Rz. 329

Dem Begriff der Gewinnausschüttung, der auf einem den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften entsprechenden Gewinnverteilungsbeschluss beruht (offene Gewinnausschüttung), kommt bei der Einkommensermittlung nur sekundäre Bedeutung zu, weil eine Gewinnausschüttung, gleich in welcher Form und unter welcher Bezeichnung sie gewährt wird, nie das Einkommen mindern darf. Jede Gewinnausschüttung, die auf einem den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften entsprechenden Beschluss beruht, ist ebenso wie eine, bei der das nicht der Fall ist, eine Gewinnausschüttung i. S. d. Abs. 3. Bei Gewinnausschüttungen aufgrund eines ordnungsgemäßen Beschlusses unterscheidet das KStG zwischen Gewinnausschüttungen für ein abgelaufenes Wirtschaftsjahr und solchen für das laufende Wirtschaftsjahr.[1]

 

Rz. 330

Die Frage, ob ein Gewinnverteilungsbeschluss ordnungsgemäß ist, ist allein nach handelsrechtlichen Vorschriften zu beantworten.[2] Besondere steuerrechtliche Anforderungen bestehen grundsätzlich nicht. Grundlegende Voraussetzung für einen den gesellschaftsrechtlichen Voraussetzungen entsprechenden Gewinnverteilungsbeschluss ist, dass eine Bilanz aufgestellt wurde, auf der der Gewinnverteilungsbeschluss beruht, dass die Bilanz, auf der er beruht, nicht nichtig ist, und dass der Gewinnverteilungsbeschluss von den hierzu berufenen Gremien gefasst worden ist.[3] Dieser Beschluss darf weder nichtig noch auf Anfechtung für nichtig erklärt worden sein. Ist der Beschluss nicht nichtig, ist er steuerrechtlich als "ordentlicher Gewinnverwendungsbeschluss" zu beachten.[4] Ein Gewinnausschüttungsbeschluss ist nichtig, wenn er auf einer nichtigen Bilanz oder auf gar keiner Bilanz beruht.[5] Praktisch wichtig ist insbesondere die Nichtigkeit bei Verletzung der Prüfungspflicht und bei Prüfung durch dazu nicht berechtigte Personen.[6] Ein weiteres wichtiges Beispiel für die Nichtigkeit des Gewinnverwendungsbeschlusses ist der Fall, dass die Hauptversammlung den Jahresabschluss ändert und die Prüfung des geänderten Jahresabschlusses nach § 316 Abs. 3 HGB nicht innerhalb der Frist von 2 Wochen mit einem uneingeschränkten Bestätigungsvermerk abgeschlossen wird.[7]

Die in § 256 AktG geregelten Nichtigkeitsgründe gelten im Grundsatz entsprechend auch für Jahresabschlüsse prüfungspflichtiger GmbH.[8]

Der Fehler eines nicht ordnungsgemäßen Gewinnverteilungsbeschlusses kann nach Vollzug der Gewinnausschüttung nicht mehr durch Fassung eines ordnungsgemäßen Beschlusses im Folgejahr geheilt werden.[9] Ist der Beschluss anfechtbar, aber nicht angefochten worden, ist er handels- und steuerrechtlich in vollem Umfang wirksam.

 

Rz. 331

Im Fall der Liquidation kann der Gewinn des letzten abgeschlossenen Geschäftsjahrs nach Ablauf des "Sperrjahrs" noch ausgeschüttet werden[10]; er muss nicht als Liquidationsvermögen ausgekehrt werden.

 

Rz. 332

Der Begriff des ausgeschütteten Gewinns ist sowohl formal als auch sachlich im handelsrechtlichen Sinn zu verstehen.[11] Gewinnausschüttung ist alles, was die Gesellschaft zutreffend als Reingewinn (Bilanzgewinn) bzw. Jahresüberschuss ausgewiesen und an die Gesellschafter ausgeschüttet hat.[12] Reingewinn i. d. S. ist der Jahresüberschuss des laufenden Jahrs, vermehrt um einen Gewinnvortrag und Entnahmen aus den Rücklagen und vermindert um einen Verlustvortrag und Einstellungen in die Rücklagen.[13] Das Vorliegen einer Unterbilanz schließt begrifflich den Ausweis eines ausschüttungsfähigen Gewinns aus.[14]

 

Rz. 333

Die ordnungsgemäße Gewinnausschüttung ist danach dadurch begrenzt, dass ein entsprechender ausschüttungsfähiger Gewinn in der Handelsbilanz ausgewiesen wird. Ausschüttbar ist nur derjenige Gewinn, der in der Handelsbilanz als "Gewinn" oder "Gewinnvortrag" ausgewiesen wird. Kapital- und Gewinnrücklagen sind nicht "ausschüttbar" i. d. S. Sie müssen vielmehr erst gegen den Gewinn aufgelöst werden, soweit dies gesellschaftsrechtlich zulässig ist. Wird ein Betrag ausgeschüttet, der zu einer nicht aufgelösten Rücklage gehört, handelt es sich nicht um eine Gewinnausschüttung für ein abgelaufenes Wirtschaftsjahr. Vielmehr können nur die Regeln über eine Vorabausschüttung angewendet werden, was aber voraussetzt, dass die Rücklage auflösbar ist und tatsächlich in der nächsten Bilanz aufgelöst wird.[15] Geht die Ausschüttung über den danach ausschüttbaren Betrag hinaus, ist der Gewinnausschüttungsbeschluss nicht ordnungsgemäß, soweit der ausschüttbare Gewinn überschritten wird. Soweit der Beschluss durch den ausgewiesenen Bilanzgewinn gedeckt wird, ist der Gewinnverwendungsbeschluss ordnungsgemäß.[16]

 

Rz. 334

Der Gewinnausschüttungsbeschluss ist auch wirksam und damit handelsrechtlich ordnungsgemäß, wenn seine Ausführung (d. h. die Gewinnausschüttung) gegen das Gebot der Kapitalerhaltung bzw. das Verbot der Einlagenrückgewähr nach § 57 AktG bzw. § 30 GmbHG verstößt.[17] Handelsrechtlich verboten ist nicht die Fassung des Gewinnausschüttungsbeschlusses, sondern nur seine Vollziehung, d. h. die Ausschüttung. Für die Prüfung der Vor...

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