Rz. 25

Die Veranlagung ist ein mehrstufiges förmliches Verfahren. Sie beginnt mit der Abgabe der Steuererklärung (§ 25 Abs. 3 EStG) durch den Stpfl. aufgrund derer die zuständige Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen für einen vorgegebenen Zeitraum (§ 2 Abs. 7 S. 2 EStG) ermittelt. Das Ermittlungsergebnis ist Grundlage der ESt-Festsetzung (§ 25 Abs. 1 EStG), die dem Stpfl. in Form eines Steuerbescheids verbunden mit einer Abrechnung bekannt gegeben wird (§ 155 AO). Aus der Fassung "wird … veranlagt" folgt die Rechtspflicht der Finanzbehörden, einen Stpfl. zu veranlagen, auch wenn er keine Steuererklärung abgibt, und dementsprechend ein Rechtsanspruch auf Veranlagung, soweit nicht das Gesetz selbst – insbesondere in § 46 EStG – Ausnahmen zulässt.[1] Diese Pflicht besteht auch dann, wenn die sich voraussichtlich ergebende ESt-Schuld Null beträgt, sei es, weil die Bemessungsgrundlage negativ ist, sei es, weil sich bei geringem zu versteuerndem Einkommen keine Steuerschuld ergibt. Nur wenn es an der Steuerpflicht selbst fehlt oder verfahrensrechtliche Hindernisse wie etwa der Eintritt der Festsetzungsverjährung nach den §§ 169ff. AO bestehen, kann die Veranlagung zulässigerweise abgelehnt werden. Reicht der Stpfl. eine formal wirksame ESt-Erklärung ein, ist das FA, wenn die übrigen Voraussetzungen gegeben sind[2], verpflichtet, eine Veranlagung durchzuführen.[3] Nicht ausreichend dafür ist lediglich die Einreichung des Mantelbogens ohne Angabe konkreter Besteuerungsgrundlagen.[4] Sind in den §§ 25ff. EStG oder in §§ 56 und 60 EStDV keine besonderen Regelungen enthalten, gelten für die Veranlagung die allgemeinen Regelungen in den §§ 85 bis 133 und 155 bis 177 AO. Die Erhebungs- und Vollstreckungsverfahren (§§ 218ff. AO) gehören nicht zum Veranlagungsverfahren. Der Anspruch auf Veranlagung unterliegt der Festsetzungsverjährung (§§ 169, 170 AO). Durch das G. v. 15.7.2013[5] hat der Gesetzgeber einen Abs. 8 in § 2 EStG eingefügt, wonach die Regelungen des EStG zu Ehegatten und Ehen auch auf (eingetragene) Lebenspartner und Lebenspartnerschaften anzuwenden sind. Das BVerfG[6] hat die §§ 26, 26b und 32a EStG für gleichheits- und deshalb verfassungswidrig angesehen, soweit Verheiratete und eingetragene Lebenspartner unterschiedlich behandelt werden. § 2 Abs. 8 EStG ist gem. § 52 Abs. 2a EStG auf alle noch offenen Fälle anwendbar. D. h. mit Blick auf die Festsetzungsverjährung (§§ 169ff. AO) – aus Sicht des Jahres 2013 – bei Erklärungspflicht und nicht abgegebener Erklärung rückwirkend bis Vz 2006 und für Fälle, in denen keine Erklärungspflicht bestand, rückwirkend bis Vz 2009. Am 1.10.2017 ist das "Gesetz zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts" (EheRÄndG) v. 20.7.2017[7] in Kraft getreten. Dies gibt in eingetragener Lebenspartnerschaft lebenden Stpfl. das Recht, ihre eingetragene Lebenspartnerschaft zivilrechtlich rückwirkend in eine Ehe umwandeln zu lassen (s. Rz. 5).[8]

 

Rz. 26

Lehnt das FA die Durchführung einer Veranlagung ab, sind Einspruch[9] und Verpflichtungsklage (§ 40 Abs. 1 FGO) möglich[10] wenn nicht gesetzlich eine Veranlagung unterbleibt (Rz. 29ff.). Lehnt das FA die Veranlagung nicht durch Bescheid ab, sondern bleibt schlicht nach Einreichung einer ESt-Erklärung untätig, ist Untätigkeitseinspruch nach § 347 Abs. 1 S. 2 AO zu erheben. Ein besonderes Interesse an der Veranlagung braucht grundsätzlich nicht dargetan zu werden; es folgt aus dem Rechtsanspruch. Ein Interesse an der Veranlagung besteht vor allem dann, wenn der Stpfl. die Anrechnung von die Steuerschuld übersteigenden Zahlungen (§ 36 Abs. 2 EStG) begehrt, um eine Erstattung zu erhalten (§ 36 Abs. 4 S. 2 EStG), oder wenn der Stpfl. im Ausland die Anrechnung der deutschen ESt begehrt und der ausl. Staat dafür den Nachweis der Veranlagung (und meist auch der Zahlung) verlangt.[11]

 

Rz. 27

Die Veranlagung erfolgt zeitlich nach Ablauf des Kj., was schon daraus folgt, dass der Steueranspruch erst mit Ablauf des Vz entsteht (§ 36 Abs. 1 EStG) und daher auch nicht früher verfahrensrechtlich realisiert werden kann. Einen spätesten Zeitpunkt vor Eintritt der Festsetzungsverjährung für die Veranlagung nennt das Gesetz nicht. Die Finanzbehörde hat die Veranlagung nach Möglichkeit zu beschleunigen. Der Stpfl. hat bei Nichtbeachtung des Beschleunigungsgebots verfahrensrechtlich nur die Möglichkeit des Untätigkeitseinspruchs (§ 347 Abs. 1 S. 2 AO) bzw. der Untätigkeitsklage (§ 46 Abs. 1 FGO). Materiell-rechtlich können bei pflichtwidrig verzögerter Bearbeitung u. U. Schadensersatzansprüche wegen Amtshaftung nach § 839 BGB bestehen.[12]

 

Rz. 28

Die Möglichkeit der Veranlagung endet mit dem Eintritt der Festsetzungsverjährung (§§ 169ff. AO).

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