Rz. 14

Die Zinsschranke nach § 4h EStG, § 8a KStG differenziert nicht nach inl. oder ausl. Betrieben, nach inl. oder ausl. Darlehensgebern und nicht nach innerstaatlichen oder grenzüberschreitenden Darlehensverhältnissen. Es liegt daher keine, auch keine verdeckte Diskriminierung vor, sodass ein Verstoß gegen die Grundfreiheiten des AEUV schon im Tatbestand zu verneinen ist. Die Behauptung, dass weit überwiegend grenzüberschreitende Unternehmen betroffen seien, nicht aber rein inl. Unternehmen[1], und dass die Vorschrift daher gegen die Niederlassungsfreiheit verstoße, ist empirisch nicht gesichert und schon dadurch widerlegt, dass die bisher vorliegenden Gerichtsentscheidungen auch reine Inlandsfälle betreffen.[2] Eine Erschwerung (Beschränkung) der Finanzierung reicht für einen Verstoß gegen die Grundfreiheiten nicht aus, wenn damit nicht auch eine Diskriminierung grenzüberschreitender Verhältnisse verbunden ist.[3] Dass Anlass der Regelung grenzüberschreitende Finanzierungsgestaltungen waren, führt nicht zu einer Diskriminierung, da die Regelung, wie sie tatsächlich Gesetz geworden ist, nicht zwischen inl. und grenzüberschreitenden Finanzierungen unterscheidet.[4] Auch die Ausnahmeregelungen (Kleinbetragsregelung, fehlende Konzernzugehörigkeit, Escape-Klausel) differenzieren insoweit nicht.[5] Im Ergebnis liegt keine Ungleichbehandlung vor, da nationale und grenzüberschreitende Fälle gleich behandelt werden. Vorsorglich wird darauf hingewiesen, dass eine Ungleichbehandlung nicht als Aufteilung der Besteuerungsrechte gerechtfertigt wäre.[6] Bei § 4h EStG bzw. § 8a KStG geht es nicht um eine Aufteilung der Besteuerungsrechte, sondern um ein einseitiges Verbot des Abzugs von Zinsaufwendungen, um eine Erosion des nationalen Steueraufkommens zu verhindern. Dies kann aber nicht mit der Aufteilung der Besteuerungsrechte gerechtfertigt werden. Auch der Rechtfertigungsgrund der Verhinderung von Missbräuchen liegt nicht vor, da eine marktkonforme Kreditaufnahme, auch bei verbundenen Unternehmen, keine künstliche, eine jeder wirtschaftlichen Realität bare Konstruktion ist.

 

Rz. 14a

Für die europarechtliche Zulässigkeit der Zinsschranke spricht auch, dass Art. 4 der Richtlinie (EU) 2016/1164 v. 12.7.2016 (ATAD 1), geändert durch Richtlinie (EU) 2017/952 v. 19.5.2017 (ATAD 2), eine entsprechende Regelung enthält, für die § 4h EStG, § 8a KStG Vorbild war. Der EuGH nimmt zumindest ein Indiz an, dass Richtlinienregelungen den Grundfreiheiten entspreche.[7]

 

Rz. 15

Europarechtlich problematisch ist jedoch die Regelung, dass ein Organkreis als ein Betrieb gilt. Die damit verbundene Erleichterung im Bereich der Zinsschranke ist wegen des "doppelten Inlandsbezugs" nur für inl. Tochtergesellschaften eröffnet. Hierin liegt eine Diskriminierung grenzüberschreitender Konzernstrukturen und damit der Niederlassungsfreiheit nach Art. 49 AEUV. Der EuGH hat jedoch eine Beschränkung der Einkommensgemeinschaft auf das Inland unter dem Gesichtspunkt der Abgrenzung der Besteuerungsrechte der Staaten als gerechtfertigt angesehen.[8] Das dürfte auch für die Organschaft gelten. Der BFH hat daraus gefolgert, dass an den Inlandsbezug der Organschaft anknüpfende Regelungen europarechtskonform sind; dies betrifft sowohl die Zinsschranke nach § 4h EStG, § 8a KStG, als auch die gewerbesteuerlichen Hinzurechnungen nach § 8 Nr. 1 GewStG.[9] Auch dürfte die Voraussetzung eines Ergebnisabführungsvertrags als Rechtfertigung dafür genügen, nur bei dessen Vorliegen (wirtschaftlich) ein einheitliches Unternehmen und damit nur "einen" Betrieb anzunehmen. Im Übrigen würde eine etwaige Europarechtswidrigkeit nur § 15 S. 1 Nr. 3 KStG betreffen, es müsste entweder die Sonderregelung für Organschaften beseitigt oder der Betriebsbegriff grenzüberschreitend für ausl. Beteiligungsgesellschaften geöffnet werden.[10] Die europarechtlichen Bedenken können jedenfalls nicht dazu führen, dass § 8a KStG insgesamt unanwendbar ist.

 

Rz. 16

Auch ein Verstoß gegen die Zins- und Lizenzrichtlinie v. 3.6.2003[11] liegt nicht vor. Nach dieser Richtlinie ist nur eine Besteuerung des Darlehensgebers in bestimmtem Umfang untersagt. So erfasst Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie nur "Einkünfte" und stellt diese von Abzugs- oder Veranlagungssteuern im Quellenstaat frei. Die Richtlinie betrifft daher nur die Besteuerung des Zahlungsempfängers im Quellenstaat (nur dieser hat "Einkünfte"), nicht dagegen die steuerliche Behandlung des Darlehensnehmers (und damit die Abzugsfähigkeit der Zinsen bei dem Darlehensnehmer); hierzu enthält die Richtlinie keine Regelung.[12] Dieses Ergebnis wird auch durch die Erwägungsgründe 1 und 2 der Richtlinie bestätigt. Danach soll die Richtlinie die Gleichbehandlung des grenzüberschreitenden Zins- und Lizenzverkehrs mit entsprechenden Beziehungen innerhalb des einzelnen Mitgliedsstaats sicherstellen, also eine Diskriminierung der grenzüberschreitenden Beziehungen vermeiden. Die Zinsschranke betrifft aber gleichermaßen grenzüberschreitende und inl. Finanzierungen und ...

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