Rz. 191

Wird eine "zu niedrige" Verwendung des steuerlichen Einlagekontos bescheinigt,[1] hat der Anteilseigner zu hohe Einkünfte aus Kapitalvermögen zu versteuern. Die Kapitalgesellschaft hat zudem zu hohe KapESt einbehalten. Gem. § 27 Abs. 5 S. 1 KStG bleibt die Verwendungsfestschreibung des steuerlichen Einlagekontos dennoch bestandskräftig bestehen. Eine Korrektur ist nicht möglich. Eine Auskehrung aus dem steuerlichen Einlagekonto liegt nur insoweit vor, wie die Bescheinigung diese ausweist. Anwendungssachverhalte hierfür sind insbes.

  • Fehler bei der Erstellung der Bescheinigung, indem z. B. ein noch zur Verfügung stehender Betrag von der Kapitalgesellschaft übersehen wurde oder die Berechnung des verwendeten Betrags fehlerhaft ist;
  • nachträgliche Erhöhungen des steuerlichen Einlagekontos, z. B. durch Bilanzberichtigungen oder die Erfassung "vergessener" Einlagen, sofern eine Korrektur möglich ist, und die Leistung der Kapitalgesellschaft das steuerliche Einlagekonto überstiegen hat.
 

Rz. 192

Nach Berninghaus soll ein Schreib- oder Übertragungsfehler allerdings wirkungslos bleiben, sofern eine zutreffende Fortschreibung und Feststellung des Einlagekontos erfolgt ist.[2] Diese Auffassung ist mit dem Wortlaut der Regelung nicht vereinbar. Der Gesetzeswortlaut bezieht sich explizit auf eine objektiv unrichtige Bescheinigung. Die Bescheinigung ist auch dann objektiv unrichtig, wenn der zu niedrige Betrag Folge eines Zahlendrehers oder eines Übertragungsfehlers ist. Zudem entspricht dies nicht Sinn und Zweck der Regelung, da diese eine unzutreffende Besteuerung des Anteilseigners verhindert, indem sie die durch die fehlerhafte Bescheinigung ausgelösten Rechtsfolgen auf der Ebene des Anteilseigners i. S. einer "Umkehrmaßgeblichkeit" auf die Feststellung des steuerlichen Einlagekontos zurückbezieht. Eine solche Gefahr besteht auch bei Schreib- und Übertragungsfehlern hinsichtlich der Verwendung des steuerlichen Einlagekontos, da sich das FA des Anteilseigners im Zweifel auf die Bescheinigung beziehen wird.

 

Rz. 193

Die Verwendungsfestschreibung erfolgt in dem Zeitpunkt, in dem die fehlerhafte Bescheinigung ausgestellt und den Anteilseignern bekannt gegeben wurde.[3] In diesem Zeitpunkt wird die Bescheinigung im Außenverhältnis "rechtswirksam". Wird nur ein unternehmensinterner Entwurf erstellt, den Anteilseignern jedoch nicht ausgehändigt, sind Änderungen möglich. Die Verwendungsfestschreibung erfolgt mithin nicht, bevor die Bescheinigung ausgestellt und rechtswirksam bekannt gegeben worden ist.

 

Rz. 194

Unerheblich ist, ob die Bescheinigung bereits allen oder nur einem Teil der Anteilseigner übermittelt wurde. Da die Anteilseigner entsprechend ihrer Beteiligungsquoten an der Verwendung des steuerlichen Einlagekontos partizipieren, kann die Bescheinigung nicht für einen Teil der Anteilseigner korrigiert werden.

 

Rz. 195

In der Praxis wird die Verwendung des steuerlichen Einlagekontos üblicherweise zusammen mit der KapESt bescheinigt. Dennoch sind beide Bescheinigungen getrennt zu beurteilen. Eine KapESt-Bescheinigung ohne Hinweis auf das steuerliche Einlagekonto kann nicht zur Verwendungsfestschreibung führen. Gleiches gilt m. E., wenn die KapESt-Bescheinigung zwar eine Zeile zur Verwendung des steuerlichen Einlagekontos enthält, diese jedoch keinen Betrag, auch keine "Null" ausweist. Grund hierfür ist, dass das amtliche Formular zwingend Angaben zur KapESt und zum steuerlichen Einlagekonto fordert. Soll die KapESt zeitnah bescheinigt werden, kann mithin nur eine Bescheinigung ohne Angaben zum steuerlichen Einlagekonto erteilt werden.[4] Andernfalls kann eine Verwendungsfestschreibung ausgelöst werden, wenn diese Zeile einen Betrag enthält. Fehlt ein Betrag, da dieser gesondert bescheinigt werden soll, bleibt dennoch das Risiko der Verwendungsfestschreibung. Entsprechende Hinweise auf das Einlagekonto auf der Bescheinigung sollten deshalb vorsorglich gestrichen werden.

 

Rz. 196

Die Berichtigung einer (objektiv unrichtigen) Bescheinigung ist ab dem Zeitpunkt nicht mehr möglich, ab dem die unrichtige Bescheinigung als erteilt gilt. Vor Bekanntgabe sollten Bescheinigungen daher auf Richtigkeit geprüft werden.

 

Rz. 197

§ 27 Abs. 5 S. 1 KStG ordnet als Konsequenz der Verwendungsfestschreibung auf Basis der objektiv unrichtigen Bescheinigung an, dass die zu niedrige Verwendung sowohl Eingang in das steuerliche Einlagekonto der Körperschaft findet als auch hieraus die Konsequenzen auf der Ebene des Anteilseigners gezogen werden.[5] Für die Körperschaft bedeutet dies, dass nur der bescheinigte zu niedrige Betrag das steuerliche Einlagekonto mindert. Die Differenz zum objektiv richtigen Betrag geht nicht verloren, sondern steht für spätere Leistungen der Körperschaft zur Verfügung. Die Fortentwicklung des steuerlichen Einlagekontos orientiert sich am zu gering bescheinigten Wert und wirkt sich damit auf die Kapitalgesellschaft aus. Dies gilt auch, sofern ein Übertragungsfehler bei der Erstellung der Bescheinigung i. S. d. § 27 Abs. 3...

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