Rz. 11

Die Vorschrift beschränkt den Verlustabzug bei Körperschaften. In der Literatur wird die Ansicht vertreten, dass es für Personengesellschaften und Einzelgewerbetreibende keine entsprechenden Vorschriften gebe. Es handle sich daher um ein benachteiligendes Sonderrecht für Körperschaften. Außerdem ignoriere die Vorschrift das Prinzip der Selbstständigkeit der Körperschaft. § 8c Abs. 1 KStG verstoße gegen das objektive Nettoprinzip und damit gegen Art. 3 GG, da er eine willkürliche, nicht durch sachgerechte Erwägungen gerechtfertigte Benachteiligung darstelle.[1]

Bei der Frage der Vereinbarkeit mit höherangigem Recht darf m. E. nicht isoliert auf die Regelung des § 8c KStG geschaut werden. Vielmehr ist die Gesamtsystematik der Verlustverrechnung zu berücksichtigen. Dazu gehören auch die anderen Normen, die die Verlustberücksichtigung regeln. Damit sind insbesondere § 10d EStG und § 8d KStG mit in die Beurteilung einzubeziehen.

 

Rz. 11a

Verfassungsrechtliche Bedenken können sich aus 2 Richtungen ergeben, nämlich

  • Bedenken, die sich gegen § 8c KStG unmittelbar richten, d. h. gegen die Möglichkeit, dass Verluste verfallen, sich also steuerlich nicht auswirken. Dies wird im Folgenden geprüft.
  • Bedenken aus dem Zusammenwirken der Mindestbesteuerung nach § 10d Abs. 2 EStG mit § 8c KStG, wenn die Gewinne der Körperschaft zum Ausgleich der Verluste ausgereicht hätten, dies aber wegen der Verlustabzugsbeschränkung des § 10d Abs. 2 EStG bis zur Liquidation der Körperschaft nicht möglich war. Diese Bedenken richten sich unmittelbar gegen § 10d Abs. 2 EStG und nur mittelbar gegen § 8c KStG. Der BFH[2] hat insoweit ernstliche Zweifel hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit des § 10d Abs. 2 EStG geäußert. Allerdings hat der BFH eine Streckung der Verlustabzugsmöglichkeit, die den Kernbereich des Verlustabzugs nicht berührt, nicht für verfassungswidrig gehalten, und zwar auch dann nicht, wenn sich die Gefahr, dass Verluste nichtabzugsfähig werden, wegen der Möglichkeit der Liquidation oder eines schädlichen Anteilserwerbs nach § 8c KStG erhöht[3]; die Verfassungswidrigkeit hat der BFH allenfalls dann für möglich gehalten, wenn Verluste aufgrund der Mindestbesteuerung nach § 10d EStG nicht mehr abgezogen werden können, dies aber offen gelassen. Der endgültige Untergang von Verlustvorträgen könnte noch eine zulässige Folge der typisierenden Regelung der Mindestbesteuerung sein, wobei Einzelfälle über § 163 AO gelöst werden könnten.[4] Sollte das BVerfG insoweit eine Verfassungswidrigkeit annehmen, müsste § 10d EStG geändert werden, etwa in der Form, dass der volle Verlustabzug für die Jahre vor einem schädlichen Beteiligungserwerb rückwirkend ermöglicht werden müsste. Da sich diese Bedenken nicht unmittelbar gegen § 8c KStG richten, wäre eine Änderung des § 8c KStG nicht notwendig. Daher wird diese Frage hier nicht weiter verfolgt.[5]
 

Rz. 11b

Bei der Prüfung eines Verstoßes gegen Art. 3 GG ist zuerst die Frage nach der maßgebenden Vergleichsgruppe zu stellen. Diese Frage wird in der in Rz. 11 zitierten Literatur fast vollständig ignoriert. Vergleichsgruppe können einerseits natürliche Personen bzw. Personengesellschaften, andererseits andere Körperschaften sein. Der Gesetzgeber kann dabei entscheiden, welche Sachverhalte er gleich behandeln will. Dies kann aber nur insoweit gelten, wie sich die Gleichheit oder Ungleichheit der Sachverhalte nicht bereits aus anderen Regelungen ergibt. In solchen Fällen kann der Gesetzgeber die Vergleichsgruppe nicht mehr frei wählen, sondern muss sich innerhalb der Regelungssystematik und den sich daraus ergebenden Gruppen von Regelungsbereichen bewegen. Das BVerfG stellt zudem richtigerweise darauf ab, dass die Wahl der Vergleichsgruppe trotz der gesetzgeberischen Freiheit sachgerecht sein muss.[6]

Dabei hat der Gesetzgeber einen weiten Entscheidungsspielraum und darf auch generalisieren, typisieren und/oder pauschalieren, da nicht jeder Einzelfall gesondert gesetzlich geregelt werden kann. Allerdings steigen die Anforderungen an die Auswahl der Vergleichsgruppe, je weniger der Steuerpflichtige Einfluss darauf hat. Bezogen auf die Regelung des § 8c KStG bedeutet dies m. E., dass der Entscheidungsspielraum für den Gesetzgeber vergleichweise eng ist, da der Steuerpflichtige nur sehr begrenzt – im Sinne einer unternehmerischen Entscheidung – darauf Einfluss hat, ob Verluste erzielt werden. Auf die Anteilsübertragung wird die Verlustkörperschaft regelmäßig ebenfalls nur sehr geringen Einfluss haben. Bei einer Typisierung darf der Gesetzgeber zudem nicht von einer atypischen Konstellation ausgehen.

 

Rz. 11c

Die Sicht des Gesetzgebers, dass die hinter der Körperschaft stehende Person wirtschaftlich der eigentliche Nutznießer der Verlustvorträge sei, und dies die Sonderregelung für Körperschaften rechtfertigt, ist nicht schlechthin sachwidrig. Der Gesetzgeber kann den Vergleich des mittelbar Verlustberechtigten mit der natürlichen Person als Einzelgewerbetreibendem oder Gesellschafter einer Personengesell...

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