Rz. 8

Die ursprünglich mit dem Schlagwort "Mantelkauf" bezeichnete Regelung des Verlustabzugs von Körperschaften ist im Laufe der Zeit mehrfach geändert worden. Zunächst hatte die höchstrichterliche Rspr. den Verlustabzug jahrzehntelang in der "Mantelkaufrechtsprechung" nicht nur von der rechtlichen, sondern auch von der wirtschaftlichen Identität zwischen dem den Verlust erzielenden und dem den Verlustabzug beanspruchenden Rechtsgebilde abhängig gemacht und ihn in Fällen des Mantelkaufs mit der Begründung abgelehnt, die wirtschaftliche Identität sei nicht gewahrt.[1] Ein schädlicher Mantelkauf wurde angenommen, wenn

  • die Anteile an einer Kapitalgesellschaft von den bisherigen Anteilseignern auf neue Anteilseigner übertragen wurden,
  • die Gesellschaft, deren Anteile veräußert wurden, liquidations- oder löschungsreif war und
  • die neuen Anteilseigner die löschungsreife Kapitalgesellschaft durch Zuführung neuer Mittel zu neuem wirtschaftlichen Leben erweckten.
 

Rz. 9

Dann änderte sich die Rspr.[2] dahingehend, dass die Geltendmachung des Verlustabzugs entsprechend der zivilrechtlichen Gestaltung nur von der rechtlichen, nicht dagegen von der wirtschaftlichen Identität abhängig sein sollte. Damit wurde der Verlustabzug auch in den Fällen des Mantelkaufs ermöglicht. Dies veranlasste den Gesetzgeber, den Verlustabzug durch die Körperschaft gesetzlich zu regeln. Durch das Gesetz v. 25.7.1988[3] wurde § 8 Abs. 4 KStG a. F. eingefügt, der den Verlustausgleich und den Verlustabzug bei Fortfall der wirtschaftlichen Identität der Körperschaft ausschloss. Die Regelung wurde durch Gesetz v. 29.10.1997[4] verschärft.

 

Rz. 10

§ 8 Abs. 4 KStG a. F. hat sich jedoch als kompliziert und streitanfällig erwiesen. Insbes. das Merkmal "Zuführung überwiegend neuen Betriebsvermögens" hat schwierige Rechtsfragen aufgeworfen. Durch Gesetz v. 14.8.2007[5] wurde die Regelung daher neu gefasst und in eine eigene Vorschrift, § 8c KStG, eingestellt. Dabei wurde auf das Merkmal "Zuführung überwiegend neuen Betriebsvermögens" verzichtet. Da nunmehr nur noch auf die Übertragung von Anteilen abgestellt wird, erweitert die Neuregelung den Anwendungsbereich des Verlustabzugsausschlusses entscheidend. Auch in weiteren Punkten wurde die Regelung gegenüber § 8 Abs. 4 KStG a. F. verschärft; dies gilt z. B. für den anteiligen Verfall der Verlustvorträge schon bei Übertragung von mehr als 25 % der Anteile.

 

Rz. 10a

§ 8c KStG wurde zwischenzeitlich mehrfach geändert:

  • Durch Gesetz v. 12.8.2008[6] wurde die Vorschrift um einen Abs. 2 erweitert, der eine Ausnahme für Anteilserwerbe unter Beteiligung von Wagniskapitalbeteiligungsgesellschaften vorsah. Die Vorschrift sollte erst in Kraft treten, wenn die darin zu sehende Beihilfe von der EU-Kommission genehmigt wurde. Die EU-Kommission hat ihre Genehmigung jedoch verweigert, sodass die Regelung nicht in Kraft getreten ist. Abs. 2 ist dadurch gegenstandslos geworden. Nach Abs. 2 hing die Abzugsfähigkeit des Verlusts, zeitlich gestreckt, vom Vorhandensein und Ausmaß stiller Reserven bei der Zielgesellschaft ab.[7] Infolge der Einführung der allgemein geltenden "Stille-Reserven-Klausel" in Abs. 1 S. 6 dürfte die Sonderregelung für Wagniskapitalbeteiligungsgesellschaften in Abs. 2 auch überflüssig geworden sein.
  • Durch § 14 Abs. 3 des Gesetzes v. 17.10.2008[8] wurde bestimmt, dass § 8c KStG, ebenso wie § 10a GewStG, auf den Erwerb von Beteiligungen durch den Finanzmarktstabilisierungsfonds und auf die Rückübertragung dieser Beteiligungen nicht anwendbar ist.
  • Durch Gesetz v. 16.7.2009[9] wurde ein neuer Abs. 1a mit einer Sanierungsklausel eingefügt. Diese kam zunächst nicht zur Anwendung, da sie von der EU-Kommission als verbotene Beihilfe eingestuft worden war. Mit den Urteilen vom 28.6.2018[10] hat der EuGH als Gericht zweiter Instanz entschieden, dass die Norm nicht als verbotene Beihilfe anzusehen ist.
  • Durch Gesetz v. 22.12.2009[11] wurde in Abs. 1 der konzerninterne Beteiligungserwerb aus dem Anwendungsbereich der Regelung ausgenommen und der Verlustabzug zugelassen, soweit die Verluste die stillen Reserven nicht übersteigen. Außerdem wurde durch Änderung des § 34 Abs. 7c KStG die zeitliche Beschränkung der Anwendung des Abs. 1a aufgehoben.
  • Durch Gesetz v. 8.12.2010[12] wurden Lücken in der Regelung des Abs. 1 geschlossen. So wurden durch Änderung des S. 6 a. F. (nunmehr S. 5) stille Reserven in ausl., im Inland aber steuerpflichtigem Betriebsvermögen einbezogen. Ein neuer S. 8 schafft eine besondere Regelung bei negativem Eigenkapital bei der Körperschaft. Die Neuregelungen sind mangels einer gesonderten Regelung nach § 34 Abs. 1 KStG ab Vz 2010 anzuwenden.
  • Durch Beschluss des BVerfG v. 29.3.2017[13] ist die Regelung des § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG als verfassungswidrig eingestuft worden. Nach Auffassung des BVerfG verstößt sie gegen das Willkürverbot und damit gegen den allg. Gleichheitssatz gem. Art. 3 GG. Der Gesetzgeber hat darauf reagiert und die Rechtsfolgen dieser Regelung mit dem Gesetzentwurf vom 24.9.2018 ("Entwurf ...

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