Rz. 100

Nach der ursprünglichen Gesetzesfassung war Abs. 1 uneingeschränkt anwendbar, wenn die Übertragung innerhalb eines Konzerns erfolgte, sich die Beteiligung der Konzernmutter also wirtschaftlich nicht änderte. Das FG Berlin-Brandenburg hat für den Zeitraum vor der Einfügung der Konzernklausel in S. 5 den Anwendungsbereich der Vorschrift aufgrund einer teleologischen Interpretation reduziert, wenn die Maßnahme, im Streitfall eine Verschmelzung von Schwestergesellschaften, nur zu einer Verkürzung der Beteiligungskette führte.[1] Das FG stellte maßgeblich darauf ab, dass § 8c Abs. 1 KStG eine Vorschrift zur Verhütung von Missbräuchen sei, bei einer Verkürzung der Beteiligungskette aber kein Missbrauch zu erkennen sei. § 8c Abs. 1 KStG in seiner ursprünglichen, der Entscheidung des FG zugrunde liegenden Fassung war aber aufgrund des weiten Anwendungsbereichs dem Wortlaut nach keine Missbrauchsvermeidungsvorschrift.[2] Allerdings ist der Ansicht des FG, es läge eine planwidrige Lücke vor, die der Gesetzgeber so geschlossen hätte, wie das FG entschieden hat, hätte er diese Lücke erkannt, nicht zu folgen. Der Gesetzgeber hat durch Einfügung der Konzernklausel[3] zu erkennen gegeben, dass er allenfalls bei einer 100 %igen Beteiligung der Muttergesellschaft eine Nichtanwendung des § 8c Abs. 1 KStG für gerechtfertigt gehalten hat. In dem vom FG entschiedenen Fall waren aber zwei Muttergesellschaften beteiligt, die nicht miteinander verbunden waren, sodass die Beteiligung keiner der Muttergesellschaften 100 % betrug. Auch nach der Einführung der Konzernklausel wären die Verluste folglich untergegangen. Daher kann für den vom FG entschiedenen Fall keine Regelungslücke angenommen werden, sodass kein Raum für eine einschränkende Interpretation besteht.

 

Rz. 100a

Durch Gesetz v. 22.12.2009[4] ist in Abs. 1 S. 4 eine "Konzernklausel" eingefügt worden. Danach liegt kein schädlicher Beteiligungserwerb vor, wenn an dem übertragenden und dem übernehmenden Rechtsträger dieselbe Person unmittelbar oder mittelbar zu 100 % beteiligt ist. Erfasst werden alle Vorgänge, die nach Abs. 1 S. 1 – 3"schädlich" sind, also sowohl Anteilsübertragungen als auch Übertragungen der Stimmrechte und vergleichbare Vorgänge. Zweck der Regelung ist die Privilegierung solcher Anteilserwerbe, bei denen der Verlust (wirtschaftlich) nicht auf einen Dritten übergeht.[5]

 

Rz. 100b

Das Gesetz unterteilt die verschiedenen Tatbestände in 3 Gruppen:

  • der Erwerber der Beteiligung hält 100 % an dem übertragenden Rechtsträger, d. h. dem Veräußerer (Nr. 1);
  • der Veräußerer hält 100 % an dem übernehmenden Rechtsträger, d. h. dem Erwerber (Nr. 2);
  • sowohl an dem übertragenden als auch an dem erwerbenden Rechtsträger ist eine Person zu 100 % beteiligt.

Allen 3 Fällen ist gemeinsam, dass jeweils eine 100 %ige Beteiligung vorliegen muss, entweder des Erwerbers (Nr. 1), des Veräußerers (Nr. 2) oder an beiden (Nr. 3). Dabei kann die Person, die die Beteiligung hält, entweder eine natürliche oder juristische Person sein oder eine Personenhandelsgesellschaft. Ausreichend ist dabei stets eine unmittelbare oder mittelbare Beteiligung.

 

Rz. 101

Für Beteiligungen unter 100 % bleibt es bei der Anwendung des Abs. 1 S. 1–3 und damit bei dem Untergang der Verlustvorträge. Das Gesetz enthält insoweit keine Ausnahme, auch wenn die Verlustgesellschaft, der übertragende und der übernehmende Rechtsträger i. S. d. Konzernrechts zu demselben Konzern gehören.[6]

 

Rz. 102

Die Konzernklausel ist nach § 34 Abs. 7b S. 2 KStG nur anwendbar, wenn der Beteiligungserwerb, dessen Schädlichkeit infrage steht, nach dem 31.12.2009 erfolgt ist. Maßgeblich ist der Zeitpunkt des dinglichen Geschäfts, also der des Eigentumsübergangs der Anteile. Es genügt der Übergang des wirtschaftlichen Eigentums, das nach der hier vertretenen Auffassung einen "vergleichbaren Sachverhalt" darstellt.[7]

 

Rz. 103

Erfolgt der Beteiligungserwerb in mehreren Akten, ist die Zusammenrechnung der Erwerbe über 5 Jahre zu beachten. Ein Anteilserwerb fällt immer dann unter die "Konzernklausel", wenn er allein oder durch Zusammenrechnung mit früheren Erwerben "schädlich" i. S. d. Abs. 1 S. 1–3 ist.[8]

 

Rz. 103a

Maßgebend für die Anwendbarkeit der Konzernklausel ist, ob derjenige Beteiligungserwerb, der die Rechtsfolge des Abs. 1 auslösen soll, nach dem 31.12.2009 erfolgt ist. Nicht entscheidend ist, ob Beteiligungserwerbe, die für sich allein die Rechtsfolge des Abs. 1 S. 1 nicht ausgelöst haben, in der Zeit vor dem 1.1.2010 liegen.

 

Praxis-Beispiele:

Die A-AG ist zu jeweils 100 % an der X-GmbH und der Y-GmbH beteiligt. Die Y-GmbH ist zu 100 % an der Z-GmbH beteiligt, die Verlustvorträge ausweist. Im Jahr 2009 veräußert die Y-GmbH 50 % der Anteile an der Z-GmbH an die X-GmbH, im Jahr 2010 weitere 10 %.

Maßgebend für die Frage, ob der Beteiligungserwerb nach dem 31.12.2009 erfolgt und daher "unschädlich" ist, ist der Erwerb, der die Rechtsfolge eines mehr als 50 %igen Beteiligungserwerbs auslöst. Das ist der Erwerb der Beteiligung von 10 % im ...

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