Rz. 85

§ 3 Abs. 1 S. 1 UmwStG ist eine eigenständige steuerliche Ansatz- und Bewertungsvorschrift.[1] In der steuerlichen Schlussbilanz sind sämtliche bei der Verschmelzung übergehenden bilanzierungsfähigen aktiven und passiven Wirtschaftsgüter, einschließlich nicht entgeltlich erworbener und selbst geschaffener immaterieller Wirtschaftsgüter, anzusetzen.[2] Die eigenständigen Regeln gelten aber nur, wenn der gemeine Wert oder ein Zwischenwert anzusetzen ist. Bei Buchwertansatz sind die Gewinnermittlungsvorschriften der §§ 5ff. EStG anzuwenden, nicht aber die Bilanzierungsregeln des § 3 UmwStG. Da § 3 UmwStG nur Einzelbestimmungen enthält, gelten die Grundsätze der §§ 5ff. EStG auch für die steuerliche Schlussbilanz, soweit § 3 UmwStG keine Abweichungen vorschreibt bzw. zulässt. Zu beachten ist, dass sich die Ansatz- und Bewertungsvorschrift des § 3 Abs. 1 S. 1 UmwStG nicht auf das jeweilige einzelne Wirtschaftsgut, sondern auf die insgesamt übergehende Sachgesamtheit in Form des übergehenden Betriebsvermögens bezieht.

 

Rz. 86

In der steuerlichen Schlussbilanz sind kraft ausdrücklicher Regelung in § 3 Abs. 1 UmwStG bei Ansatz des gemeinen Werts oder von Zwischenwerten auch nicht entgeltlich erworbene und selbst geschaffene immaterielle Wirtschaftsgüter anzusetzen. Das Bilanzierungsverbot des § 5 Abs. 2 EStG gilt insoweit nicht. Des Weiteren sind auch etwaige steuerfreie Rücklagen, wie die § 6b-Rücklage, anzusetzen, wenn die Buchwerte fortgeführt werden oder ein Zwischenwert gewählt wird. Das ergibt sich aus § 4 Abs. 2 S. 1 UmwStG, der steuerfreie Rücklagen ausdrücklich erwähnt. Bei Fortführung der Buchwerte sind die steuerfreien Rücklagen unverändert fortzuführen, beim Zwischenwertansatz anteilig und beim Ansatz der gemeinen Werte in voller Höhe aufzulösen. Entsprechendes gilt auch für den steuerlichen Ausgleichsposten nach § 4g EStG.

 

Rz. 87

Die Ansatzverbote des § 5 EStG gelten für die steuerliche Schlussbilanz bei Wahl des gemeinen Werts oder von Zwischenwerten nicht. Werden in der steuerlichen Schlussbilanz gemeine Werte oder Zwischenwerte angesetzt, sind Ansatzverbote damit nicht vereinbar. Der Ausschluss der Ansatzverbote betrifft insbesondere Rückstellungen, z. B. Rückstellungen für Patentverletzungen nach § 5 Abs. 3 EStG, Jubiläumsrückstellungen nach § 5 Abs. 4 EStG oder Drohverlustrückstellungen nach § 5 Abs. 4a EStG. Sie sind mit ihrem wirtschaftlichen Wert zu passivieren.

 

Rz. 88

Auch stille Lasten verringern bei Ansatz des gemeinen Werts oder von Zwischenwerten den Wert des bei einer Verschmelzung übergehenden Vermögens. Die Finanzverwaltung geht, wenn sie die Nichtgeltung der Ansatzverbote des § 5 EStG für die steuerliche Schlussbilanz anordnet[3], von einer eigenständigen Passivierung der stillen Lasten aus. Folge ist, dass in der steuerlichen Schlussbilanz neben dem ungeschmälerten positiven Firmenwert die einzelnen stillen Lasten als Passivposten auszuweisen sind. Nach anderer Auffassung[4] ist, da der Ausweis eines negativen Firmenwerts nicht zulässig ist, in Höhe des übersteigenden Betrags neben einem Firmenwert von Null ein passiver Ausgleichsposten auszuweisen, der im Rahmen der Veräußerung oder Aufgabe des Betriebs aufzulösen ist. Gefolgt werden kann letzterer Auffassung nicht. Geht man davon aus, dass es sich bei der Verschmelzung um ein Veräußerungsgeschäft auf der Ebene des übertragenden und um ein Anschaffungsgeschäft auf der Ebene des übernehmenden Rechtsträgers handelt, sind in der steuerlichen Schlussbilanz des übertragenden Rechtsträgers – in dieser wird der Anschaffungsvorgang durch den übernehmenden Rechtsträger bereits abgebildet – für die einzelnen stillen Lasten, die aufgrund von Ansatz- und Bewertungsverboten bestehen, Passivposten zu bilden.[5] Für einen Ausweis im Rahmen des Firmenwerts fehlt eine gesetzliche Grundlage. Aufgrund der ausdrücklichen Regelung in § 3 Abs. 1 S. 2 UmwStG i. V. m. § 6a EStG sind stille Lasten bei Pensionsrückstellungen nicht berücksichtigungsfähig.[6]

 

Rz. 88a

Kommt es in Verschmelzungsfällen im Falle des Ansatzes zu gemeinen Werten oder zu Zwischenwerten bei Verpflichtungen, die beim übertragenden Rechtsträger Ansatzverboten, Ansatzbeschränkungen oder Bewertungsvorbehalten unterliegen, zu einem Aufwand, gilt § 4f EStG.[7] Keine Anwendung findet § 4f Abs. 1 S. 3 EStG, da danach die Aufwandsverteilung nur bei Veräußerungs- und Aufgabevorgängen i. S. d. §§ 14, 16 Abs. 1, 3 und 3a sowie § 18 Abs. 3 EStG unterbleibt.[8] Vorschriften des UmwG oder des UmwStG sind dort nicht genannt. Folge ist, dass sich der Aufwand beim übertragenden Rechtsträger zum steuerlichen Übertragungsstichtag nur i. H. v. 1/15 auswirkt. 14/15 werden außerbilanziell korrigiert. Beim übernehmenden Rechtsträger mindert sich der Bilanzgewinn nach § 4f Abs. 1 S. 7 EStG außerbilanziell in den folgenden 14 Wirtschaftsjahren jeweils um 1/15. Geltung hat beim übernehmenden Rechtsträger auch § 5 Abs. 7 EStG.[9]

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