Rz. 15

Das Verhältnis des Instituts der verdeckten Gewinnausschüttung zum Handelsrecht ist eine der wichtigsten systematischen Fragen des Rechts der verdeckten Gewinnausschüttung. Historisch gesehen hat sich die steuerliche Rspr. zur verdeckten Gewinnausschüttung soweit wie möglich an das Handelsrecht angelehnt bzw. handelsrechtliche Maßstäbe übernommen. Insbesondere gilt dies für

  • die Voraussetzung einer wirksamen zivilrechtlichen Vereinbarung für den beherrschenden Gesellschafter einschließlich des Verbots des Selbstkontrahierens,[1]
  • den Maßstab des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters zur Konkretisierung der gesellschaftsrechtlichen Veranlassung,[2]
  • das Bestehen und die Folgen eines handelsrechtlichen Wettbewerbsverbots bei Gesellschafter und Geschäftsführer.[3]
 

Rz. 15a

Ausgangspunkt für das Handelsrecht ist das Trennungsprinzip, das die eigene Vermögenssphäre der Kapitalgesellschaft begründet, und die daraus folgende gesetzliche Regelung, dass Vermögensübertragungen von der Kapitalgesellschaft auf den Gesellschafter nur in den handelsrechtlich dafür vorgesehenen Formen (Gewinnausschüttung, Kapitalherabsetzung, Liquidation) zulässig sind. Alle Vermögensübertragungen in anderen Formen sind bei der AG schlechthin unzulässig,[4] bei der GmbH insoweit, als hierdurch das Stammkapital beeinträchtigt wird.[5] Bei der Auslegung und Konkretisierung dieser Vorschriften haben BGH und Literatur[6] zunehmend auf das steuerrechtliche Institut der verdeckten Gewinnausschüttung zurückgegriffen. Es liess sich eine Tendenz erkennen, handelsrechtlich verbotene Einlagenrückgewähr und steuerrechtliche verdeckte Gewinnausschüttung als im Tatbestand identisch anzusehen.[7]

 

Rz. 16

Auf den ersten Blick erscheint ein solcher Gleichlauf von Handels- und Steuerrecht konsequent und aus systematischen Gründen erforderlich, weil es in beiden Bereichen um die Frage der Abgrenzung der Sphäre des Gesellschafters von der der Gesellschaft geht. Das jeweils zu lösende Problem scheint daher in beiden Rechtsgebieten identisch zu sein. Es wäre daher nur natürlich, und unter dem Gesichtspunkt der Einheit der Rechtsordnung empfehlenswert, die in dem einen Rechtskreis gewonnenen Erkenntnisse auch in den anderen zu übertragen, also im Steuerrecht an zivilrechtliche Grundbegriffe anzuknüpfen, und im Handelsrecht den im Steuerrecht entwickelten Begriff der verdeckten Gewinnausschüttung zu übernehmen.

 

Rz. 16a

Eine Übernahme von handelsrechtlichen Regelungen in das Steuerrecht und umgekehrt ist aber nur möglich, und führt nur dann zu angemessenen Ergebnissen, wenn die jeweils zu lösenden Probleme in ihrer Struktur gleich gelagert sind. Dazu muss insbesondere das Schutzobjekt das Gleiche oder jedenfalls vergleichbar sein. Eine Regelung, die ein bestimmtes Schutzobjekt hat und in diesem Kontext zu angemessenen Ergebnissen führt, stellt i. d. R. keine angemessene Regelung dar, wenn sie in den Kontext eines anderen Schutzobjekts gestellt wird.

 

Rz. 17

Das Schutzobjekt des Instituts der verdeckten Gewinnausschüttung ist die Besteuerung der Körperschaft nach ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Die Körperschaft soll nach § 8 Abs. 3 KStG so besteuert werden, wie es ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, ohne Berücksichtigung der Einkommensverwendung, entspricht. Daher darf eine verdeckte Einkommensverwendung das Einkommen nicht mindern, weil eine Vermögenszuwendung an den Gesellschafter aus gesellschaftsrechtlichen Gründen keine Minderung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit darstellt.[8] Außerdem darf auch eine aus gesellschaftsrechtlichen Gründen unterbliebene Vermögensmehrung die steuerlich zu erfassende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit nicht mindern. Die verdeckte Gewinnausschüttung schützt daher das Vermögen der Körperschaft, das sie hat oder haben könnte, aber nur insoweit, als es im Bereich der Ertragsteuern zur Bestimmung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit herangezogen wird. Im Ergebnis ist das Vermögen nur als Rechenposition zur Ermittlung des Vermögenszuwachses, der steuerpflichtigen Einkünfte und des zu versteuernden Einkommens relevant und daher geschützt. Der Aspekt der Deckung des Nennkapitals bleibt dabei völlig außer Betracht; das Nennkapital ist steuerrechtlich kein Schutzobjekt.

 

Rz. 17a

Das Schutzobjekt handelsrechtlicher Vorschriften über das Verbot der Einlagenrückgewähr ist dagegen anders.[9] Das wird insbesondere deutlich bei der GmbH, gilt aber auch für die AG. Das Schutzobjekt des § 30 GmbHG ist nicht das Vermögen oder eine Veränderung des Vermögens, sondern das Stammkapital. Das durch diese Vorschrift geschützte Vermögen ist daher begrenzt auf denjenigen Betrag, der erforderlich ist, um das Stammkapital zu erhalten.[10] Das Vermögen außerhalb des zur Deckung des Stammkapitals notwendigen Betrags hat aus der Sicht des § 30 GmbHG keine Bedeutung. Jedoch greifen zusätzlich besondere Schutzmechanismen ein, die jedoch nicht das Vermögen der GmbH schützen, sondern auf die Gleichbehandlung der Gesellschafter gerichtet ...

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