3.1 Grundsätzliches

 

Rz. 35

Die moderne, auf die individuellen Verhältnisse des einzelnen Stpfl. abstellende Besteuerung des Einkommens ist nur durch die Erfüllung der Erklärungspflicht durchführbar. Denn nur durch die Steuererklärung kann die Finanzverwaltung die für die Veranlagung erforderliche Tatsachenkenntnis erlangen. Die Erklärungspflicht ist Ausfluss der Mitwirkungspflicht gem. § 90 AO.[1] Da der Stpfl. staatliche Leistungen in Anspruch nimmt, darf ihm ein entsprechender finanzieller Beitrag auferlegt werden. Dazu ist die Abfrage von Daten unerlässlich. Die entsprechende Offenbarungs- und Deklarationspflicht des Stpfl. ist daher verfassungsrechtlich zulässig.[2]

 

Rz. 36

Die allgemeinen Grundlagen der Steuererklärungspflicht bilden die §§ 149153 AO. Für die Frage, wer verpflichtet ist, eine Steuererklärung abzugeben, verweist § 149 Abs. 1 S. 1 AO auf die Einzelsteuergesetze. Durch Gesetz v. 14.12.1984[3] wurden die Vorschriften über die Pflicht zur Abgabe von ESt-Erklärungen mit der Anfügung des § 25 Abs. 3 in das EStG aufgenommen.

 

Rz. 37

Durch § 56 EStDV (Ermächtigungsgrundlage § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EStG) wird die nach § 25 Abs. 3 EStG an sich umfassend geltende Pflicht zur Abgabe einer ESt-Erklärung auf die Fälle beschränkt, in denen eine Veranlagung in Betracht kommt. § 56 S. 2 EStDV verpflichtet den Stpfl. zur Abgabe einer ESt-Erklärung, wenn zum Schluss des vorangegangenen Vz ein verbleibender Verlustabzug festgestellt worden ist. Diese Verpflichtung gilt nur für den unmittelbar auf den festgestellten Verlustabzug folgenden Vz.[4]

 

Rz. 38

§ 60 EStDV (Ermächtigungsgrundlage § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EStG) regelt, welche Unterlagen bei Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich bzw. Einnahme-Überschussrechnung der ESt-Erklärung beizufügen sind (Rz. 80).

3.2 Rechtsnatur der Einkommensteuererklärung

 

Rz. 39

Die Steuererklärung ist eine formalisierte Auskunft des Stpfl. (bzw. seines Vertreters), die dem FA die Feststellung der Besteuerungsgrundlagen und die Festsetzung der Steuer ermöglichen soll.[1] Sie ist primär eine Wissenserklärung, d. h. eine Aussage über der Erklärung zugrunde liegende Tatsachen und tatsächliche Verhältnisse.[2] Die Tatsachenerklärung ist regelmäßig mit rechtlichen Wertungen und Schlussfolgerungen verbunden, z. B. über die Qualifizierung von Einkünften oder über die Zuordnung von Ausgaben. Sie ist eine Urkunde und Beweismittel. Die Angaben in der ESt-Erklärung sind rechtlich nicht gleich zu qualifizieren. Sie sind Verfahrenshandlung oder Wissenserklärungen (Erklärung der für die Veranlagung erheblichen Tatsachen) sowie Willenserklärungen (über Antragsrechte oder Wahlrechte). An eine unrichtige Wissenserklärung bzw. eine unrichtige rechtliche Wertung ist weder der Stpfl. noch das FA gebunden. Der Stpfl. ist vielmehr verpflichtet, eine nachträglich erkannte Unrichtigkeit gegenüber dem FA zu berichtigen (§ 153 Abs. 1 AO).[3]

 

Rz. 40

Soweit in der Erklärung Anträge gestellt oder steuerliche Wahlrechte (Gestaltungsrechte) ausgeübt werden, enthält sie auch eine öffentlich-rechtliche Willenserklärung.[4] Diese kann auch nach Abgabe der Erklärung noch geändert werden, solange die Steuerfestsetzung nicht unanfechtbar oder unabänderbar ist. Voraussetzung ist jedoch, dass die Änderung nicht nach materiell-rechtlichen Regelungen ausgeschlossen ist, wie z. B. die Zustimmungserklärung des geschiedenen oder dauernd getrennt lebenden Ehegatten zum Realsplitting nach § 10 Abs. 1a Nr. 1 EStG.[5]

Das Zustimmungserfordernis in § 10 Abs. 1a Nr. 1 EStG räumt dem Empfänger (nur) die Möglichkeit ein, die Zustimmung von einem zivilrechtlichen Ausgleich abhängig zu machen. Macht der Empfänger davon keinen (zeitnahen) Gebrauch, geht das zu seinen Lasten. Es ist nicht unbillig, Unterhaltsleistungen beim Empfänger zu besteuern, wenn dieser seinen zivilrechtlichen Ausgleichsanspruch gegenüber dem Unterhaltsleistenden verspätet geltend macht und infolge der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über dessen Vermögen nicht mehr durchsetzen kann.[6]

 

Rz. 41

Bei der Abgabe der ESt-Erklärung handelt es sich um ein höchstpersönliches Gestaltungsrecht, das grds. von einem Dritten (Abtretungsempfänger oder Pfändungsgläubiger) nicht wahrgenommen werden kann.[7] Andererseits ist ständige Rspr., dass das Veranlagungswahlrecht beim Tod eines Ehegatten auf den oder die Erben übergeht und damit kein höchstpersönliches, sondern ein vererbliches Recht ist.[8] In der Insolvenz eines Ehegatten wird das Veranlagungswahlrecht mangels höchstpersönlicher Natur durch den Insolvenzverwalter ausgeübt.[9]

 

Rz. 42

Die Abgrenzung der Steuererklärung von sonstigen von der Finanzverwaltung geforderten Auskünften (§ 90 Abs. 1 AO) hat lediglich Bedeutung für den Verspätungszuschlag nach § 152 AO, der nur bei der unterlassenen bzw. verspäteten Abgabe einer Steuererklärung festges...

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