalts hingegen kein Verwaltungsakt.[9]

 

Rz. 48

In der Praxis wird die Pflicht zur Erklärungsabgabe selten zwangsweise durchgesetzt. Die FÄ versuchen es zunächst mit dem Druckmittel des Verspätungszuschlags (§ 152 AO).[10] Führt auch dies nicht zum Erfolg, wählen sie regelmäßig den verfahrensrechtlich einfacheren Weg der Schätzung (§ 162 AO). Dagegen bestehen Bedenken, da das FA in erster Linie versuchen muss, die zutreffende Steuer zu ermitteln, was i. d. R. nur auf der Grundlage einer Steuererklärung geschehen kann.[11] Wird die Steuererklärung nach einem Schätzungsbescheid innerhalb der Einspruchsfrist nachgereicht, ist dies regelmäßig als Einspruch gegen den Schätzungsbescheid zu werten.[12] Auch wenn das FA einen Schätzungsbescheid erlassen hat, befreit dies nicht von der Abgabe der Erklärung.[13]

 

Rz. 49

Die Aufforderung zur Erklärungsabgabe steht im Ermessen (§ 5 AO) des FA.[14] Da die Erklärung erst der Ermittlung dienen soll, ob eine Steuerpflicht subjektiv und objektiv besteht, kann eine Anfechtung nicht schon dann Erfolg haben, wenn sich nachweisen lässt, dass eine Steuerpflicht nicht besteht. Die Aufforderung ist nicht ermessensfehlerhaft, wenn zumindest die Möglichkeit besteht, dass der Aufgeforderte stpfl. ist.[15] Die Entscheidung des FA, jemanden zur Abgabe einer Steuererklärung aufzufordern, wird vielmehr erst dann ermessensfehlerhaft, wenn – was wohl selten der Fall sein dürfte – bereits von vornherein erkennbar feststeht, dass eine Steuerpflicht gar nicht besteht[16] oder es zumindest an vernünftigen Verdachtsmomenten für die Steuerpflicht fehlt.[17] Die bloße Möglichkeit von Meinungsverschiedenheiten macht die Aufforderung zur Abgabe der Erklärung noch nicht rechtswidrig.[18] Die Aufforderung bedarf i. d. R. keiner Begründung (§ 121 Abs. 2 AO).

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