Rz. 124

Zu den Veräußerungs- oder Aufgabegewinnen i. S. v. § 16 EStG gehören auch Gewinne aus der Veräußerung oder Aufgabe des gesamten Anteils eines Gesellschafters, der als Unternehmer (Mitunternehmer) des Betriebs anzusehen ist (Mitunternehmeranteil , § 16 Abs. 1 Nr. 2 EStG).

Der Gesetzeswortlaut beruht auf der Änderung durch das Gesetz v. 20.12.2001[1]. Damit wurde mit Wirkung für Veräußerungs- oder Aufgabevorgänge nach dem 31.12.2001 (§ 52 Abs. 34 S. 1 EStG) die Vorschrift dahingehend ergänzt, dass der gesamte Anteil veräußert bzw. aufgegeben sein muss. Die Veräußerung und Aufgabe von Bruchteilen eines Anteils sind seither im Gegensatz zur früheren Rechtspraxis[2] nicht mehr begünstigt[3]. Gesetzesmotiv für die Restriktion war die angestrebte Gleichbehandlung von Anteilsübertragung und Aufnahme eines Gesellschafters in ein bestehendes Einzelunternehmen gegen Entgeltzahlung in das Privatvermögen des bisherigen Einzelunternehmers. Letzteres ist ein nicht nach den §§ 16, 34 EStG begünstigter, sondern ein laufender Geschäftsvorfall[4].

 

Rz. 125

Der Begriff Mitunternehmeranteil ist nicht gesellschaftsrechtlich als selbstständiges Wirtschaftsgut "Gesellschaftsanteil", sondern steuerrechtlich als Zusammenfassung der Mitberechtigung an den im Gesamthandsvermögen der Gesellschaft stehenden Wirtschaftsgütern, ergänzt durch die eigenen, der Mitunternehmerschaft (Sonderbetriebsvermögen I) oder dem eigenen Anteil an ihr (Sonderbetriebsvermögen II) dienenden Wirtschaftsgüter, zu bestimmen.[5] Mitunternehmeranteil ist deshalb zunächst einmal die Summe der Anteile des Gesellschafters an den Wirtschaftsgütern der Mitunternehmerschaft.[6] Hinzuerworbene oder zusätzlich angewachsene Anteile vereinigen sich zu einem einheitlichen Mitunternehmeranteil.[7]

 

Rz. 126

Der Mitunternehmeranteil i. S. v. § 16 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG umfasst darüber hinaus aber auch etwaiges Sonderbetriebsvermögen des Gesellschafters[8]. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 16 EStG sind deshalb nur erfüllt, wenn auch die stillen Reserven im Sonderbetriebsvermögen anteilig aufgelöst werden, soweit es wesentliches Betriebsvermögen darstellt; dies ist regelmäßig bei Sonderbetriebsvermögen I (Wirtschaftsgüter, die unmittelbar dem Betrieb der Mitunternehmerschaft dienen) der Fall, kann aber auch bei Sonderbetriebsvermögen II (Wirtschaftsgüter, die der Beteiligung des Mitunternehmers dienen) zutreffen, etwa wenn erhebliche stille Reserven enthalten sind (Rz. 111a)[9].

Schädlich ist somit die Übertragung von wesentlichen Betriebsgrundlagen im Sonderbetriebsvermögen zum Buchwert in ein anderes Betriebsvermögen des Mitunternehmers[10]. Unschädlich ist das Zurückbehalten von Wirtschaftsgütern des Sonderbetriebsvermögens anlässlich der Veräußerung eines Mitunternehmeranteils, auch wenn sie zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen gehören, sofern sie ins Privatvermögen überführt werden. Ein solcher Vorgang ist zwar keine (tarifbegünstigte) Veräußerung eines Mitunternehmeranteils i. V. m. einer gewinnrealisierenden Entnahme, er ist jedoch – einschl. der Überführung des Sonderbetriebsvermögens ins Privatvermögen – als tarifbegünstigte Aufgabe des Mitunternehmeranteils zu beurteilen[11].

 

Rz. 127

Auch die unentgeltliche Übertragung eines Mitunternehmeranteils i. S. v. § 6 Abs. 3 EStG setzt voraus, dass sämtliche wesentlichen Betriebsgrundlagen auf den Erwerber übergehen[12], also auch das dazu gehörende Sonderbetriebsvermögen (§ 6 EStG Rz. 481). Werden anlässlich der unentgeltlichen Übertragung Wirtschaftsgüter zurückbehalten, die zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen gehören, liegt keine Mitunternehmeranteilsübertragung im Ganzen, wohl aber eine Aufgabe des Mitunternehmeranteils vor[13]. Allerdings kann etwa im Rahmen einer vorweggenommenen Erbfolge in der unentgeltlichen Übergabe des Betriebs unter Zurückbehaltung des Betriebsgrundstücks eine Betriebsverpachtung (Rz. 145) gesehen werden mit der Folge, dass das zurückbehaltene Grundstück noch Betriebsvermögen des Verpächters bleibt, solange keine Betriebsaufgabe erklärt wird[14].

 

Rz. 128

Der Mitunternehmeranteil kann sowohl Gegenstand einer Veräußerung nach § 16 Abs. 1 EStG als auch einer Aufgabe nach § 16 Abs. 3 EStG sein, obwohl der Mitunternehmeranteil bis zur Änderung des § 16 Abs. 3 S. 1 EStG durch das Gesetz v. 24.3.1999[15] in Abs. 3 der Vorschrift nicht besonders erwähnt war (Rz. 98)[16]. Mit "Aufgabe" des Mitunternehmeranteils sind nicht nur Vorgänge des Untergehens des Mitunternehmeranteils gemeint, etwa bei Vollbeendigung des Ausscheidens eines Gesellschafters aus einer zweigliedrigen Personengesellschaft (Rz. 168ff.), sondern in erster Linie Anteilsveräußerungen, die wegen Zurückbehaltung wesentlichen Sonderbetriebsvermögens von § 16 Abs. 1 Nr. 2 EStG nicht erfasst werden. Eine Aufgabe des Mitunternehmeranteils ist deshalb insbesondere anzunehmen, wenn mit der Veräußerung des Anteils die Entnahme des Sonderbetriebsvermögens mit wesentlichen Betriebsgrundlagen verbunden wird (Rz. 126).

Das Anwachsen einer Beteil...

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