Rz. 32

Schon vor der Einführung einer reichseinheitlichen KSt am 30.3.1920 wurde das Einkommen der juristischen Personen allgemein selbstständig besteuert. Die Besteuerung war in den EStG der Einzelstaaten geregelt. Die Doppelbelastung, die sich durch die Besteuerung des Gewinns bei der juristischen Person und der Ausschüttung beim Anteilseigner ergab, hatte wegen der verhältnismäßig niedrigen Steuertarife keine große wirtschaftliche Bedeutung.

 

Rz. 33

Durch das im Zuge der Erzbergerschen Finanzreform erlassene reichseinheitliche KStG v. 30.3.1920[1] wurde die Besteuerung der Körperschaften aus dem EStG herausgelöst und in einem selbstständigen Gesetz geregelt. An die Stelle der – zumindest für die unteren Einkommensbereiche – progressiv gestaffelten ESt trat eine proportionale KSt. Sie betrug für einbehaltene Gewinne 10 % und erhöhte sich für ausgeschüttete Gewinnteile um einen Zuschlag, der um bis zu 10 % dieser Beträge anstieg. Da auch der Einkommensteuertarif angehoben wurde – in der Spitze bis zu 60 % –, traten die Wirkungen der Doppelbelastung stärker hervor.

 

Rz. 34

Die folgenden Jahre brachten eine Zunahme der Körperschaftsteuerbelastung. Schon das Gesetz über Änderungen im Finanzwesen v. 8.4.1922[2] erhöhte den Körperschaftsteuersatz für nicht ausgeschüttete Gewinne von Erwerbsgesellschaften auf 20 % und für Gewinnausschüttungen um weitere 15 %. Die dadurch eingetretene Verstärkung der Doppelbelastung wurde aber z. T. dadurch gemildert, dass der Anteilseigner einen mit steigendem Einkommen von 15 % bis 10 % degressiv gestaffelten Teil der Ausschüttung auf die eigene Einkommen- oder KSt anrechnen konnte.

 

Rz. 35

Durch das KStG v. 10.8.1925[3] wurde der Steuerzuschlag für Gewinnausschüttungen abgeschafft und ein einheitlicher proportionaler Steuertarif für nicht ausgeschüttete und ausgeschüttete Gewinne eingeführt. Das Einkommen kleinerer Gesellschaften mit beschränkter Haftung sowie von Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften unterlag einem degressiven Staffeltarif. Die Anrechnung beim Anteilseigner wurde aufgehoben.

 

Rz. 36

Bei der Neuordnung des Steuerrechts im Jahr 1934 blieb die ungemilderte Doppelbelastung erhalten. Nachdem im KStG v. 16.10.1934[4] zunächst die Tarifermäßigung für Gesellschaften mit beschränkter Haftung und Genossenschaften weggefallen war, erhöhte sich die KSt in den folgenden Jahren stetig. Ab 1938 war sie mit steigendem Einkommen stufenweise gestaffelt. Nach Ende des zweiten Weltkrieges erreichte der Spitzensteuersatz aufgrund der Kontrollratsgesetzgebung 65 %. Da für ausgeschüttete Gewinne keine Entlastung vorgesehen war und der Einkommensteuerspitzensatz bis zu 95 % anstieg, wirkte sich die Doppelbelastung wirtschaftlich extrem aus.

 

Rz. 37

Erstmals durch das Gesetz v. 24.6.1953[5] wurde diese Doppelbelastung durch eine niedrigere Besteuerung der auf einem ordnungsgemäßen Gewinnverteilungsbeschluss beruhenden Ausschüttungen gemildert. Während der allgemeine Körperschaftsteuersatz ohne progressive Staffelung 60 % betrug, wurde das Einkommen in Höhe der berücksichtigungsfähigen Ausschüttungen mit nur 30 % belastet (gespaltener Steuersatz). Der ermäßigte Steuersatz blieb unverändert, als sich der allgemeine Körperschaftsteuersatz aufgrund des Gesetzes zur Neuordnung von Steuern v. 16.12.1954[6] auf 45 % ermäßigte.

 

Rz. 38

Eine wesentlich stärkere Milderung der Doppelbelastung durch einen noch niedrigeren Steuersatz für Ausschüttungen und einen weiter erhöhten Satz für einbehaltene Gewinne brachte schließlich das Gesetz v. 18.7.1958.[7] Mit Wirkung v. 1.1.1958 wurde der allgemeine Körperschaftsteuersatz auf 51 % und für berücksichtigungsfähige Ausschüttungen auf 15 % festgesetzt. Für personenbezogene Kapitalgesellschaften mit Einkommen bis zu 50.000 DM wurde ein progressiver Staffeltarif mit Steuersätzen von 39 % bis 59 %, bei personenbezogenen Kapitalgesellschaften mit Einkommen von mehr als 50.000 DM ein proportionaler Tarif mit einem Steuersatz von 49 % eingeführt. Die berücksichtigungsfähigen Ausschüttungen dieser Gesellschaften unterlagen einer KSt von 26,5 %.

 

Rz. 39

Durch Gesetz v. 31.8.1976[8] wurde das "klassische" Körperschaftsteuersystem mit gespaltenem Steuersatz aufgegeben und ab 1977 durch ein Vollanrechnungsverfahren ersetzt. Grundprinzip des Anrechnungsverfahrens war, dass die gesamte von der Körperschaft gezahlte KSt im Fall der Ausschüttung, letztlich im Fall der Liquidation der Körperschaft, bei dem Anteilseigner angerechnet wurde (daher "Vollanrechnungsverfahren"). Die von der Körperschaft gezahlte KSt wurde daher grundsätzlich nicht definitiv (von der KSt auf die nicht abziehbaren Ausgaben abgesehen), sondern hatte wirtschaftlich den Charakter einer Vorauszahlung auf die Steuer der Anteilsinhaber (zum Anrechnungsverfahren vgl. Rz. 80ff.).

 

Rz. 40

Durch Gesetz v. 23.10.2000[9] wurde das Halbeinkünfteverfahren eingeführt (zum Übergang von dem Anrechnungsverfahren Kommentierung zu §§ 36–40 KStG). Das Halbeinkünfteverfahren ist ein klassisches System mit einheitlichem Steuer...

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