Rz. 23

Um feststellen zu können, ob ein einheitlicher Geschäftsbetrieb vorliegt, soll nach Abs. 1 S. 3 eine Gesamtbetrachtung von bestimmten qualitativen Merkmalen erfolgen. Durch diese kann nach Auffassung des Gesetzgebers ermittelt werden, ob die Tätigkeit von einer einheitlichen Gewinnerzielungsabsicht getragen ist und sich die Betätigung als nachhaltig, sich gegenseitig ergänzend und fördernd darstellt. Ob diese Vorgehensweise in der Praxis tatsächlich zum richtigen Ergebnis führt, scheint mehr als fraglich. Der klare Gesetzeswortlaut lässt aber insoweit keinen Auslegungsspielraum zu.

 

Rz. 24

Welche qualitativen Merkmale zu berücksichtigen sind, ist in § 8d Abs. 1 S. 4 KStG aufgezählt. Diese Aufzählung ist nicht abschließend, sondern nur beispielhaft.[1] Die dort genannten Merkmale sind aber bevorzugt ("insbesondere") zu betrachten, ohne dass damit ausgeschlossen wird, dass auch noch andere Merkmale zu berücksichtigen sind. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn ein Geschäftsbetrieb keines oder nur wenige der aufgezählten Merkmale aufweist (z. B. bei einer vermögensverwaltenden Tätigkeit).[2] Sofern die in § 8d Abs. 1 S. 4 KStG genannten Merkmale zu einem Ergebnis führen, kann dieses aber durch andere Merkmale widerlegt werden; insoweit ist eine Gesamtbetrachtung aller Merkmale vorzunehmen. In der Praxis dürfte der Gegenbeweis aber schwer zu erbringen sein.

 

Rz. 25

Die aufgezählten Merkmale ähneln denen, die in der GewSt bei natürlichen Personen für die Abgrenzung eines oder mehrerer Gewerbebetriebe angewendet werden.[3] In Anlehnung an die Abgrenzung bei der Gewebesteuer können auch weitere in diesem Zusammenhang angewendete Merkmale zu berücksichtigen sein, wie die Art der gewerblichen Betätigung, die Geschäftsleitung, die Betriebsstätte, die Zusammensetzung und Finanzierung des Aktivvermögens sowie die Gleichartigkeit /Ungleichartigkeit der Betätigungen und die Nähe/Entfernung, in der sie ausgeübt werden.

 

Rz. 26

Im Rahmen der erforderlichen Gesamtbetrachtung sind alle qualitativen Merkmale gemeinsam zu würdigen. Dabei hat eine Gewichtung der einzelnen Merkmale zu erfolgen. Keines der Merkmale kann alleine entscheidend sein, auch wenn je nach den Umständen im Einzelfall einem oder wenigen Merkmalen überwiegend Gewicht zukommen kann.[4] In der Praxis wird es bei den einzelnen Indizien Abgrenzungsschwierigkeiten geben, ebenso wie bei der Gesamtbeurteilung. Außerdem ist der Katalog der zu berücksichtigenden Merkmale nicht abschließend, sodass auch bei der Frage, welche Merkmale überhaupt zu berücksichtigen sind, Unsicherheiten bestehen. Allein aufgrund der Tatsache, dass die Merkmale nach außen treten, lässt sich m. E. keine Rechtssicherheit herleiten.[5]

 

Rz. 27

Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten ist die Beurteilung des Gesetzgebers, dass bestimmte Merkmale schädlich für die Verlustnutzung sein sollen, unverständlich.[6] Eine enge Auslegung der Merkmale des § 8d Abs. 1 S. 3, 4 KStG würde dazu führen, dass der Stpfl. in der Geschäftsentwicklung stark eingeschränkt wäre; in einigen Fällen wird er sie auch unmöglich machen. Insbesondere in Fällen, in denen eine Sanierung des Geschäfts notwendig ist, würde eine enge Auslegung diese unter Nutzung der Verluste fast unmöglich machen.[7] Eine Geschäftsentwicklung bzw. auch eine Veränderung in der Führung der Geschäfte ist aber häufig Voraussetzung, damit ein Verlustbetrieb profitabler wird. Wenn sich bei der Art, wie die Geschäfte geführt werden, nichts ändert, wird der Geschäftsbetrieb in aller Regel auch nicht von einem Verlustbetrieb zu einem profitablen Unternehmen werden können. Um diese wirtschaftlich unsinnigen und vom Gesetzgeber auch nicht gewollten Ergebnisse zu vermeiden, hat eine weite Auslegung zu erfolgen. Eine organische Weiterentwicklung des Geschäfts kann nicht schädlich für § 8d KStG sein.[8] Dies gilt insbesondere bei der Anpassung an neue Entwicklungen, geänderte Marktusancen, technischen Fortschritt, Digitalisierung, veränderte Wettbewerbssituationen etc.

[1] Braun/Kopp, DStR 2019, 1422, 1425.
[2] Roser, in Gosch, KStG, § 8d KStG Rz. 20.
[3] St. Rspr., zuletzt BFH v. 17.6.2020, X R 15/18, BFH/NV 2021, 117, BStBl II 2021, 157.
[4] Engelen/Bärsch, Der Konzern 2017, 22, 23.
[5] So aber die Arbeitsgruppe Weiterentwicklung der Regelungen zur Verlustverrechnung nach Anteilseignerwechsel (§ 8c KStG) in ihrem Bericht, FR 2017, 113ff.
[6] Ebenso zum Gesetzesentwurf Neyer, FR 2016, 928.
[7] Vgl. zur Kritik Röder, DStR 2017, 1737.
[8] Ebenso Röder, DStR 2017, 1737f.

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