Rz. 70

Für die Frage, ob der KSt-Erstattungsanspruch in einem Insolvenzverfahren durch Aufrechnung mit einer Insolvenzforderung getilgt werden kann, ist entscheidend, wann der KSt-Erstattungsanspruch nach § 38 InsO "begründet" ist. Dabei kommt es nicht auf den Zeitpunkt des Entstehens des Steueranspruchs an. "Begründet" i. S. d. § 38 InsO ist der Anspruch vielmehr dann, wenn der schuldrechtliche Grund geschaffen ist, aus dem der Anspruch später entsteht, ohne dass dieses Entstehen von weiteren Voraussetzungen oder Bedingungen abhängig ist als dem bloßen Zeitablauf.[1]

 

Rz. 71

Nach diesen insolvenzrechtlichen, auch für das Steuerrecht maßgebenden Grundsätzen ist der KSt-Erstattungsanspruch erst im Zeitpunkt seines Entstehens nach § 37 Abs. 4 KStG auf den 31.12.2006 insolvenzrechtlich begründet. Für eine insolvenzrechtliche Begründung vor diesem Zeitpunkt fehlt nicht nur ein Zeitelement, was die Begründung nicht hindern würde. Vielmehr ist vor diesem Zeitpunkt noch unsicher, ob der Anspruch materiell überhaupt entstehen wird. Vor dem Inkrafttreten des § 37 Abs. 4 KStG ist der Erstattungsanspruch nämlich von einem entsprechenden Ausschüttungsverhalten der Körperschaft abhängig, also davon, ob ein ausschüttbarer Gewinn in der erforderlichen Höhe zur Verfügung steht, und ob die Organe der Körperschaft die Ausschüttung beschließen werden. Ohne eine solche Ausschüttung wäre das KSt-Guthaben nach Ablauf der Übergangsfrist nach § 37 Abs. 2 S. 3 KStG verfallen. Der Erstattungsanspruch ist daher mangels einer Verwirklichung des zivilrechtlichen Sachverhalts, der die Grundlage für das Entstehen des Anspruchs bildet, vor dem 31.12.2006 noch nicht "begründet".[2]

 

Rz. 72

Wurde das Insolvenzverfahren vor diesem Zeitpunkt eröffnet, ist der Vergütungsanspruch erst mit dem 31.12.2006 "begründet". Soweit dagegen vertreten wird[3], der Erstattungsanspruch sei bereits mit der Aufgabe des Anrechnungsverfahrens zum 31.12.2001 "begründet" im insolvenzrechtlichen Sinne, wird übersehen, dass zu diesem Zeitpunkt nicht nur das Zeitelement für das Entstehen des Anspruchs fehlt, sondern der materielle Tatbestand noch nicht verwirklicht worden ist, also noch ungewiss ist, ob der Anspruch jemals entstehen wird.

 

Rz. 73

Nach der in Rz. 70f. vertretenen Ansicht ist der Erstattungsanspruch erst mit Ablauf des 31.12.2006 begründet. Wurde das Insolvenzverfahren vor diesem Zeitpunkt eröffnet, ist eine Aufrechnung mit einer Steuerforderung, die eine Insolvenzforderung darstellt, nicht zulässig. Wurde das Insolvenzverfahren dagegen nach dem 31.12.2006 eröffnet, liegt die Begründung des Erstattungsanspruchs vor der Insolvenzeröffnung. Der Erstattungsanspruch steht daher für die Aufrechnung mit Insolvenzforderungen zur Verfügung.

 

Rz. 74

Nach der Gegenmeinung, nach der der Erstattungsanspruch bereits am 31.12.2001 begründet sein soll, könnte die Finanzverwaltung mit einem Steueranspruch, der eine Insolvenzforderung darstellt, aufrechnen, wenn das Insolvenzverfahren nach dem 31.12.2001 eröffnet worden ist. In diesem Sinne ist die Finanzverwaltung auch verfahren, hat ihre diesbezügliche Auffassung jedoch aufgrund der Rechtsprechung des BFH[4] zwischenzeitlich wieder aufgegeben.[5]

[1] Frotscher, Besteuerung bei Insolvenz, 7. Aufl. 2010, 61ff.
[2] BFH v. 23.2.2011, I R 20/10, BStBl II 2011, 822, BFH/NV 2011, 1209; BFH v. 23.2.2011, I R 38/10, BFH/NV 2011, 1298; Frotscher, Besteuerung bei Insolvenz, 7. Aufl. 2010, 93; OFD Koblenz v. 7.12.2007, S 0453 A/S 0550 A/S 0166 A – St 341/ St 342/St 358, DStR 2008, 354; Hubertus/Fürwentsches, DStR 2010, 2382.
[3] FG Niedersachsen v. 20.5.2010, 6 K 434/09, EFG 2010, 1393, rkr.; Ladiges, DStR 2008, 2041; Sterzinger, BB 2008 S. 1480; Fett, DStZ 2008 S. 768; wie hier BFH v. 23.2.2011, I R 20/10, BStBl II 2011, 822, BFH/NV 2011, 1209; BFH v. 23.2.2011, I R 38/10, BFH/NV 2011, 1298.

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