Rz. 65

Der Tatbestand des § 8c Abs. 1 S. 1 KStG setzt weiter voraus, dass mehr als 50 % der Anteile am gezeichneten Kapital, der Mitgliedschafts-, Beteiligungs- oder Stimmrechte auf einen Erwerber übertragen werden oder dass ein Sachverhalt vorliegt, der einer solchen Übertragung entspricht.

Maßgebend für die Übertragung von Anteilen ist die Beteiligung am "gezeichneten Kapital". Es ist daher ohne Bedeutung, ob das Kapital eingezahlt ist oder noch aussteht. Auch Anteile, die noch nicht voll eingezahlt sind, sind in Höhe der nominellen Beteiligung am gezeichneten Kapital zu berücksichtigen.

 

Rz. 65a

Der Tatbestand setzt voraus, dass der Erwerber durch die Übertragung mehr als 50 % der Anteile bzw. der Stimmrechte hinzuerworben hat. Mehrere Übertragungen werden in einem Zeitraum von 5 Jahren zusammengerechnet.[1] Ebenfalls zusammengerechnet werden die Wirkungen einer "Übertragung" und eines "vergleichbaren Sachverhalts" sowie die Wirkungen der Übertragung von Anteilen und der von Stimmrechten.[2]

 

Rz. 65b

Da der Erwerb von mehr als 50 % der Anteile bzw. Stimmrechte genügt, ist nicht Voraussetzung, dass der Erwerber die Körperschaft beherrscht oder beherrschen kann. Die Rechtswirkungen des § 8c Abs. 1 KStG treten unabhängig von einer tatsächlichen Beherrschung ein. Das BVerfG hat in seinem Beschluss zwar angedeutet, dass ein Verlustuntergang nur dann gerechtfertigt werden kann, wenn der neue Anteilseigner tatsächlich eine ihm zustehende Einflussmöglichkeit ausübt. Dieses Erfordernis hat aber im Wortlaut der Norm keinen Niederschlag gefunden. Es wird ausschließlich auf die Beteiligungshöhe bzw. die Stimmrechte abgestellt. Mit dem Erwerb der Stimmrechte wird damit unterstellt, dass die damit zusammenhängenden Einflussnahmemöglichkeiten auch ausgeübt werden. Der Gesetzgeber geht wohl davon aus, dass wenn von den Möglichkeiten des § 8d KStG kein Gebrauch gemacht wird, dies auf Betreiben des Mehrheitsanteilseigners erfolgt. Dieser Auffassung ist m. E. nicht zu folgen. Außerdem können auch Anteile ohne Stimmrechte übertragen werden; in diesen Fällen hat der Erwerber gar nicht die Möglichkeit, Einfluss auszuüben.

 

Rz. 65c

Die Grenze von mehr als 50 % ist eine fixe Grenze, die durch Auslegung weder erweitert noch vermindert werden kann. Geringfügiges Überschreiten der Grenze (50,01 %) schadet daher. Andererseits konstituiert es keinen Rechtsmissbrauch nach § 42 AO, wenn der Stpfl. die Grenze ausnutzt, also genau 50 % erwirbt; dann ist die Vorschrift nicht anwendbar.

 

Rz. 66

Wenn der Erwerber innerhalb des Zeitraums von fünf Jahren mehr als 50 % der Anteile oder Stimmrechte erwirbt oder ein vergleichbarer Sachverhalt vorliegt, gehen die gesamten steuerlichen Verluste der Gesellschaft unter.

Dieser Grenze von mehr als 50 % liegt das "change-of-control-Konzept" zugrunde. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass eine Beteiligung von mehr als 50 % der Anteile oder der Stimmrechte i. d. R. die Kontrolle über die Gesellschaft vermittelt. Unbeachtlich ist bei dieser Sichtweise, ob der Erwerber auch tatsächlich die Kontrolle ausübt. Als Folge einer solchen Übertragung gehen die Verlustvorträge steuerlich vollständig verloren.

Die Übertragung von mehr als 50 % muss an den gleichen Erwerber, ihm nahestehende Personen oder an eine Personengruppe mit gleichgerichteten Interessen erfolgen. Die Übertragung an zwei oder mehr Erwerber, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen, fällt daher nicht unter die Regelung, selbst wenn die Übertragungen insgesamt mehr als 50 % erreichen.[3]

 

Rz. 67

Maßgebend für die Frage, ob die Grenze von 50 % überschritten ist, ist das Verhältnis der Beteiligung zum gezeichneten Kapital bzw. der übertragenen Stimmrechte zu den gesamten Stimmrechten, nicht das Verhältnis zu der vor dem Erwerb bestehenden Beteiligung (zu eigenen Anteilen vgl. Rz. 56). Die Anteilsübertragung auf den Erwerber muss also mehr als 50 %, bezogen auf das gezeichnete Kapital (die Stimmrechte), betragen.

 
Praxis-Beispiel

A hält an der Verluste ausweisenden A-GmbH eine Beteiligung von 50 %. Er erwirbt weitere 25 % hinzu. Maßgebend ist, dass diese Beteiligung 25 % des gezeichneten Kapitals, also nicht "mehr" als 25 % beträgt. Nicht maßgebend ist, dass er seine Beteiligung, bezogen auf die ihm vorher zustehende Beteiligung von 50 %, um 50 % erhöht.

Bei der Übertragung von Genussrechten (vgl. Rz. 21) ist die Höhe der Beteiligung am Gewinn und dem Liquidationsvermögen maßgebend; diese muss mehr als 50 % betragen.

 

Rz. 67a

Nach Verwaltungsauffassung[4] sollen die Quoten der erworbenen Anteile unterschiedlich berechnet werden, wenn Stammaktien oder stimmrechtslose Vorzugsaktien erworben werden. Dabei soll für die Berechnung der Quote der Stammaktien auf das Verhältnis zu dem stimmberechtigten Kapital, für die Quote der Vorzugsaktien dagegen auf das Verhältnis zum gesamten Stammkapital abgestellt werden. Außerdem sollen die Quoten von Stammaktien und stimmrechtslosen Vorzugsaktien nicht addiert werden.

 
Praxis-Beispiel

Die A-AG verfügt über Stammaktien mit einem Nennk...

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