Rz. 28

Sofern die Voraussetzungen erfüllt sind, gilt das Nennkapital des übertragenden Rechtsträgers als herabgesetzt. Bereits durch die Wortwahl ist ersichtlich, dass es sich bei dieser Kapitalherabsetzung um eine rein steuerliche Fiktion handelt, die unabhängig von der handelsrechtlichen bzw. gesellschaftsrechtlichen Fortentwicklung des Nenn- oder Stammkapitals erfolgt. Die Maßgeblichkeit des Handelsrechts gilt insoweit nur mittelbar, als das steuerliche Kapital an das handelsrechtliche Nennkapital nach Vollzug der Umwandlung anzupassen ist.

 

Rz. 29

Die fiktive Kapitalherabsetzung gilt im Zeitpunkt des steuerlichen Übertragungszeitpunkts als durchgeführt. Dies ist zwar nicht ausdrücklich in § 29 KStG enthalten. Steuerlich treten aber grundsätzlich alle Wirkungen der Umwandlung auf den steuerlichen Übertragungszeitpunkt ein, mithin auch die fiktive Kapitalherabsetzung.[1] Während der Umwandlung erfolgt keine Auskehrung des Herabsetzungsbetrags an die Anteilseigner, zumal die Herabsetzung eine steuerliche Fiktion darstellt. Ein Zufluss auf Ebene der Anteilseigner wird auch nicht fingiert.

 

Rz. 30

Die Kapitalherabsetzungsfiktion greift unabhängig davon, welche Rechtsform die Übernehmerin hat, d. h. es ist unerheblich, ob der übernehmende Rechtsträger eine Körperschaft, Personengesellschaft oder natürliche Person ist. Lediglich für den übertragenden Rechtsträger gilt aufgrund des eindeutigen Wortlauts des Abs. 1 i. V. m. Abs. 5 die Voraussetzung, dass er eine Körperschaft sein muss.

 

Rz. 31

Die Fiktion der Kapitalherabsetzung gilt für den übertragenden Rechtsträger grundsätzlich immer. Darüber hinaus erweitert § 29 Abs. 1 KStG den Anwendungsbereich der Regelung jedoch auch auf die Übernehmerin, sofern es sich bei der Übernehmerin ebenfalls um eine Kapitalgesellschaft handelt und der übertragende Rechtsträger an der Übernehmerin beteiligt ist. Dies gilt sowohl für den Fall der Verschmelzung (Downstream-Merger) als auch für den Fall der Abspaltung (Downstream-Demerger).

 

Rz. 32

Die Fiktion der vollständigen Herabsetzung des Nennkapitals ist systematisch konsequent, sofern die übertragende Kapitalgesellschaft durch den Umwandlungsvorgang erlischt (Verschmelzung oder Aufspaltung). Nach Durchführung der Umwandlung hat der übertragende Rechtsträger aufgrund des Erlöschens kein Nennkapital mehr, sodass der Vorgang als Kapitalherabsetzung gelten kann. Abs. 1 gilt aber auch, wenn die Kapitalgesellschaft nach der Umwandlung weiter besteht, d. h. bei der Abspaltung, bei der die Kapitalgesellschaft (mit vermindertem Vermögen) fortgeführt wird. Dies bedeutet, dass auch bei der Abspaltung eine vollständige Kapitalherabsetzung durchzuführen ist. Korrigiert wird diese Kapitalherabsetzung durch die Neubildung des nach der Abspaltung noch vorhandenen Nennkapitals nach Abs. 4.[2] Bei der Abspaltung wirkt die Fiktion der Kapitalherabsetzung mit anschließender Kapitalerhöhung insoweit gekünstelt, führt jedoch letztlich zum richtigen Ergebnis.

 

Rz. 33

Nach der Rechtsgrundverweisung des § 29 Abs. 1 KStG soll die Kapitalherabsetzung unter Anwendung der Grundsätze des § 28 Abs. 2 S. 1 KStG erfolgen. Dies bedeutet, dass für Zwecke der fiktiven Kapitalherabsetzung die allgemeine Verwendungsreihenfolge des § 28 Abs. 2 KStG gilt.[3]

Demnach ist zunächst ein ggf. bestehender Sonderausweis zu vermindern. Maßgebend soll insoweit der Sonderausweis "am steuerlichen Übertragungsstichtag" sein.[4] Fraglich ist allerdings, was hierunter zu verstehen ist. § 28 Abs. 2 S. 1 KStG stellt auf den Bestand zum Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres ab. Bei einer Umwandlung, die unter die Rückwirkungsfiktion des § 2 UmwStG fällt, könnte dies zu Verwerfungen führen.

 
Praxis-Beispiel

Die X-GmbH hat ein kalendergleiches Wirtschaftsjahr. Im Jahr 01 beträgt das Nennkapital 25.000 EUR und der Bestand des steuerlichen Einlagekontos 0. Im Jahr 02 wird eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln durchgeführt und ein Sonderausweis i. H. von 50.000 EUR gebildet. Im Jahr 03 wird die X-GmbH rückwirkend auf den 31.12.02 auf die Y-GmbH verschmolzen.

Sofern für die Anwendung des § 29 KStG auf das Nennkapital zum 31.12.02 abzustellen ist, müsste das Nennkapital zu diesem Stichtag heranzuziehen sein. Dieses beträgt 75.000 EUR. Für Zwecke der Kapitalherabsetzung i. S. d. § 28 Abs. 2 S. 1 KStG wäre jedoch auf den Sonderausweis zum Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres und mithin auf den 31.12.01 abzustellen. Zu diesem Zeitpunkt war indes kein Sonderausweis vorhanden, sodass auch keine Kürzung des Sonderausweises erfolgen würde. Die Finanzverwaltung scheint einer solchen Situation vorbeugen zu wollen, indem der Sonderausweis zum Umwandlungsstichtag die für die Anwendung des § 29 KStG maßgebliche Größe sein soll. Dies wäre mithin der Bestand zum 31.12.02.

 

Rz. 34

Der Grund für diese Ansicht der Finanzverwaltung scheint zunächst unklar. In dem o. g. Verschmelzungsfall würde sich keine Auswirkung aufgrund des Rückgriffs des Sonderausweises zum Umwandlungsstichtag vorangegangen...

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