1 Allgemeines

1.1 Systematische Stellung

 

Rz. 1

§ 32a KStG enthält verfahrensrechtliche Bestimmungen zur Änderung von Steuerbescheiden bei verdeckten Gewinnausschüttungen und verdeckten Einlagen. Die Vorschrift betrifft damit die Besteuerung des Gesellschafters sowie die der Körperschaft und verbindet beide Ebenen verfahrensrechtlich durch eine Änderungsregelung. Diese ergänzt die entsprechenden materiell-rechtlichen Bestimmungen, die die Besteuerung der einen Ebene von der Besteuerung der anderen Ebene abhängig machen.[1] Die Vorschrift dient folglich der verfahrensrechtlichen Durchsetzung des Korrespondenzprinzips (verfahrensrechtliches Korrespondenzprinzip). § 32a KStG führt daher, ebenso wie die genannten materiell-rechtlichen Vorschriften, zu einer Durchbrechung des Trennungsprinzips.[2] Verdeckte Gewinnausschüttung und verdeckte Einlage sind steuerlich auf der Ebene der Körperschaft nicht mehr unabhängig von der Ebene des Gesellschafters zu beurteilen. Vielmehr hängt die steuerliche Behandlung einer verdeckten Gewinnausschüttung bei dem Gesellschafter nach § 3 Nr. 40 S. 1 Buchst. d EStG, § 8b Abs. 1 S. 2–4 KStG von der steuerlichen Behandlung bei der ausschüttenden Gesellschaft ab. Umgekehrt ist bei der Besteuerung der verdeckten Einlage nach § 8 Abs. 3 S. 3–6 KStG bei der Gesellschaft auch die steuerliche Behandlung bei dem Gesellschafter zu berücksichtigen. Dieses materielle Korrespondenzprinzip wird formell-rechtlich durch § 32a KStG ergänzt, der eine entsprechende Änderung des Bescheids des Gesellschafters bei der verdeckten Gewinnausschüttung und des Bescheids der Gesellschaft bei der verdeckten Einlage ermöglicht. Allerdings ist diese Bindung nur faktischer Art. Nach den genannten Vorschriften ist maßgebend, dass die Vergütung bei der verdeckten Gewinnausschüttung das Einkommen der leistenden Körperschaft nicht gemindert hat bzw. dass die verdeckte Einlage das Einkommen des leistenden Gesellschafters nicht gemindert hat. Ob eine solche Minderung vorliegt oder nicht, ergibt sich praktisch zwar aus dem KSt-Bescheid, der KSt-Bescheid enthält aber insoweit keine bindende Feststellung, an die der Ertragsteuerbescheid gegen den Gesellschafter gebunden wäre. Vielmehr hat bei der verdeckten Gewinnausschüttung das für den Gesellschafter bzw. bei der verdeckten Einlage das für die Gesellschaft zuständige FA durch Auslegung des KSt-Bescheids der Gesellschaft bei der verdeckten Gewinnausschüttung bzw. des Steuerbescheids des Gesellschafters bei der verdeckten Einlage in eigener Verantwortung zu ermitteln, ob die Leistung das jeweilige Einkommen gemindert hat oder nicht. Ebenfalls zu ermitteln hat das für den Gesellschafter zuständige FA, ob die bei der Körperschaft ermittelte verdeckte Gewinnausschüttung dem Gesellschafter zugeflossen ist. Unterschiedliche Entscheidungen im KSt-Bescheid gegen die Körperschaft und im Ertragsteuerbescheid gegen den Gesellschafter können sich auch hinsichtlich der Bewertung der verdeckten Gewinnausschüttung ergeben. Nach § 32a KStG besteht keine materiell-rechtliche Bindung an den Inhalt des KSt-Bescheids. Vielmehr ermöglicht die Aufhebung, der Erlass oder die Änderung des KSt-Bescheids bzw. des Ertragsteuerbescheids nur die Änderung des Ertragsteuerbescheids gegen den Gesellschafter (verdeckte Gewinnausschüttung) bzw. des KSt-Bescheids gegen die Gesellschaft (verdeckte Einlage). Bei der Prüfung, ob eine solche Änderung möglich ist, muss das FA selbstständig ermitteln, ob es zu einer Minderung des Einkommens in dem jeweils anderen Bescheid gekommen ist. § 32a KStG enthält also nur eine Regelung zur Durchbrechung der Bestandskraft und zur Hemmung der Festsetzungsfrist für diesen Bescheid, bindet diesen Bescheid aber inhaltlich nicht an den geänderten, aufgehobenen oder erlassenen Bescheid gegen die Gesellschaft (verdeckte Gewinnausschüttung) bzw. den Gesellschafter (verdeckte Einlage). Gegen das Verhältnis von Grundlagen- zu Folgebescheid spricht auch, dass die Änderung nach § 32a KStG im Ermessen der Finanzverwaltung steht[3] und eine besondere Änderungsvorschrift bei Annahme dieses Verhältnisses wegen § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO überflüssig wäre. Der formellen Bindung an den KSt-Bescheid entspricht also keine materiell-rechtliche Bindung hinsichtlich des Inhalts. Trotz der Verbindung der beiden Bescheide durch § 3 Nr. 40 S. 1 Buchst. d EStG, § 8 Abs. 3 S. 3–6 KStG, § 8b Abs. 1 S. 2–4 KStG und § 32a KStG ist der KSt-Bescheid insoweit kein Grundlagenbescheid, der Ertragsteuerbescheid gegen den Gesellschafter kein Folgebescheid.[4] Systematisch ähnelt die Vorschrift § 35b GewStG, der ebenfalls nur eine Änderungsbefugnis, nicht aber eine materielle Bindung an den Ertragsteuerbescheid enthält.

 

Rz. 1a

Für die verdeckte Gewinnausschüttung entfaltet die Entscheidung auf der Ebene der Körperschaft materiell und formell Bindungswirkung für die Behandlung des Gesellschafters;[5] bei der verdeckten Einlage löst dagegen die steuerliche Behandlung bei dem Gesellschafter materiell und formell Bindungswirkung für die steuerliche Behan...

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