Rz. 524

§ 15 Abs. 4 S. 3 EStG erweitert das Verlustausgleichs- und -abzugsverbot bei gewerblicher Tierzucht und Tierhaltung i. S. v. § 15 Abs. 4 S. 1 und 2 EStG auf Verluste aus betrieblich veranlassten (Wertpapier-, Devisen-, Zins- und Waren-)Termingeschäften. Diese Vorschrift ist durch das StEntlG 1999/2000/2002 v. 24.3.1999[1] mit Wirkung vom Vz 1999 für den gewerblichen Bereich i. S. v. § 15 Abs. 1 S. 1 EStG eingefügt worden. Gleichzeitig ist eine entsprechende Regelung durch das StEntlG 1999/2000/2002 in § 23 Abs. 3 EStG für Verluste aus privaten Termingeschäften geschaffen worden. In beiden Fällen ist das Verlustausgleichs- und -abzugsverbot allerdings kein totales, sondern nur ein eingeschränktes, demzufolge Verluste aus Termingeschäfte nur "nach Maßgabe des § 10d EStG" mit Gewinnen aus derartigen Geschäften verrechnet werden dürfen (Rz. 539, 532).

Regelungszweck ist die Verhinderung einer Verschiebung hochspekulativer Risikogeschäfte in den betrieblichen Bereich, um die in §§ 20 und 23 EStG bestehenden Beschränkungen zu umgehen.[2] Es ist unklar, ob die Norm der Missbrauchsvermeidung dient,[3] oder ob nicht viel mehr der Lenkungszweck verfolgt wird, auf Risiko-Anlagen (insb. im betrieblichen Bereich) insgesamt zu verzichten.[4] Die Norm ist verfassungsrechtlich wohl unbedenklich, da sie die Verlustverrechnung nur streckt und nicht völlig ausschließt.[5] Unklar ist allerdings, welchen Einfluss das derzeit anhängige Verfahren zu § 20 Abs. 6 S. 4 EStG auf die zukünftige Anwendbarkeit der Norm haben wird.[6]

 

Rz. 525

§ 15 Abs. 4 S. 4 EStG i. d. F. des Steuersenkungsgesetzes v. 23.10.2000[7] hat aus § 15 Abs. 4 S. 3 EStG die bereits seit dem 1.1.1999 geltenden Ausnahmen von dem Verlustausgleichs- und -abzugsverbot übernommen. Kreditinstitute, Finanzdienstleistungsinstitute und Finanzunternehmen können Verluste aus Termingeschäften ihres gewöhnlichen Geschäftsbetriebs in voller Höhe geltend machen. Diese Ausnahme gilt für andere Unternehmen nur für Termingeschäfte, die der Absicherung von Geschäften des gewöhnlichen Geschäftsbetriebs dienen. Sinn und Zweck der Regelung ist es, den Finanzplatz Deutschland nicht zu gefährden.[8] Wenngleich die Regelung dem bezeichneten Personenkreis erhebliche Vorteile gegenüber "normalen" Gewerbetreibenden verschafft, ist sie daher sachlich gerechtfertigt und im Ergebnis verfassungsgemäß.[9]

 

Rz. 526

Der nur schwer verständliche § 15 Abs. 4 S. 5 EStG ist durch das Gesetz zur Änderung des InvZulG 1999 v. 20.12.2000[10] angefügt worden. Nach dieser Vorschrift können Kreditinstitute, Finanzdienstleistungsinstitute und Finanzunternehmen Verluste aus Termingeschäften, die der Absicherung von Aktiengeschäften dienen, steuerlich nicht bzw. nur hälftig geltend machen, wenn ein entsprechender Gewinn nach § 8b Abs. 2 KStG gar nicht oder nach § 3 Nr. 40 Buchst. a und b EStG i. V. m. § 3c Abs. 2 EStG nur zu 60 % steuerpflichtig ist. Es handelt sich um eine Rückausnahme, die ungerechtfertigte Steuervorteile verhindern soll, die sich ergäben, wenn z. B. Kreditinstitute Gewinne steuerfrei vereinnahmen, aber Verluste steuerlich geltend machen können. Da die Gewinne von Finanzinstitutionen regelmäßig nach § 8b Abs. 7 KStG respektive § 3 Nr. 40 S. 3 EStG stpfl. sind, dürfte § 15 Abs. 4 S. 5 EStG in seinem praktischen Anwendungsbereich weitgehend eingeschränkt sein.

Anzuwenden ist § 15 Abs. 4 S. 5 gem. § 52 Abs. 32a EStG erstmals für Verluste des Jahres 2002.[11]

Rz. 527 bis 530 einstweilen frei

[1] BGBl I 1999, 402.
[3] BT-Drs. 14/23, 178.
[4] So auch Sorgenfrei, DStR 1999, 1928, 1934; a. A. Intemann, in H/H/R, EStG/KStG, § 15 EStG Anm. 1506.
[5] BVerfG v. 30.9.1998, 2 BvR 1818/91, BVerfGE 99, 88; BFH v. 28.4.2016, IV R 20/13, BFH/NV 2016, 1210; gl. A. Intemann, in H/H/R, EStG/KStG, § 15 EStG Anm. 1506.
[6] BFH v. 17.11.2020, VIII R 11/18, BFH/NV 2021, 1003: Vorlage zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des § 20 Abs. 6 S. 4 EStG an das BVerfG, AZ 2 BvL 3/21: Ein wesentlicher Unterschied zwischen beiden Normen besteht indes darin, dass in § 20 Abs. 6 S. 4 EStG auch der Verlustvortrag (§ 10d EStG) Beschränkungen unterliegt. Darüber hinaus hat der BFH in seiner Vorlage nicht nur Gleichheitsverstöße, sondern auch mögliche Verstöße gegen Art. 14 GG indiziert.
[7] BGBl I 2000, 1433.
[8] BT-Finanzausschuss, Protokoll Nr. 10 v. 19.1.1999, 73ff.
[10] BGBl I 2000, 1850.
[11] Dazu auch Frotscher, BB 2000, 2280.

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