Rz. 104

Leistungen der Körperschaft sind den Anteilseignern grds. anteilig entsprechend den Beteiligungsquoten zuzurechnen. Bereits nach handelsrechtlichen Maßstäben wird den Gesellschaftern ein Anteil an einem bestimmten Gewinn, nicht jedoch ein bestimmter Anteil am Gewinn zugeordnet. Es ist mithin nicht möglich, einzelne Gewinnanteile den Gesellschaftern zuzuordnen. Kommt es zur Verwendung des steuerlichen Einlagekontos, bedeutet dies, dass die Verwendung den Gesellschaftern gem. der jeweiligen Beteiligungsquote zuzurechnen sind.

 

Rz. 105

Wie unter Rz. 24 dargestellt, ist für die Verwendung des steuerlichen Einlagekontos die Summe der Leistungen in einem Wirtschaftsjahr maßgeblich. Unerheblich ist, ob es sich um unterschiedliche Leistungen handelt, z. B. offene und verdeckte Gewinnausschüttungen. Kommt es in einem Wirtschaftsjahr zur Verwendung des ausschüttbaren Gewinns und des steuerlichen Einlagekontos, sind beide Ausgangsgrößen zueinander ins Verhältnis zu setzen und nach diesem Verhältnis auf die Leistungen aufzuteilen. Dies gilt auch dann, wenn eine Leistung nur an einen einzigen Anteilseigner geflossen ist, z. B. eine verdeckte Gewinnausschüttung. Insoweit kann eine später festgestellte verdeckte Gewinnausschüttung die Feststellung des steuerlichen Einlagekontos und damit auch den KapESt-Einbehalt beeinflussen.[1]

 

Rz. 106

Wurde eine Ausschüttung teilweise aus dem ausschüttbaren Gewinn, teilweise aus dem steuerlichen Einlagekonto geleistet, kann es vorteilhaft sein, einem Anteilseigner die steuerpflichtige Auskehrung aus dem ausschüttbaren Gewinn, einem anderen Anteilseigner die nicht steuerbare Auskehrung aus dem steuerlichen Einlagekonto zuzuordnen. Eine solche Aufteilung ist unterjährig indes nicht möglich.[2] Ein Vorteil ergibt sich, wenn die Ausschüttung bei einem Anteilseigner steuerbefreit ist. Dagegen kann die Ausschüttung bei einem anderen Anteilseigner zu einer höheren Steuerbelastung führen.

 

Rz. 107

Eine Aufteilung ist aber möglich, indem disquotale bzw. inkongruente Gewinnausschüttungen vorgenommen werden. Eine disquotale Gewinnausschüttung wird von der Rspr.[3], Finanzverwaltung[4] und h. M.[5] grds. als gesellschaftsrechtliche Maßnahme anerkannt. Typischerweise erfolgen derartige Gewinnausschüttungen, um unterschiedlichen Bedürfnissen der Gesellschafter Rechnung zu tragen, Sonderaufwendungen der Gesellschafter abzugelten oder die Nutzung von Verlustvorträgen auf Gesellschafterebene zu ermöglichen.[6] Nach Auffassung der Finanzverwaltung stehen derartige Gewinnausschüttungen unter dem Vorbehalt einer entsprechenden Ermächtigung in der Satzung der Gesellschaft sowie einer Prüfung nach § 42 AO.[7] Es ist allerdings anerkannt, dass der Stpfl. seine steuerlichen Verhältnisse so gestalten darf, dass die Steuerlast hierbei minimiert wird. Die Schwelle für einen Missbrauch durch eine inkongruente Gewinnausschüttung dürfte m. E. damit sehr hoch anzusetzen sein.

 

Rz. 107a

Der BFH hat die Vornahme einer inkongruenten oder disquotalen Gewinnausschüttung demgegenüber auch steuerrechtlich anerkannt, sofern diese gesellschaftsrechtlich wirksam erfolgt ist und der Ausschüttungsbeschluss keiner Anfechtung unterliegt.[8]

Eine besondere Satzungsklausel oder die Abgeltung einer besonderen Leistung des bevorzugten Gesellschafters bedarf es hingegen nicht. Hierdurch ergeben sich zusätzliche Freiheitsgrade zur gesellschafterbezogenen Nutzung des steuerlichen Einlagekontos.[9]

Ein in der Praxis typischer Anwendungsfall kann sich z. B. im Zusammenhang mit der Körperschaftsteueroption des § 1a KStG für Personengesellschaften ergeben. Da der Zugang zum Einlagekonto der optierenden Personengesellschaft aus dem Eigenkapital, d. h. dem Gesamthandskapital zzgl. dem Ergänzungskapital erfolgt[10], kann es zu erheblichen Differenzen in der Erbringung von Einlagen außerhalb des Nennkapitals der unterschiedlichen Gesellschafter kommen, welchem nur durch eine solche disquotale Auskehrung von Einlagen wieder an die Gesellschafter anhand der erbrachten Einlagen zurückgewährt werden kann.[11]

 

Rz. 108

Zur "gezielten Nutzung" des steuerlichen Einlagekontos durch einen Anteilseigner ist die disquotale Gewinnausschüttung geeignet, wenn im betreffenden Jahr kein ausschüttbarer Gewinn vorhanden ist, etwa bei anhaltenden Verlusten. Wird im laufenden Wirtschaftsjahr ein ausschüttbarer Gewinn erwartet, kann die inkongruente Gewinnausschüttung mit einer Vorabausschüttung kombiniert werden. Dann erhält nur ein Gesellschafter eine Vorabausschüttung. Aufgrund der Systematik des steuerlichen Einlagekontos würde diese Leistung an den Vorjahreswerten anknüpfen.[12] Hat im Vorjahr kein ausschüttbarer Gewinn vorgelegen, kommt es insoweit zur Verwendung des steuerlichen Einlagekontos in Höhe der Ausschüttung, was aufgrund der Fortschreibung in Folgejahren allerdings ein einmaliger Effekt bleiben würde.

[2] So auch Förster/van Lishaut, FR 2002, 1205, 1211.

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