Rz. 39

Die Steuererklärung ist eine formalisierte Auskunft des Stpfl. (bzw. seines Vertreters), die dem FA die Feststellung der Besteuerungsgrundlagen und die Festsetzung der Steuer ermöglichen soll.[1] Sie ist primär eine Wissenserklärung, d. h. eine Aussage über der Erklärung zugrunde liegende Tatsachen und tatsächliche Verhältnisse.[2] Die Tatsachenerklärung ist regelmäßig mit rechtlichen Wertungen und Schlussfolgerungen verbunden, z. B. über die Qualifizierung von Einkünften oder über die Zuordnung von Ausgaben. Sie ist eine Urkunde und Beweismittel. Die Angaben in der ESt-Erklärung sind rechtlich nicht gleich zu qualifizieren. Sie sind Verfahrenshandlung oder Wissenserklärungen (Erklärung der für die Veranlagung erheblichen Tatsachen) sowie Willenserklärungen (über Antragsrechte oder Wahlrechte). An eine unrichtige Wissenserklärung bzw. eine unrichtige rechtliche Wertung ist weder der Stpfl. noch das FA gebunden. Der Stpfl. ist vielmehr verpflichtet, eine nachträglich erkannte Unrichtigkeit gegenüber dem FA zu berichtigen (§ 153 Abs. 1 AO).[3]

 

Rz. 40

Soweit in der Erklärung Anträge gestellt oder steuerliche Wahlrechte (Gestaltungsrechte) ausgeübt werden, enthält sie auch eine öffentlich-rechtliche Willenserklärung.[4] Diese kann auch nach Abgabe der Erklärung noch geändert werden, solange die Steuerfestsetzung nicht unanfechtbar oder unabänderbar ist. Voraussetzung ist jedoch, dass die Änderung nicht nach materiell-rechtlichen Regelungen ausgeschlossen ist, wie z. B. die Zustimmungserklärung des geschiedenen oder dauernd getrennt lebenden Ehegatten zum Realsplitting nach § 10 Abs. 1a Nr. 1 EStG.[5]

Das Zustimmungserfordernis in § 10 Abs. 1a Nr. 1 EStG räumt dem Empfänger (nur) die Möglichkeit ein, die Zustimmung von einem zivilrechtlichen Ausgleich abhängig zu machen. Macht der Empfänger davon keinen (zeitnahen) Gebrauch, geht das zu seinen Lasten. Es ist nicht unbillig, Unterhaltsleistungen beim Empfänger zu besteuern, wenn dieser seinen zivilrechtlichen Ausgleichsanspruch gegenüber dem Unterhaltsleistenden verspätet geltend macht und infolge der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über dessen Vermögen nicht mehr durchsetzen kann.[6]

 

Rz. 41

Bei der Abgabe der ESt-Erklärung handelt es sich um ein höchstpersönliches Gestaltungsrecht, das grds. von einem Dritten (Abtretungsempfänger oder Pfändungsgläubiger) nicht wahrgenommen werden kann.[7] Andererseits ist ständige Rspr., dass das Veranlagungswahlrecht beim Tod eines Ehegatten auf den oder die Erben übergeht und damit kein höchstpersönliches, sondern ein vererbliches Recht ist.[8] In der Insolvenz eines Ehegatten wird das Veranlagungswahlrecht mangels höchstpersönlicher Natur durch den Insolvenzverwalter ausgeübt.[9]

 

Rz. 42

Die Abgrenzung der Steuererklärung von sonstigen von der Finanzverwaltung geforderten Auskünften (§ 90 Abs. 1 AO) hat lediglich Bedeutung für den Verspätungszuschlag nach § 152 AO, der nur bei der unterlassenen bzw. verspäteten Abgabe einer Steuererklärung festgesetzt werden kann, nicht jedoch beim Unterlassen einer Auskunftserteilung.[10]

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